2004 - Ulrich Schnauss

01.03.2004 - Eigentlich hatte ich elektronischer Musik schon vor 15 Jahren den Rücken zugekehrt (Ausnahme: Yello). Doch dann hörte ich im Soundtrack des Playstation-Spiels Gran Turismo 4 im Hintergrund eine total hypnotisierende Musik mit dem Titel "A Million Miles Away" von einem gewissen Ulrich Schnauss. Der Name sagte mir gar nichts, aber diese Musik war völlig anders als alles, was ich bis dahin kannte. Und darum ist er mir auch einen Eintrag hier wert.

Bei Wikipedia wurde die Stilistik als "Shoegaze" beschrieben. Auch das sagte mir nichts. Ich wusste nur, dass ich dieses "A Million Miles Away" aus dem Playstation-Spiel wochenlang im Ohr hatte. Also fügte ich mich dem Schicksal und beschloss, der Sache mal nachzugehen.

Auf der Schnauss-Homepage konnte man einige Titel kostenlos herunterladen, darunter auch der genannte. Die Boxen meines PCs waren nicht schlecht, aber als ich die Musik das erste Mal über die Stereoanlage hörte, sind mir fast die Ohren weggeflogen: Wow! Absolut spacig! Ich kaufte mir also das Schnauss-Album "Far Away Trains Passing By". Im Internet war nachzulesen, dass es die Auszeichnung "Best Electronic Album Of The Year 2001" erhalten hatte. Das wunderte mich nicht.

Auf seiner Homepage steht, dass Schnauss (Jahrgang 1977) ursprünglich aus Kiel kam, dann einige Jahre in Berlin unter verschiedenen Pseudonymen als Musiker, Remixer und Produzent arbeitete, bevor er nach England auswanderte. Ich finde er hat seinen ganz eigenen Stil, den er auch auf den beiden Nachfolge-Alben "A Strangely Isolated Place" (2003) und "Goodbye" (2007) durchzieht bzw. weiterentwickelt.

CD-Kritik:

"Ist Ulrich Schnauss ein bisschen Opfer des Leakwahns geworden? Lange vor dem Erscheinen von „Goodbye“ gab es schon allerlei negative Meinungen darüber im Internet zu finden, denn wie das so läuft kursierten bereits Kopien - nur waren das in diesem Falle unfertige Versionen, und „Goodbye“ ist sicherlich kein Album das man sich unfertig anhören möchte. Ich war zumindest verwundert als ich dann auf ein zwar dichtes, aber enorm schönes Album traf das so anders war als befürchtet.

Schnauss kreiert darauf auch weiterhin Traumwelten in denen sich Shoegazer, Dreampop- und Elektronikfreunde treffen, doch wie schon erwähnt ist hier alles dichter geworden. Klangwände und -wellen werden aufeinander geschichtet, die Songs sind mit so vielen herrlichen und feinen Details versehen dass sie anfangs verdrehterweise stumpf wirken können. Dabei sind sie emotional geladen, melancholisch, packend, alles nur nicht stumpf. Man möchte lauter drehen um mehr und mehr Facetten wahrnehmen zu können, und dank Schnauss' exzellenter Produktion wird man dafür auch nicht bestraft.

Wobei ich hier nicht nur von Schnauss reden kann, seine Freundin Judith Beck ist fester Bestandteil der Musik und auch auf fast allen Songs zu hören, so verleiht sie „Stars“ mit ihrer von etwas woanders als die Musik herzukommen scheinenden Stimme eine gewisse Andersweltigkeit. Und wie gern wartet man auf diesen bezaubernden Moment als sich nach über vier Minuten halb geflüsterten, halb gehauchten Gesangs das immer wieder angedeutete Motiv aus „Goodbye“ endgültig herausschält und sich zu voller Größe entfaltet? „Medusa“ ist hingegen furchterregend, nach einem mit Melodien, rein elektronischen und verfremdeten analogen Effekten nur so durchzogenen langen Spannungsaufbau löst es sich aber am Ende unerwartet in Wohlgefallen auf.

In den letzten Wochen bin ich immer wieder auf „Goodbye“ zurückgekommen und merke gerade zur Zeit dass es für eine Fahrt oder Wanderung durch die eintretende Abenddämmerung kaum einen schöneren Soundtrack gibt. Mit den Kopfhörern fest an den Ohren verankert möchte man nur zu gerne alles Akustische um sich herum ausblenden bis einen nur noch diese tiefgründige Klangwelt umgibt. Ich halte den Kopf ganz still, verlangsame meinen Schritt um mich dem Tempo der Musik anzupassen, und manchmal ist mir selbst das Atmen durch die Nase zu laut und scheint wichtige Tonwellen zu blockieren. Also, wenn ihr demnächst einen Typen mit offenem aber lächelndem Mund durch die Nacht gehen seht: der hört möglicherweise Ulrich Schnauss."


Der besagte Titel "A Million Miles Away" ist übrigens eine Art Remix-Neuauflage des Titels "Monday Paracetamol", wie ich später rausgefunden habe. Es gibt kaum Musik-Videos von Ulrich Schnauss, aber unzählige You-Tube-Videos sind mit seiner Musik unterlegt worden, weil sie so viel Atmosphäre verleiht.