• 2008| “Trashing Adorno" (mehr dazu)

  • Wanzke (Idee), Budesheim (Screen)

  • Luminale in Frankfurt

Unser Antwortschreiben

Abgelehnt! Nach einem kurzen Wutanfall haben wir uns entschlossen, die Absage nicht einfach hinzunehmen. Plan war, eine "intellektuelle Breitseite" abzufeuern. Dazu habe ich folgenden Text verfasst. Ein "Angebot", welches das Kulturamt nicht ablehnen konnte, wie sich dann zeigte. Das Projekt war gerettet.

Sehr geehrte Frau Romahn,

zunächst ein Wort zum Titel der Arbeit. „Trashing Adorno“ versteht sich keineswegs als „Aufruf“ zur „Aufhebung eines Denkmals“. Eher ist das Gegenteil der Fall. Kleineren und größeren Attentaten ist dieses Denkmal, wie wir aus erster Hand wissen, des Öfteren ausgesetzt. In ironischer Anspielung auf Adornos Minima Moralia, würden wir eher von „Reflexionen über ein beschädigtes Denkmal“ sprechen wollen. Also: Wir möchten keineswegs zur „Beschädigung“ aufrufen, sondern vielmehr zum Nachdenken über die diversen großen und kleinen Angriffe (und vieles andere mehr) anregen.

(Zudem: Wer bei „Trashing Adorno“ mit „ja“ stimmt, der erhält Elemente der Skulptur, er sichert sie sozusagen, wenn natürlich auch nur virtuell.)

Das Kulturamt hat sich, so schreiben sie, unzweideutig das Erhalten und Bewahren auf die Fahnen geschrieben. Wir sind der Ansicht – und da werden Sie uns vermutlich beipflichten – dass es zum Erhalten und Bewahren eines Denkmals auch gehört, Sorge zu tragen, dass der Gedächtnisraum, den es darstellt, sich nicht sukzessive entleert und damit ausdorrt.

Es genügt zum Bewahren nicht, die manchmal beschädigte Glasscheibe des Adorno-Denkmals wieder her zu richten. Oder andere Spuren der Gewalt (einer verdrehten Aufmerksamkeit) wegzuwischen. Wichtig ist zugleich, den Geist der Arbeit in Bewegung und „Sichtbarkeit“ zu halten. Unsere Installation ist ein Versuch, dazu beizutragen; daher würden wir uns über eine Zusammenarbeit mit dem Kulturamt freuen, da wir, wenn auch mit ganz unterschiedlichen Mitteln, doch ähnliche Ziele verfolgen.

Sie sehen in dem Zitat „Es gibt kein richtiges Leben im falschen“ eine unzureichende Verkürzung. Hierzu sei uns eine kleine Bosheit gestattet: Unsere Installation besteht natürlich auch nicht nur aus diesem Zitat … sprich: Ihre Beschreibung erscheint uns – wenn wir das Kompliment zurück geben dürfen – ebenso als unzureichende Verkürzung :-)

Wie dem auch sei, der Begriff „Verkürzung“ soll uns als willkommenes Stichwort dienen: Ja, es geht (auch) um Verkürzungen. Ein ganz zentraler Begriff in Adornos Denken ist – wie Sie wissen – der des identifizierenden Denkens. Die abendländische instrumentelle Rationalität subsumiert das Besondere stets unter den Begriff. So wird noch das Verschiedenste gleich gemacht. Es wird verkürzt, eben identifiziert, ihm wird im Grunde Gewalt angetan. „Technik ist das Wesen dieses Wissens“ und Denkens. Identifizieren und Quantifizieren sind seine bevorzugten Übungen. Ob es sich fügt oder nicht, alles soll ins Prokrustes-Bett dieses Denkens verspannt werden.

An dieser Stelle hakt unsere Arbeit als Teil eines Zyklus’ (zuletzt zu sehen in der Hamburger Kunsthalle) gleichsam ein. Sie thematisiert (neben vielem anderen) das Phänomen der sogenannten Poll-Games. Auch hier haben wir es mit erstaunlichen Verkürzungen zu tun. Die Spieler werden dabei zwar aufgefordert, ihre Stimme abzugeben. Allerdings steht in der Regel nichts, bzw. nichts Wesentliches zur Wahl. Jede Stimme zählt zwar. Aber auch nicht mehr. Denn: Auch hier zählt nur das Zählen allein. Identifizieren, Quantifizieren, also Verkürzen. Das Digitale kennt keine Dialektik. Kann man auf eine „existenzielle“ Frage nach dem (richtigen oder falschen) eigenen Leben mit Ja oder Nein antworten? Was steht auf dabei dem Spiel …? Aber natürlich: Im Spiel geht alles.

Es ist vielleicht nicht nur ein historischer Zufall, dass Adornos Todesjahr auf das berühmte Jahr „68“ folgt, welches sich heuer bekanntlich jährt. „Damals“ stand einiges auf dem Spiel. In der „Kritik der zynischen Vernunft“ schreibt ein ganz anderer Vernunftkritiker, nämlich Peter Sloterdijk: „Die Bombe fordert von uns weder Kampf noch Resignation, sondern Selbsterfahrung. Wir sind sie. In ihr vollendet sich das westliche Subjekt.“ Die Bombe ist – in dieser Sicht – der pervertierte „Höhepunkt“ der instrumentellen (Un-)Vernünftigkeit, die im Zentrum der Kritik Adornos (und vieler anderer) stand, was man auch auf die Gefahr der Verkürzung hin, sicher sagen darf. Für die Welt im Zeitalter ihrer technischen Reproduzierbarkeit hingegen ist „die Bombe“ natürlich nur noch ein Internet-Spiel. Denn: Nichts steht mehr auf dem Spiel. Oder?

Ganz im Geiste des bisher gesagten – aber das nur noch nebenbei bemerkt – steht es, wenn die von Zakharov ausgestellten und aber leider auch (aus verständlichen Gründen heraus) vitrinisierten Antiquitäten im Ja-Nein-Handy-Spiel radikal „entauratisiert“ werden (um noch mal Adornos Zeitgenossen Benjamin ins Spiel zu bringen). Der Schreibtisch als dieser ganz besondere wird „aufgehoben“, er wird zum identifizierbaren und abzählbaren Objekt einer schneidenden Ökonomie des Ja/Nein.

Doch wie schnell gerät man in den Bann des Spaßes … wir wollen diese Dialektik keineswegs bloß stoppen.

Wir finden daher: „The Games must go on“ und hoffen darauf, dass Sie unsere Arbeit schließlich doch „befürworten“ können und wir „Trashing ADORNO“ am idealen Standort zeigen können – mitten in Zakharov ’s „Adorno Monument“.