2020 - Bier brauen, ein neues Hobby

19.04.2020 - Spätestens seit der Bottlecap-Wall dürfte bekannt sein, dass ich Bier mag. Das tun ja viele und bis vor vier Jahren war es mir eigentlich auch relativ egal, welches Bier da vor mir stand, solange es halbwegs schmeckte. Dabei handelte es sich in den allermeisten Fällen um Industriebiere und die üblichen heimischen Sorten wie Kölsch, Pils, oder Export. Manchmal im Biergarten noch ein Weizen, aber das war es dann auch schon. Aber irgendwann Anfang Mai 2016 änderte sich das grundlegend mit einem Besuch in der neuen Bierabteilung des örtlichen "Trinkgut".

Ich weiß bis heute nicht was mich da geritten hat, aber irgendwie war ich wohl neugierig, wollte mal was Neues ausprobieren und habe eine Flasche Maisel & Friends Marc's Chocolate Bock für 4,99 € eingepackt. Für diesen Betrag hatte ich bislang immer eine ganze Kiste Oscar Maxxum Export mitgenommen. Wäre dieses 4,99 € Bier "normal" gewesen, hätte ich es vermutlich dabei belassen. Aber schon beim ersten Schluck merkte ich, dass DAS mit Bier wie es bisher kannte nur entfernt etwas zu tun hatte. Da waren jede Menge Aromen im Spiel, die ich bei Bier bis dato nicht kannte.

Man kann also sagen, dass mich dieses Bier angefixt hat noch mehr mir unbekannte Sorten zu probieren. Und was es da nicht alles zu entdecken gab: nie hätte ich gedacht, dass es so viele verschiedene Bierstile gibt! Vieles davon probierte ich zum ersten Mal und war immer wieder überrascht, wie groß die geschmackliche Bandbreite war: Altbier, Amber Ale, Barley Wine, Belgian Strong Ale, Berliner Weisse, Bitter, Black Ale, Blonde, Bockbier, Brown Ale, Dubbel, Gose, India Pale Ale, Lambic, Porter, Quadrupel, Rauchbier, Red Ale, Saison, Stout, Tripel, Witbier... und das ist nur ein kleiner Auszug!

Ich machte mir also einen Spaß daraus, immer neue Stile und Sorten zu finden und diese für mich zu bewerten. Natürlich ohne jegliche Ahnung, wie man so etwas "richtig" macht, sondern nur auf einer Skala von 1 bis 10. Wie beschreibt man eigentlich den Geschmack eines Bieres? Eine gute Übung war das Lesen solcher Beschreibungen auf Biertestseiten im Internet während der Verkostung um nachzuempfinden, was der Autor geschmeckt und wie er es beschrieben hat. Vieles konnte man dann tatsächlich nachvollziehen. So waren bald die Kategorien "malzig" und "hopfig" klar, später auch Begriffe wie Antrunk, Rezenz und Abgang und auf einmal schmeckt man nicht nur die Banane beim Weizen, sondern auch viele andere Nuancen z.B. Ananas, Litschi, Koriander, Kaffee und sogar Eisbonbons... Mit jeden neuen Bier lernt man dazu und der Geschmacksinn wird geschult.

2019 legte meine Liebste mir dann ein originelles Geschenk unter den Weihnachtsbaum: eine Braubox von Besserbrauer. Darin war alles enthalten, um ca. vier Liter "Pale Ale" selbst zu brauen: ein Paket Malz, Hopfenpellets, Hefe, ein Thermometer, eine Gärflasche mit Gärspund, ein Bierheber, Reinigungsmittel und eine Brauanleitung. Ich gebe zu, dass dieses Brau-Set erst mal vier Monate im Regal lag, bevor ich mich rantraute. Kochen war noch nie mein Ding und ich war mir nicht sicher, ob es sich beim Brauen nicht genauso verhalten würde. Was dabei wohl rauskommt...?

Nach dem Auspacken der Zutaten habe ich also ganz nach Anleitung in einem großen Topf vier Liter Wasser auf 72° erhitzt und anschließend das Malz hineingeschüttet. Das nennt man Maischen (von Mischen) und das konnte sogar ich. Der Duft der anschließend aus dem Topf emporstieg war der Hammer, ich habe selten etwas so leckeres gerochen!

