1996 - Homerecording / Synthesizerstudio Bonn

01.09.1996 - Seit dem Kauf des Yamaha V50 und nicht zuletzt des Korg 01/Wpro konnte ich meine eigene Musik in diesen Geräten aufnehmen / programmieren. Audio-Aufnahmen (z.B. Gitarre) jedoch waren damals noch nicht mit jedem PC machbar und erforderten einen dementsprechenden Aufwand. So hab ich mir von meinem mickrigen Ausbildungsgehalt Stück für Stück die Geräte zusammengespart, mit denen ich 1999 meine erste eigene CD produzieren konnte. Den Großteil der Geräte kaufte ich im legendären Synthesizerstudio Bonn bei Dirk Matten.

Wie man auf den Bildern unschwer erkennen kann, steckte ich damals wirklich JEDE Mark, die ich in der Ausbildung bei der Kreissparkasse verdiente, in Musikinstrumente und Studioequipment. Das war schon ganz schön verrückt. Das meiste hab ich später wieder verkauft, denn mit dem Korg OASYS kann ich heute alles machen, wozu ich damals noch ganze Berge von Technik brauchte.

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Das Herzstück war ein digitales, vollautomatisiertes und mit Motorfadern bestücktes 24-Spur-Mischpult vom Typ Yamaha 02R mit Meterbridge. Das erste halbwegs bezahlbare Digitalpult und damals zu dem Preis eine technische Sensation. Die 24 Kanäle konnte man auf 8 Busse routen, die über eine ADAT-Lichtleiter-Verbindung an einen E-mu "Darwin" 8-Sour-Harddiskrecoder angeschlossen waren. Gesteuert wurde das ganze über MIDI-Timecode, wobei ein Macintosh-PowerPC mit Emagic Logic über ein MOTU-MIDI-Interface als Clock-Source fungierte. An der ersten acht Kanälen hingen die Einzelausgänge des E-mu e64-Samplers, den ich wie auch den Harddiskrecorder, den Macintosh und die Tannoy-Abhörmonitore im legendären Synthesizerstudio Bonn bei Dirk Matten höchstpersönlich gekauft hatte.

Die Tannoy DMT-10 MK II sind für mich bis heute die besten Lautsprecher die ich je gehört habe. Ich benutze sie heute am OASYS und werde sie NIE mehr verkaufen. Das hatte Dirk mir damals auch gesagt, denn es waren seine persönlichen Monitor-Boxen, die da im Studio 1 des Synthesizerstudio Bonn standen und nicht für den Verkauf bestimmt waren. Die Serie wurde nicht mehr gebaut und die Nachfolger, die ich probe hörte, waren zwar auch exzellente Boxen, klangen im direkten Vergleich jedoch nicht so unglaublich glasklar wie die DMT-10, da waren Dirk und ich uns einig. Ich musste ihm die Boxen deshalb förmlich "aus dem Kreuz leiern", denn er wollte sie wirklich nicht verkaufen und wahrscheinlich tut es ihm heute noch leid, dass er es doch getan hat. Ich schaue seitdem immer mal wieder in Fachzeitschriften oder bei Ebay nach, aber diese Boxen wurden seitdem NIE irgendwo angeboten. Jeder, der ein Paar hat, hält sie fest und vererbt sie wahrscheinlich an seine Enkel...

Das Synthesizerstudio Bonn war ein ganz besonderer Laden. Zunächst lag das Geschäft nicht mitten in der Stadt, wie z.B. der Musikstore Köln, sondern abseits auf dem ehemaligen Gelände einer Tapetenfabrik im 3. Stock eines unscheinbaren Hinterhofgebäudes. Laufkundschaft gab es also nicht. Ich wurde durch sehr originelle Anzeigen in der Zeitung "Keyboards" und die Empfehlung eines Bekannten, der dort Kunde war, auf diesen Laden aufmerksam: "Fahr zum Dirk, das ist der Beste." Als ich nun mein Heimstudio plante, brauchte ich fachkundige Hilfe, damit alles so zueinander passte und funktionierte wie ich mir das vorstellte. Damals machte der Music-Store Köln aufgrund seiner Größe zwar schon günstigere Preise, aber beim Synthesizerstudio Bonn stand die Beratung im Vordergrund, und das war es was ich brauchte.

Und die Beratung und Kundenbetreuung im Synthesizerstudio Bonn (SSB) war unvergleichlich. Ich habe selten erlebt, dass man sich so intensiv um einen Kunden kümmert. Es begann schon damit, dass man am Telefon sofort mit Dirk per Du war und einen Termin vereinbaren musste, damit einer der drei Mitarbeiter sich an diesem Vor-/Nachmittag nur um diesen einen Kunden kümmern konnte. Terminvereinbarung im Musikgeschäft, wo gibt‘s denn so was? Ich war schon vor meinem ersten Besuch begeistert.

