Medientage 2009

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Internet versus Holzpresse: Die Macht der Meinung verschiebt sich immer stärker von bedruckten Bäumen, Rundfunk- und Fernseh-Anstalten in das Internet. Deshalb saßen mit Google-Manager Philipp Schindler und Telekom-Chef René Obermann jetzt auch zwei Big Boys der Internet-Industrie in der Elefantenrunde der Medienmacher.

 

Die Medientage München standen vom 28. bis 30. Oktober 2009 unter dem Motto: „MUT - Medien und Transformation“. Wie bitte? Mut? In diesem Jahr des Zeitungs-Schrumpfens und des Blätter-Sterbens? Da will der nunmehr 23ste Nobel-Kongress der Etablierten und Arrivierten im hoch modernen Münchner ICM noch Kraft und Mut für neue Taten geben? Für Transformation? Für Innovation? Na klar, warum denn nicht? Frei nach Barack Obama: Yes We Can. Danke Mister Williams James Adams alias will.i.am: Sie zeigen uns mit Ihren Videos, wie man auch ohne Printmedien heutzutage Meinung macht: Glückwunsch zu 19.497.809 Youtube-Aufrufen. Okay: We Need Change. Früher war die Medien-Welt ja noch in Ordnung: Da saß die Family am Weekend vor dem einzigen Fernseh-Gerät des ganzen Haushaltes, und alle schauten das gleiche Programm, sagen wir mal Gottschalk, oder Musikantenstadel. Eine Handvoll große Medien hatten damals das Privileg, die halbe Nation mit massen-kompatiblen Allerwelts-Themen vor dem Fernseher zu vereinen. Das hatte auch was Gutes: Da kamen Oma, Opa, Mama, Papa und alle Geschwister mal wieder zusammen. Aber diese trauten Zeiten sind vorbei. Heute sitzt Jeder in einem anderen Zimmer, vor seinem Laptop, SmartPhone, oder HDTV-Screen, oder vor allen Dreien gleichzeitig. Inzwischen gibt es Programm-Alternativen ohne Ende: Hunderte von TV-Sendern über Satellit, Abertausende von Spezial-Anbietern im World Wide Web: Dank Internet kann heute jeder Journalist und jeder inspirierte Bürger sein eigener Verleger werden. Die Einrichtung einer Webseite, eines Blogs oder eines Wikis erfordert fast kein Kapital: Es reicht ein Laptop mit Internet-Zugang. Weil man das kostenlose Wissen der vielen neuen Nischenanbieter per Google auch halbwegs komfortabel findet, kündigen Firmen und Privatleute immer häufiger die Abos ihrer gedruckten Fachzeitschriften. Per Internet kommen die News schneller und billiger. Die meisten Inhalte-Anbieter, auch die meisten Verlage, verschenken dort Ihr Wissen. Natürlich ist es für den Leser mühsam, sich die vormals schön gegliederten Rubriken einer ehemaligen Fachzeitschrift jetzt aus 17 tollen Bloggerseiten und 25 Twitterkanälen selber mittels RSS-Feeds und Suchmaschinen zusammen zu kratzen. Aus vielen dieser Internet-Kanäle kommen zwar immer wieder echte Perlen, es kommt aber auch viel irrelevantes Gezwitscher. Nicht jeder Leser hat genug Zeit, die Spreu vom Weizen zu trennen.

 

Masse versus Klasse

 

Deshalb gliedern Online-Publisher wie CBS Interactive mit ZDNet.de, CNET.de und silicon.de ihre umfangreichen Inhalte ganz klar in zielgruppenspezifische Themenkanäle. Somit kann zum Beispiel der IT-Chef einer Großfirma im CBS-Portal jetzt einen völlig anderen Themen-Kanal besuchen als etwa der private Handykäufer, WLAN-Bastler oder Gadget-Jäger. Ein hoch bezahlter IT-Chef will sich doch nicht mühsam durch hunderte von halbrelevanten Seiten und Dutzende von penetranten Werbe-Popups hindurch manövrieren, nur um die Klickrate-Statistik der Verlage hochzujagen. Der IT-Chef will in seinem Themen-Channel doch pfeilgenau mit wenigen Mausklicks auf Anhieb seine Lösung auf dem digitalen Silbertablett sehen. Tatsächlich scheinen auch die Anzeigenkunden der Online-Medien so langsam nicht mehr auf die schiere Masse der Klicks, sondern eher auf die Klasse der Inhalte Wert zu legen. Inzwischen kann der Anzeigenvertrieb eines Online-Publishers zielgruppenspezifische Themenkanäle bei den Werbekunden sogar schon leichter argumentieren als die pure Menge an geklickten Meldungen und Artikeln zu allen möglichen Themen. So ähnlich jedenfalls hat mir das Alexander Strupf bei einer kurzen Stippvisite am 30. Oktober 2009 auf den Medientagen erzählt. Der muss es wissen, denn als Director Sales & Marketing der CBS Interactive GmbH in München-Riem schafft Strupf mit seinen Leuten das Geld heran, das unter anderem die Redaktionen brauchen, um exzellente Inhalte zu erarbeiten. Offenbar gelingt die Mischung zwischen Masse und Klasse bei CBS ja doch ganz gut, denn die derzeit circa 2,9 Millionen Internet-Besucher pro Monat können nicht nur aus hochkarätigen IT-Chef-Etagen kommen.