Dann hieß es umrühren damit nichts anbrennt und die Temperatur eine Stunde lang zwischen 65 und 69° zu halten, damit sich der Zucker aus dem Malz löst. Anschließend wurde das ganze auf 78° erhitzt, das nennt man dann "Abmaischen" und die Enzyme beenden bei dieser Temperatur ihre Tätigkeit.

Der nächste Schritt war das "Läutern", hierbei wird das Malz von der Flüssigkeit mit einem Sieb getrennt und der noch im Malz befindliche Restzucker durch das Übergießen mit 78° heißem Wasser (dem so genannten Nachguss) ausgewaschen. Ergebnis sind der sogenannte Treber, mit dem man leckeres Brot backen oder es an Tiere verfüttern kann, und die Würze die dann später zum Bier wird.

Die Würze wird anschließend zum Kochen gebracht und dann werden die Hopfenpellets in verschiedenen Portionen zu bestimmten Zeitpunkten hinzugegeben. Frühe Hopfengaben bestimmen die Bitterkeit des Bieres, späte Hopfengaben das Aroma. Nach einer Stunde Hopfenkochen muss die Würze auf 25° heruntergekühlt und der Hopfen wieder herausgefiltert werden, bevor das ganze dann in die Gärflasche wandert, wo die Hefe hinzugegeben wird. Nach rund vier Stunden Arbeit heißt es noch alles saubermachen und die Gärflasche dann in den dunklen und Kühlen Keller stellen, wo der Hefe ca. zwei Wochen Zeit gegeben wird den Zucker in Alkohol und Kohlensäure umzuwandeln.

Zwei Wochen später kann man das "Jungbier" dann in Flaschen umfüllen. Vorab kommt in jede Flasche noch ein wenig Zucker, damit es der Hefe nicht langweilig und die Gärung abgeschlossen wird. Das Bier reift weitere zwei Wochen in der Flasche und wandert dann für einige Tage in den Kühlschrank, bevor man das Ergebnis der ganzen Arbeit endlich probieren kann. Ich war wirklich gespannt, meine Erwartungen waren aber eher bescheiden. Was soll da schon rauskommen, wenn jemand, der absolut keine Ahnung hat versucht Bier zu brauen?

Beim Öffnen der allerersten Flasche selbstgebrauten Bieres war ich wirklich überrascht: mit einem satten PLOPP! öffnete sich die Flasche und was da mit einer schönen naturtrüben Farbe und satter Schaumkrone ins Glas floss sah wahrlich nicht schlecht aus!

Nase dran: riecht auch gut! Und dann der erste Schluck: gibt's doch gar nich! DAS hab ICH gemacht? Richtiges Bier, das wirklich lecker schmeckt! Wie geil ist das denn?! Als ich das Bier dann in der Familie zum Probieren rumgereicht hab, war die Resonanz durchweg positiv. Premiere gelungen, kann man sagen! :-)

01.06.2020 - Nachdem der erste Brauversuch so erfolgreich war, habe ich mit bei Besserbrauer ein paar Nachfüllpakete bestellt. Diese bestehen immer aus einem Paket Malz, Hopfen, Hefe und einer Brauanleitung. Alle anderen Utensilien aus der Braubox kann man ja wieder verwenden. Sud #2 sollte ein leichtes "Summer Ale" werden.

Als Verbesserung zu Sud #001 wurde zum Maischen nun Oma's alter Einkocher und beim Läutern Oma's altes Küchensieb benutzt. Ich wette Oma sitzt auf ihrer Wolke und schaut mir lächelnd zu... :-)

11.06.2020 - Sud #002 ist in Flaschen umgefüllt, die Gärflasche gesäubert und somit wieder einsatzbereit, also geht's gleich weiter mit Sud #3: einem belgischen Witbier!

