2001 - Mit dem Rennrad über die Nordschleife

01.08.2001 - Auf diese verrückte Idee brachte mich mein Studienkollege Thomas Bergler, der hobbymäßig Radrennen fährt. Bis 2004 fuhren wir jedes Jahr einmal im Sommer abends über die Nordschleife. Ich habe selten etwas schöneres, idyllischeres und gleichzeitig auch so mörderisch anstrengendes und gefährliches erlebt. Lest den Leidensbericht...

Wer kennt sie nicht, die schönste und schwierigste Rennstrecke der Welt? In der Eifel gelegen erstreckt sich die Nordschleife über 20,8 Kilometer, sagenhafte 89 Links- und 85 Rechtskurven bei 300 Meter Höhenunterschied. Hier wurden Helden geboren, und hier kamen sie auch ums Leben. Meist mit dem Auto. Es geht aber auch mit dem Rennrad...

Am 1. August 2001 traf ich mich mit auf dem Parkplatz vor der Quiddelbacher Höhe mit meinem Thomas, um die Nordschleife auf dem Rennrad zu bezwingen. Ich kannte bis dahin nur normales Fahrradfahren und war dementsprechend naiv. Thomas war schon damals seit vielen Jahren passionierter Hobby-Radrennfahrer und dementsprechend fit wie ein Turnschuh. Er brachte mir freundlicherweise sein ausgedientes Zweit-Rennrad mit, für mich immer noch mehr als gut genug. Ich staunte erstmal, wie leicht dieses Rad und wie schmal die Reifen waren. Dann den Sturzhelm aufgezogen (dazu gleich mehr) und über den Zaun geklettert (ja ich weiß, das macht man nicht, aber es war schon abends nach acht und wir hatten vorher höflich bei der Streckensicherung an Start/Ziel nachgefragt, ob die Bahn frei ist und wir drauf könnten).

Zum Auftakt nahmen wir den kleinen Anstieg zur Quiddelbacher Höhe und radelten dann locker mit 40 km/h zum Flugplatz und Schwedenkreuz, was auf diesem Rad überhaupt kein Problem war. Nach der Arembergkurve ging es hinab in die Fuchsröhre. Und da ging mir der Arsch auf Grundeis, wie man so sagt. Mein Tacho zeigte knapp 80 km/h an als ich mit pochender Halsschlagader und vom Fahrtwind tränenden Augen (trotz Brille) vorsichtig die Bremse zog. Wenn ich in dem Moment nur kurz falsch gezuckt oder zu stark gebremst hätte, hätte ich wahrscheinlich nicht mal die Zeit gehabt "Amen" zu sagen bevor ich in die Leitplanke eingeschlagen wäre und in dem Moment hätte mir auch mein tolles Styroporhelmchen nix genutzt. Thomas hatte übrigens nicht gebremst und am Ende eine Spitzengeschwindigkeit von über 90 km/h auf dem Tacho gespeichert. Wahnsinn.

Das Adrenalin, das daraufhin meinen Körper durchströmte, half mir problemlos rauf bis zum Adenauer Forst, wo ich das gerade erlebte erst Mal in langsamer Fahrt bis zum Metzgesfeld verdauen musste. Dort sahen wir ein atemberaubendes Eifel-Panorama mit tief stehender Sommer-Sonne: wunderschöne Natur, klare Luft, und bis auf das leise Surren unserer Räder war nichts zu hören. Ich wäre gerne noch stundenlang so weitergefahren, doch leider kam gleich der nächste Hammer: die Abfahrt über Kallenhard und Wehrseifen bis runter nach Breidscheid, tiefster Punkt der Strecke. Fast genauso steil wie die Fuchsröhre, aber diesmal nicht gerade, sondern Kurven ohne Ende. Ich bemühte mich, auf der Ideallinie möglichst viel Geschwindigkeit mitzunehmen, aber Thomas zog mir trotzdem auf und davon.

Unten in Breidscheid angekommen, machte ich einen verhängnisvollen Fehler, der mir in den darauf folgenden Jahren nicht mehr passierte: ich hatte nicht genug Schwung, um die Ex-Mühle hoch zu kommen. Also: absteigen und schieben. Diese Stelle ist unfassbar steil! Thomas wartete grinsend und meinte "Geht‘s noch?" A........! Wir fuhren dann weiter Richtung Bergwerk. Da ahnte ich noch nicht, dass ich gleich sterben sollte. Mehrmals hintereinander. Es ging das Kesselchen hinauf zur hohen Acht. Ich weiß nicht, wie oft ich auf dieser kilometerlangen Steigung abgestiegen bin, ich hab mein Rad fast nur geschoben. Irgendwann waren wir dann doch auf der hohen Acht angekommen und ich musste mich völlig fertig auf die Leitplanke setzen. Ich guckte so zwischen meine Füße aufs Gras und was sah ich? Ein 5-Mark-Stück! So eine Schinderei und alles für 5 Mark!

Da die hohe Acht der höchste Punkt der Nordschleife ist, ging es danach mehrheitlich bergab, meistens recht moderat. Das tat gut! Auf der Döttinger Höhe sind wir im wechselnden Windschatten mit über 50 km/h dahingejagt, wieder dieses unvergleichliche Panorama, diesmal mit der Silhouette der Nürburg, die sich am nun schon ziemlich dunklen Abendhimmel abzeichnete. Diesen Eindruck nahm ich mit durch die Hatzenbach-Kurven, und nach rund 70 Minuten waren wir wieder am Ausgangspunkt angekommen. Was für ein Erlebnis! Himmel und Hölle so dicht beieinander. Ich schwor mir an diesem Abend, etwas für meine Fitness zu tun und schon im folgenden Jahr schaffte ich die Strecke in unter einer Stunde und musste nur einmal kurz vor der hohen Acht absteigen...