 

Print versus Online

 

Während die CBS Interactive GmbH fast nur im Internet agiert, ist IDG noch fest in beiden Welten verankert, sprich Print und Online: IDG gilt als der weltweit führende Anbieter auf den Gebieten IT-Medien, IT-Research, Konferenzen und Ausstellungen. Die erfolgreichste Tochter

des Bostoner IDG-Konzerns, die „IDG Communications Media AG“, macht in München-Schwabing Blätter wie PC-WELT, Computerwoche, ChannelPartner, TecChannel.de, Macwelt, GameStar, GamePro, DigitalWorld.de, CIO, Young Professional, und weitere. Die meisten Titel erscheinen sowohl auf Papier, als auch im Internet. Da viele Medien-Macher gerne wüssten, wie man die Transformation von der Holzpresse in das Internet erfolgreich managt, gab es am 29. Oktober 2009 im ICM eine Diskussionsrunde von KPMG: Dort plädierte York von Heimburg (Foto), Vorstand der IDG Communications Media AG, für das Denken in weltweiten Gesamtmärkten, den Ausbau von Service-Formaten und die Erschließung von Nischen im Internet. „Der Printbereich muss einen Gegenentwurf zum Internet entwickeln, so wie es uns Die Zeit erfolgreich vorgemacht hat“, lobt York von Heimburg seine norddeutschen Publisher-Kollegen. Aber auch im Online-Bereich seien bereits Erfolge möglich. So machten einige Unternehmen der Branche im Internet bereits heute schon mehr Umsatz als mit Printprodukten. Die Nischen im Online-Bereich hielt auf diesem Medientage-Podium auch der Finanzvorstand der RTL Group, Elmar Heggen, für einen viel versprechenden Ansatz. Dr. Rainer Esser, der Geschäftsführer von Die Zeit betonte den positiven Aspekt der aktuellen Medienkrise und des Wandels: „Es ist eine spannende Zeit mit vielen Möglichkeiten.“ Die Innovation, die jetzt gezwungenermaßen vielerorts stattfinde, sei im Grunde eine Voraussetzung für den langfristigen Erfolg eines Unternehmens.

 

Google als Partner

 

Spannend klingt auch das offizielle Resumé des Mediengipfels. Es bringt Ängste und Chancen des digitalen Umbruchs auf den Punkt:

„Google-Manager Philipp Schindler (Foto) deutete die aktuellen Verschiebungen auf den Medienmärkten nicht als Verdrängungsprozess, sondern als einen Veränderungsprozess, der von den Konsumenten ausgelöst werde. Vorwürfe, Google mache ohne eigene Inhalte Geschäfte auf Kosten anderer, wehrte Schindler mit dem Hinweis darauf ab, dass es ohne den Suchmaschinen-Konzern niemand besser gehe. Vielmehr verstehe sich Google als Partner anderer Medienunternehmen. Eine ähnliche Rolle nahm auch René Obermann für die Deutsche Telekom in Anspruch. Der Vorstandsvorsitzende des Branchenführers betonte, die Telekom betrachte sich bei den aktuellen Transformationsprozessen als „Teil der Lösung, nicht als Problem“. Die 23. Medientage München 2009 haben laut Abschlussmeldung mit rund 7.000 Teilnehmern und etwa 500 Referenten in mehr als achtzig Panels erneut ihre führende Position als Deutschlands größter Medienkongress untermauert. Sie werden unterstützt von der BayerischenStaatskanzlei und der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien (BLM). Die 24. Medientage München 2010 sind für den 13. bis 15. Oktober 2010 geplant. Wer sich mit alten oder neuen Medien beschäftigt, fand auf den Medientagen wohl noch jedes Mal sehr gute Anregungen, und außerdem das Who is Who der Medien-Branche: Nicht nur im ICM, auch auf der legendären Nacht der Medien (Videoclip).

 

Tipps und Quellen

 

Resumé des Mediengipfels als PDF

Audiofile des Mediengipfels unter Leitung von Helmut Markwort.

Alle Vorträge aller Münchener Medientage seit 1999 als PDF

Fotoquellen: IDG 2009, Medientage 2009

 

Es diskutieren:Prof. Dr. Hubert Burda

Jürgen Doetz

Thomas Ebeling

Ferdinand Kayser

Prof. Markus Schächter

Anke Schäferkordt

Philipp Schindler

Dr. Adrian von Hammerstein

Prof. Dr. Wolf-Dieter Ring

Helmut Markwort

Siegfried Schneider

René Obermann

Richard David Precht

Peter Boudgoust

Dr. Herbert Kloiber

Text: Dr. Harald Karcher, 30.10.2009