Bei Sud #001 und #002 hab ich den Hopfen immer mit in den Topf gegeben und hinterher mit einem Teesieb wieder rausgefiltert. Das war aber etwas fummelig und hat gedauert. Jetzt kommt der Hopfen einfach in dieses Hopfensieb und wird darin mitgekocht. Nach dem Kochen einfach Sieb raus und der meiste Hopfen bleibt darin hängen. Der Rest wird durch das Teesieb gefiltert, was nun deutlich schneller geht.

Während das Brauens fiel mir dann auf, dass ich weder frische Koriandersamen noch eine Orangenschale am Start hatte. Zum Glück fanden sich noch gemahlene Samen und getrocknete Orangenschalen im Küchenfundus. Mal schauen, ob das auch funktioniert...

28.06.2020 - Nachdem ich nun bereits in drei Suden Erfahrungen gesammelt habe, wage ich mich mal an einen meiner Lieblings-Bierstile: Sud #004 wird ein India Pale Ale (IPA).

09.07.2020 - Heute ein Brautag auf der dunklen Seite der Macht: Sud #005 wird ein Black IPA. (Nachtrag 10.07.20: die Hefe feiert in der Gärflasche die Party ihres Lebens, so viel Geblubber war bislang noch nie im Gärspund! Bin mal gespannt was da rauskommt...

10.08.2020 - Nachdem ich bei den ersten fünf Suden so viel Spass hatte, hab ich mir einfach mal das komplette restliche Programm von Besserbrauer bestellt, das sollte brautechnisch bis Ende des Jahres reichen. Sud #006 wird nun ein klassisches Helles, zu Besuch war mein alter Schulfreund Jan, der viele Jahre in München lebte und den Bierstil somit seht gut kennt. Also vom Trinken her, selber Brauen war für ihn Neuland. Bei der gemeinsamen Verkostung fünf Wochen später waren wir beide von der spektakulären Mittelmässigkeit dieses Versuchs überzeugt und Jan meinte, man könnte sich dieses Bier aber schön trinken... :-) Dafür hatte er reichlich eingekauft und so wurde es noch ein sehr langer und lustiger Abend.

22.08.2020 - Auf Sud #007 hatte ich mich sehr gefreut, da ich diesen Bierstil liebe. Im Nachhinein muss ich sagen: leider habe ich ihn völlig verkackt. Was war passiert? Normalerweise streut man die Hefe so wie sie ist in die Gärflasche. Dabei bleibt immer ein bisschen was am Flaschenhals kleben, was aber nicht weiter schlimm ist. Trotzdem dachte ich: lös die Hefe vorher mal in Wasser auf und kipp sie dann rein, dann bleibt auch nichts hängen. Leider hat die Hefe mir das sehr übel genommen, was sich zuerst darin äußerte, dass sie die Arbeit verweigerte und tagelang nichts in der Gärflasche passierte.

Dann kam sie doch noch in Schwung und ich dachte: komisch, aber vielleicht muss das so. Der erste Schluck, auf den ich mich so gefreut hatte, war dann ein Festival der Fehlaromen, das Zeug war ungenießbar und so musste ich es leider wegschütten. Naja, aus Fehlern lernt man, und dieser Fehler wird mir bestimmt nicht noch mal passieren. Immerhin haben sich die Hühner des "Milchkännchen"-Bauernhofes sehr über den Treber gefreut... :-)

06.09.2020 - Sud #008 wurde ein Bockbier. Und was für eins! Bockbiere sind ja von Haus aus etwas stärker eingebraut, das Exemplar von Besserbrauer sollte 6,5 % haben. Ich wollte es dieses mal etwas genauer wissen und habe mir zu diesem Zweck ein Refraktometer gekauft. Damit misst man die Stammwürze in Brix, was dann in Grad Plato umgerechnet wird. Ein "normales" Bier hat eine Stammwürze von ca. 12-13° Plato. Je höher dieser Wert, desto höher ist der Alkoholgehalt des späteren Bieres. Beim Bockbier wird durch mehr Malz ein höherer Platowert der Stammwürze angestrebt.