Als ich mich dann an einem schönen sonnigen Sommertag auf den Weg Richtung Bonn machte, hatte ich ein paar Skizzen dabei, wie ich mir mein kleines Tonstudio vorstellte. Das Synthesizerstudio Bonn war weltweit der erste Laden, der sich Anfang der 70er Jahre auf das Fachgebiet Synthesizer spezialisiert hatte. Nicht zuletzt deshalb gingen die Stars der elektronischen Musik-Szene dort ein und aus. Auf dem Hinterhof wo ich parkte, stand jede Menge Zeug eines Handwerkerbetriebs rum und dann fand ich ein kleines Schild an einem versteckten Eingang mit dem Hinweis, dass das SSB im 3. Stock zu finden sei. Dorthin gelangte man mit einem ächzenden Industrieaufzug. Oben angekommen stand man erst mal vor der Tür. Keine offene Glas-Ladentür, sondern eine massive Eisen-Bürotür ohne Klinke. Dafür aber mit Klingel. Beleuchtet. Indirekt mittels eines Neonröhren-Spots. Drauf gedrückt und dann stand ich Dirk Matten gegenüber und wurde empfangen wie ein alter Bekannter, den man schon Jahrelang kennt. Ich war das erste Mal dort...

"Kaffee?" Gern! Es folgte ein kleiner Rundgang durch die "heiligen Räume" und ich gestehe, dass ich mich kurzzeitig im Synthesizer-Himmel wähnte. Die Gänge waren mit bunten Neonröhren ausgeleuchtet, an den Wänden hing moderne Kunst. Was die Instrumente betraf: es gab nichts, was es da nicht gab. Von der modularen Moog-Schrankwand bis hin zum neuesten Sampler stapelte sich in den Projekt-Studios alles, was synthesizertechnisch von Bedeutung war. "Hier zieh ich ein" schoss mir durch den Kopf. Dirk stellte mir seinen Mitarbeiter Stefan Lindlahr vor. Den Namen kannte ich aus einer Fachzeitschrift, wo Stefan als Autor tätig war. Und der hilft mir hier? Wie cool.

Stefan hatte an diesem Tag genau zwei Kunden. Einer davon war ich. Ich zeigte ihm meine Skizzen und er wusste sofort, in welche Richtung das ganze gehen sollte. In den folgenden drei Stunden (!) erarbeiteten wir ein schlüssiges und finanzierbares Konzept, suchten die passenden Geräte und Software aus. Ich erfuhr sehr viel neues und testete alle Geräte ausgiebig. Zwischendurch schaute Dirk immer mal wieder rein, fragte ob alles OK ist und "Noch n Kaffee?" Gern! Als ich dann nach Hause fuhr, hatte das Synthesizerstudio Bonn einen Stammkunden mehr gewonnen. Die Preise waren angesichts der Zeit, die sich Dirk und Stefan für mich nahmen auch völlig in Ordnung. Ich war noch ein paar mal da, und es waren immer STUNDEN, die ich dort verbrachte! Es ist keine leere Phrase, wenn ich behaupte: dort fühlte man sich als Kunde wirklich als König.

Es ist sehr schade, dass Dirk sein Synthesizerstudio Bonn um die Jahrtausendwende schließen musste. Doch viele Kunden guckten nur noch auf den Preis. Beratung im SSB und dann woanders billiger kaufen? Nennt mich unwirtschaftlich, altmodisch und sogar romantisch, aber DAS konnte ich nicht mit meinem Gewissen vereinbaren. Wenn sich jemand solche Mühe gibt, dann kaufe ich auch bei ihm. Dann gucke ich nicht auf 100 € mehr oder weniger. Ich bezahle gerne mehr, wenn ich weiß, dass ich eine Gegenleistung dafür bekommen habe.

Für Außenstehende mag es vielleicht befremdlich klingen, aber ich behaupte, dieser Laden hat Musikgeschichte mitgeschrieben, denn er war in den 70ern, 80ern und 90ern die erste Anlaufstation für alle Elektronik- und Synthesizerfreaks der Republik. In Bonn, in einem Industriegebiet, in einem unscheinbaren Gebäude im Hinterhof im 1. Stock. Heute ist der Laden eine Legende. Danke Dirk!

Dirk Matten hat einige Jahre später eine "Synthesizerstudio Bonn Gedächtnisseite" ins Internet gestellt: www.elektropolis.de. Dort finden sich viele Hintergrundgeschichten, Details und Fotos der bewegten Geschichte. Sehr unterhaltsam und interessant! Wer sich ein bisschen auskennt, staunt über die vielen bekannten Namen, die dort auftauchen. Dirki hatte sie alle :-)