PRESSEANALYSE

Fragwürdige Rolle der Presse in der unabhängigen Beurteilung

Der Flüchtling starb im Ausschaffungsverfahren 03/2010. Ein rechtsmedizinisches Gutachten ergab die Diagnose einer zu lebzeiten nicht diagnostizierbaren schweren Herzkrankheit. Soweit die Staatsanwaltschaft. Diese Ansicht wurde durch ein zweites rechtsmedizinisches Gutachten nicht bestätigt. Die Todesursache ist rechtsmedizinisch obskur und ungeklärt.

Die Presse hat die staatsanwaltschaftlichen Verlautbarungen jedoch ohne weitere Prüfung in den Printmedien verbreitet.

Auf unsere Intervention in der Aerztezeitung war einzig die welsche Tageszeitung LeTemps bereit, die Diskussion um die Todesursache und das Problem der Ethik zu thematisieren. In den Printausgaben aller grossen deutsch-schweizerischen Tageszeitungen wurde still gehalten.

Wo steht die Presse?

Es ist Sache der Presse, in solchen brisanten Fragen vertiefte Analysen durchzuführen. Eine unbesehene Übernahme von Verlautbarungen der Staatsanwaltschaft in einem Bereich, wo gerade diese ein erhebliches Interesse daran hat, die wahre Todesursache zu verschleiern, ist nicht professionell. Eine kritische Betrachtung und vertiefte Forschung sind notwendig, um die Unabhängigkeit der Presse in dieser Angelegenheit zu wahren.

Presse betrachtet zweites Gutachten nicht unabhängig

Wir stellen fest, dass das zweite Gutachten zur Todesursache, nun unabhängig und aus Deutschland stammend, seitens der Staatsanwaltschaft irreführend dargestellt wurde. Das deutsche Gutachten geht nämlich von einer ganz anderen Todesursache aus als das schweizerische.

Die Staatsanwaltschaft stellte dies jedoch als kongruent zum ersten dar, was irreführend und medizinisch falsch ist.

Zudem ist auch die im deutschen Gutachten vermutete Todesursache lediglich als Vermutung zu betrachten: es gab weit gewichtigere und klinisch begründete Umstände, welche zum Tode des Flüchtlings führten als eine fibromuskuläre Dysplasie. Es ist demnach fragwürdig, sich hier auf die postmortale patho-anatomische Beurteilung zu verlassen.

Wir fordern eine unabhängige Presse

Bisher beschränkte sich die Presse gross-mehrheitlich auf die Verbreitung der parteiischen Ansichten der Staatsanwaltschaft in dieser Angelegenheit. Diese intellektuelle Kapitulation müssen wir bis zum Beweis des Gegenteils als staatshörige Willfährigkeit interpretieren.

Löbliche Ausnahmen sind der Artikel im Beobachter vom Juli 2011 und in der BaZ vom 26.07.2011 von Seraina Gross, vielen Dank.