Da ich diesen Wert nun erstmals auch messen konnte, stellte ich fest, dass das Maischergebnis nicht so optimal war wie von Besserbrauer versprochen, es wurde weniger Zucker ausgewaschen als im Rezept vergesehen. Nun kann man das aber durch einen geringeren Nachguss korrigieren. Dann hat man am Ende zwar weniger Bier, aber der Platograd und somit auch der Alkoholgehalt stimmen. So kamen dieses mal zwar nur drei Liter raus, aber die waren bislang mit Abstand das beste, was mir brautechnisch bisher gelungen war.

19.09.2020 - Sud #009 wurde ein Weizen, das so lala geschmeckt hat. Mir war es etwas zu sauer und die Bananennote, die ich am Weizen eigentlich so mag, war nur marginal schmeckbar. An der Umsetzung konnte es eigentlich nicht gelegen haben, da ich nun schon Routine hatte, so dass alle Handgriffe saßen und das Ganze sicher und zügig vonstatten ging. Egal, der Weg ist ja Bekanntlich das Ziel und da gibt es auch schon mal ne Umleitung.

11.10.2020 - Sud #010 wurde wieder ein Weizen, aber dieses mal ein dunkles. Dunkle Farbe wird beim Bier durch den Zusatz von Röstmalz erreicht: je mehr davon, desto dunkler wird das Bier. Beim einem dunklen Weizen zum Beispiel ist es weniger als beim einem tiefschwarzen Stout. Das helle Weizen aus Sud #009 war ja nicht so mein Fall, aber das dunkle war wieder klasse. Richtig schon süffig!

08.11.2020 - Sud #11 wurde ein "Dunkles", ein englisches "Brown Ale". Also noch etwas mehr Röstmalz als beim dunklen Weizen. Obwohl die Refraktometermessung (15 Brix auf 10,5 Brix) ein eher bescheidenes Vergärungsergebnis ergab, so war das Ergebnis doch wieder sehr lecker.

21.11.2020 - Sud #012 war das letzte "Besserbrauer"-Paket. Im Hobbybrauerforum musste ich mir schon länger Sprüche anhören, warum ich denn so lange diese Kleinstchargen zu vergleichsweise sehr hohen Preisen brauen würde. Aber hey: ist doch MEIN Geld und ich wollte am Anfang einfach möglichst viele verschiedene Stile ausprobieren bevor ich dann in die 20-Liter-Klasse aufsteige. Also wurden es wieder nur 3,5 Liter eines "Irish Extra Stout". Und in diesem Falle war das auch gut so, denn das Ergebnis war doch sehr mittelmäßig, da die Hefe irgendwie nicht in Gang kam.

01.12.2020 - Für die Herstellung mancher Biere muss ein ungeheurer Aufwand betrieben werden. Beim Eisbock z.B. wird durch Einfrieren das Wasser entzogen und so der Alkoholgehalt erhöht. Manche treiben das auf die Spitze und frieren das gewonnene Extrakt immer wieder aufs neue ein. Dadurch steigt der Alkoholgehalt, aber es wird rein mengenmäßig auch immer weniger. Ein Meister dieses Faches ist Georg Tscheuschner, dessen "Schorschbock" zu den stärksten Bieren der Welt gehört. Ich war mal wieder neugierig und hab mit ein Fläschchen "Schorschbock 57" gegönnt: 0,04 Liter für 24,99 €. Aua. Aber es war das zu diesem Zeitpunkt stärkste Bier der Welt und wer den Aufwand bei der Herstellung kennt weiß, dass der Preis durchaus gerechtfertigt ist. Im Glas sieht es fast aus wie ein Cognac. Der Geschmack war wirklich krass. Durch den hohen Alkoholgehalt raubt es einem "Nicht-Schnapps-Trinker" wie mir erst mal den Atem. Also hab ich tröpchenweise getrunken und so hat das Fläschen deutlich länger gehalten als gedacht. Und der Dekowert dieses besonderen Fläschchens ist deutlich höher als das Pfand... :-)

18.01.2021 - Nachdem ich vor gut einem halben Jahr mit den Besserbrauer-Sets auf den Geschmack gekommen bin habe ich lange überlegt, welches System ich beim Aufstieg in die 20-Liter-Klasse nehmen soll. Es gibt ja viele Möglichkeiten und hier ist jeder von seinem System überzeugt. Ich finde es sehr interessant, wie viele unterschiedliche Wege zum Ziel führen und was für tolle Konstruktionen so mancher da am Start hat. Da ich aber handwerklich eher ein Vollpfosten bin und die Lektion „wer billig kauft, kauft zweimal“ in anderem Zusammenhang schon lernen musste, ist es schließlich ein relativ idiotensicherer Speidel Braumeister 20 Plus geworden.

Allerdings gebraucht und supergünstig im Komplettpaket mit Edelstahlhaube, Kellermeister-Gärtank (zwei Deckel mit/ohne Kühlspirale), Kühlaggregat und einer hochwertigen Maltmill, die bereits in der Schrotung auf den Braumeister justiert und fertig montiert auf passendem Deckel und Behälter kam. So eine Art Rundum-Sorglos-Paket, das man nicht mehr selber zusammenstellen brauchte. Um das Gerät kennen zu lernen bin ich erst mal bei fertigen Brausets geblieben und habe mir das Speidel-Sortiment bestellt, bevor ich mir danach dann ein eigenes Malz-, Hopfen- und Hefenlager einrichten werde. Nachdem die Besserbrauer-Sude noch alle in der Küche vonstatten gingen, wurde mit dem Braumeister das Gartenhaus zum Brauhaus umfunktioniert.

Die Programmierung von Rasten und Hopfenzugaben war ein Kinderspiel, lediglich die Dampfentwicklung beim Kochen hatte ich etwas unterschätzt. Trotz Durchzug mit zwei offenen Türen und einem Fenster war zeitweise dichter Nebel angesagt. Da werde ich noch einen entsprechenden Brüdenabzug nachrüsten. Aber gerochen hat’s prima… :-) Da das Weizen (Sud #13 am 06.12.2020) bei Raumtemperatur gären konnte, war der Einsatz des Kühlaggregates noch nicht erforderlich. Nach gut zwei Wochen brachte die Messung mit dem Refraktometer keine Veränderung mehr und ich konnte 39 Flaschen abfüllen. Diese wanderten nach kurzer Zeit in den neu erworbenen Vollraumkühlschrank. Ab da lief es dann etwas aus dem Ruder.

Auch den Kühlschrank hatte ich gebraucht für nen Hunni geschossen und zwei Dörfer weiter abgeholt. Aufgestellt, wie vorgeschrieben einen Tag gewartet, dann eingeschaltet und Bier reingestellt. Einen entscheidenden Punkt hatte ich jedoch vergessen: zu kontrollieren, auf welcher Stufe das Teil eingestellt war. Einige Tage später stellt sich raus: Stufe 7, fast die komplette Charge gefroren und eine nicht unerhebliche Sauerei durch überquellende Flaschen inklusive. Also abends um 23 Uhr Eimer und Putzlappen geholt und das Desaster / die Flaschenbomben Stück für Stück entschärft. Dann erinnerte ich mich aber daran, dass vor vielen, vielen Jahren in beschaulichen Städtchen Einbeck schon mal Bier ungewollt eingefroren wurde. Natürlich ohne Kühlschrank auf Stufe 7, aber mit vergleichbarem Ergebnis. Der Legende nach sollte der Brauerei-Lehrling zur Strafe das Ergebnis seines Fehler austrinken, was sich unerwarteter Weise als äußerst stimmungsaufhellend erwies.

Also dachte ich mir mach’s wie der Lehrling und bestrafe Dich selbst für den unverzeihlichen Fehler. So habe ich dann von einigen recht stark gefrorenen Flaschen den nicht gefrorenen Teil in einer Liter-Flasche gesammelt und diese zu den anderen geretteten Flaschen in den Kühlschrank gestellt (der jetzt auch vorschriftsmäßig auf Stufe 3 eingestellt war). Nach weiteren zwei Wochen hab ich mich dann getraut eine „normale“ Flasche zu öffnen. Ich hatte schon Bedenken, wie sich das Ganze auf den Geschmack auswirken würde, aber als ich das erste Weizen ins Glas goss war ich erst mal völlig geplättet: das Bier war kristallklar! Das hatte ich so bislang noch nicht und ich glaube, das war ein unbeabsichtigter „Cold Crash“... :-) Die Hefe vom Boden der Flasche etwas aufgeschüttelt und das Weizen sah auch wie eines aus. Und der Geschmack? Klasse! Da habe ich schon viele schlechtere Industrie-Weizenbiere getrunken!

Heute nun war der Tag an dem ich die Flasche mit dem „Destillat“ geöffnet habe. Ich hatte mir da ehrlich gesagt keine großen Hoffnungen gemacht und mit einem abwasserähnlichen Gesöff ohne Kohlensäure gerechnet. Überraschung: die Flasche macht beim Öffnen tatsächlich leise „Plopp!“ Gibt’s doch gar nicht, da ist wirklich noch Kohlensäure drin? Und eingeschenkt sieht es klasse aus. Dann der spannende Moment des ersten Schlucks: kann man es überhaupt trinken? Man kann, und wie! Der Geschmack der „normalen Weizen“ ist hier nochmal verstärkt und das ganze geht wirklich gut runter. Die Kohlensäure und der Schaum waren zwar vergleichsweise schnell weg, aber das störte mich in dem Moment herzlich wenig.

Ich habe keine Ahnung, was der Alkoholgehalt war, aber nach Genuss der Literflasche bin ich geneigt es zu formulieren wie Rolls-Royce die Leistung seiner Autos angibt: „angemessen“.

01.01.2021 - Der erste Sud des neuen Jahres (#014) am Neujahrstag war ein weiteres Braupaket von Speidel mit dem Namen "Eichenholzbock". Da Bockbiere stärker eingebraut sind, war die Malzmenge hier auch etwas größer als sonst und das Malzrohr des Braumeisters war ziemlich gut gefüllt. Nachdem der erste Sud noch für dichten Nebel im Gartenhaus gesorgt hatte, wurde der Braumeister dieses Mal unter freiem Himmel positioniert. Hat auch prima funktioniert bis es kurz vor Ende entgegen der Wetterprognose dann doch tatsächlich noch zu regnen anfing. Dem Bier hat es nicht geschadet und beim saubermachen der Gerätschaften wurde ich dann halt gleich mit sauber.

Der Eichenholzgeschmack wurde übrigens mit gerösteten Eichenholzchips erreicht, welche zur Gärung hinzugegeben wurden. Hier kam auch zum ersten Mal das Kühlaggregat zum Einsatz, welches seinen Dienst zu meiner vollsten Zufriedenheit erledigte und eine konstante Gärtemparatur von 12 Grad garantierte. Der Geschmack war schon besonders, aber Vater und Bruder bestätigten einen sehr gelungenen Sud, der bockbiertypisch auch ganz ordentlich funktionierte... ;-)

21.02.2021 - Weiter ging's mit den Speidel Braupaketen, als Sud #015 stand ein Festbier auf dem Plan. Dieses Mal spielte auch das Wetter mit und der ganze Brautag verlief eigentlich problemlos. Als ich die Würze dann runterkühlen wollte machte sich allerdings ein Frostschaden am außenliegenden Wasserleitungsrohr bemerkbar und das Kühlen mittels Kühlmantel im Braumeister war somit nicht mehr möglich. Was nun? Als erstes habe ich einen Haufen Eiswürfel reingeworfen, was die Temperatur schon mal von 100 auf 80 Grad senkte und die Würze auch auf den passenden Grad von 14 Brix brachte.

Dann hab ich die Würze einfach mit immer noch über 70 Grad in den Gärbehälter laufen lassen und die Kühlspirale mit dem Kühlaggregat angeschlossen. Das klappte hervorragend und sparte zudem noch eine Menge Wasser! Die Kühlwassertemperatur ging zwar auf bis zu 40 Grad hoch, sank dann aber kontinuierlich und nach gut einer Stunde waren 20 Grad erreicht und ich konnte die Hefe hinzugeben, welche dann bei 12 Grad ihre Arbeit verrichtete. Wenn ich bedenke wieviel Wasser sonst zur Kühlung durchläuft, werde ich das in Zukunft wohl immer so machen. Das Bier ist übrigens auch wieder gut geworden, auch wenn die Flaschengärung dieses mal etwas länger als sonst dauerte.

30.03.2021 - Sud #016 wurde ein Rauchbier. Diesen doch sehr speziellen Bierstil kann man nur lieben oder hassen. Ich erinnere mich noch gut an meinen ersten Schluck Rauchbier am 04.10.2016, als ich das Paradebeispiel dieser Biergattung im Glas hatte und testen wollte: das Aecht Schlenkerla Rauchbier Märzen aus Bamberg, der Rauchbiermetropole schlechthin. Der Geschmack nach geräuchertem Speck war derart unerwartet, ungewohnt und fernab von allem, was ich bis dahin biertechnisch im Glas hatte, dass ich in meiner Bewertungsliste zum ersten Mal keine Zahl, sondern ein "WTF" notierte. Ich konnte mich wirklich nicht entscheiden, ob ich das Ganze grausig oder geil fand, tendierte aber zu ersterem.

Knapp vier Jahre und zahlreiche Biertests später traute ich mich dann doch noch mal an ein Schlenkerla Rauchbier, dieses Mal war es ein Eichen-Doppelbock, natürlich auch wieder mit viel Rauchmalz. Nun wusste ich ja schon was mich ungefähr erwartete, aber ich war gespannt, wie mein seit damals weiterentwickelter Geschmackssinn die Sache bewerten würde. Und das war wirklich krass. Der Geschmack nach geräuchertem Speck war zwar vorhanden, aber da war noch viel mehr, ein wahres Aromen-Feuerwerk. Und mit der zweiten Flasche auch eine unglaubliche Süffigkeit, die Lust auf noch mehr machte. Was für ein Unterschied zum ersten Test! Damals war ich ratlos, dieses Mal begeister: volle Punktzahl. Und damit wusste ich: ich liebe Rauchbier! :-)

Der mittlerweile vierte Sud mit dem Braumeister war schon routiniert, alle Handgriffe und Abläufe saßen und es machte einfach nur noch Spaß. Und auch das Ergebnis war sehr schmackhaft. Natürlich kam es nicht an das Schlenkerla ran, aber das Raucharoma war schön ausgeprägt und ein paar Flaschen dieses Sudes hebe ich mir mal für später auf, manche Biere werden mir der Zeit besser und ich glaube, dieses gehört dazu.

13.06.2021 - Nach einer coronabedingten Pause ging in Sud #017 mit einem IPA weiter. Dieser Bierstil ist sehr hopfenbetont, hat viele fruchtige Aromen und zählt zu meinen absoluten Favouriten. Deshalb habe ich mir dieses Speidel-Brauset bis zum Schluss aufgehoben, frei nach dem Motto: das Beste zum Schluss. Beim Auspacken viel sofort die deutlich größere Menge an Hopfenpellets auf. Beim Hopfenkochen war das Hopfensieb dann auch randvoll. Da ich mittlerweile schon unzählige IPAs getrunken habe, kann ich dieses als nicht überragend, aber doch ganz gut gelungen einordnen.

26.07.2021 - Nach 17 Suden mit fertigen Brausets startet mit Sud #018 nun Phase 2. Dazu habe ich mir ein kleines Malz-, Hopfen- und Hefe Lager angelegt, um Rezepte aus dem Internet nachzubrauen und in Phase 3 irgendwann auch mal eigene Rezepte zu entwickeln. Zur Lagerung des Malzes habe ich mir ein paar passende Eimer bestellt und für den Braumeister eine Erweiterungsscheibe, damit mehr Malz reinpasst und ich auch Biere mit höherer Stammwürze in ansprechender Menge herstellen kann.

Als "Grundausstattung" habe ich mir erst mal 50 kg Pale Ale Malz und 5 kg Caramalz Hell, sowie 10 verschiedene Hopfensorten bestellt. Der Plan ist, mittels eines Standardrezeptes pro Sud jeweils nur eine Hopfensorte zu verwenden, um deren Geschmack unverfälscht kennen zu lernen. So etwas bekommt man im Laden nicht, denn in den meisten Bieren kommt eine Mischung verschiedener Hopfensorten zum Einsatz. Der heutige Sud wird also ein Unikat, von der Machart her zwar nichts besonderes, aber doch so sonst nirgendwo zu bekommen. Die Hopfensorten nehme ich einfach mal in alphabetischer Reihenfolge, und so wird es ein "Amarillo Single Hop Pale Ale".

Update 10.08.2021: Die Gärung ist durch und die Hefe hat ganze Arbeit geleistet: aus 15 Brix wurden 7,5 Brix und laut Refraktometer-Rechner hat das Bier damit 6,3 %, was eigentlich schon IPA-Niveau ist. Damit hat sich die Erweiterungsscheibe schon mal bezahlt gemacht. Nun habe ich die erste Hälfte wie gewohnt in Flaschen abgefüllt, die andere Hälfte aber noch "hopfengestopft", was den Geschmack des Hopfen nochmals verstärken soll. Dazu wird eine Hopfensocke mit dem Rest der Hopfenpallets in das Bier gehängt und dieses so nochmal eine Woche stehen gelassen. In dieser Zeit ziehen die Aromen aus den Pallets in das Bier und verstärken den Geschmack. Hab ich so noch nie gemacht und ich bin icht neugierig ob es was wird und vor allem, wie groß der geschmackliche Unterschied zur "ungestopften" Version ist.

Update 17.08.2021: Heute stand die ungestopfte Version des Amarillo SHPA zum Test an und es ist ein echt leckeres Pale Ale geworden, der Amarillo-Hopfen erinnert an Mandarinen oder Orangen und ist sehr fruchtig und süffig. Ein echtes Sommerbier, leicht zu trinken aber dennoch nicht ganz ohne: die 6,3 % merkt man zwar nicht beim trinken, aber kurze Zeit später im Kopf.

Update 01.09.2021: Ich war wirklich gespannt, wie die hopfengestopfte Variante schmeckt bzw. ob das Experiment überhaupt gelungen ist. Zum Vergleich habe ich also eine Flasche der ungestopften Variante und eine Flasche der gestopften Variante geöffnet um den Geschmack im direkten Vergleich zu testen. Und der Unterschied war ziemlich deutlich: als dem schon leckeren Pale Ale wurde durch die zusätzlichen Hopfenaromen ein Bier, das mir persönlich nochmals besser schmeckte! :-)

18.09.2021 - Bei Sud #019 kam die Hopfensorte "Ariana" zum Einsatz. Da das Rezept und der Arbeitsablauf bei den Single Hop Pale Ales ansonsten immer der gleiche ist, spare ich mir die Beschreibung jedes mal zu wiederholen. Den Geschmackstest und Vergleich der ungestopften und gestopften Variante werde ich natürlich festhalten. Nun braue ich auch schon seit anderthalb Jahren mein eigenes Bier und es macht immer noch richtig Spaß. Mit der Zeit bekommt man auch eine gewisse Routine und durch Optimierungen z.B. durch Starten des Hopfenkochens schon zu Beginn der Läuterphase verkürzt sich der ganze Prozess auch etwas. Aber 4-5 Stunden hat so ein Brautag dann doch immer.

Update 10.10.2021: Schon vor einigen Tagen konnte ich die erste Flasche des Ariana Pale Ales probieren, und das war schon ein deutlicher Unterschied zum Amarillo. Zum einen hatte ich die Stammwürze etwas niedriger eingestellt, sodass dieses Pale Ale "nur" noch 5,4 % hatte, darüber hinaus schmeckte der Ariana-Hopfen irgendwie weicher und nicht so bitter, fast schon ein Frauenbier. Vielleicht deshalb ein so weiblich klingender Name... :-)

11.10.2021 - Wenn man dem Bier im Kühlschrank richtig viel Zeit gibt, dann setzen sich alle Trubstoffe am Flaschenboden ab und man bekommt ein fast schon kristallklares Bier, das aussieht wie gefiltert. Das Bild zeigt den Inhalt der letzten Flasche Rauchbier vom März diesen Jahres. Eine wie ich finde fast schon betörend schöne Farbe, die wirklich Lust auf den ersten Schluck macht.