1987 - Kurze Karriere als Tanzmucker

Tanzmusik war und ist für mich die Hölle. Primitive Mitklatsch-Musik auf kulturellem Sub-Niveau. Dafür aber ziemlich gut bezahlt. 200 € (damals 400 Deutsche Mark) an einem einzigen Abend waren nicht nur damals verdammt viel Geld für einen 13jährigen! Also hab ich in der Zeit von 1987 bis 1988 ein paar Mal mit meiner Elka-Orgel als "Mucker" gejobt. Aber ich war jung, und ich brauchte das Geld!

Die Deutschen feiern gern. Dagegen ist ja auch nichts einzuwenden. Jedoch kann ich mit der Musik, die auf diesen Feiern läuft, meistens nichts anfangen. Es geht sogar soweit, dass mir der ganze Schlager-Stimmungs-Schrott und das dumpfe Technogedröhne die Feierstimmung gänzlich vermiesen und ich mich lieber kurzum verabschiede, statt mir diesen Mist noch länger anhören zu müssen. Es ist mir ein absolutes Rätsel, wie man diese Musik gut finden kann. Meine einzige Erklärung: man hat keine Ahnung von Musik! Wenn ich nämlich auf einer Feier bei Musikerkollegen eingeladen bin, läuft da ganz andere Musik.

Warum habe ich im Alter von 13 Jahren trotzdem ein paar mal übelste Tanzmucke gemacht? Sieht man davon ab, dass das in dem Alter streng genommen eigentlich illegal war (meine Eltern waren aber immer dabei) ist es ein schöner Beweis dafür, wie leicht man in dem Alter zu beeinflussen ist, bzw. was in der Pubertät so alles schief laufen kann. Genau genommen konnte ich gar nichts dafür, denn meine damaligen Orgellehrer (mir fallen noch die Namen Linz und Schlossmacher ein) waren allesamt Alleinunterhalter, die mir halt beibrachten was sie konnten. Und das war nun mal leider Tanzmucke.

Damals gab es noch keine Keyboards und vorproduzierte MP3-Playbacks, wie sie heute von den Muckern benutzt werden. Die spielen meist gar nicht mehr sondern tun nur noch so und singen übers Playback, Schaut denen mal auf die Finger! Damals war auf der Orgel alles selber spielen angesagt. Es begann mit dem Schneewalzer, und steigerte sich im Laufe der Jahre zu beliebten Polka und Marschklängen. Nachdem ich im Keller doch tatsächlich noch einen Ordner mit den Noten von damals gefunden habe, kann ich hier sogar konkrete Beispiele aufführen!

Ein Stück, das immer wieder gerne gespielt wurde war der "Säbeltanz". Die Nummer ist allerdings spieltechnisch aufgrund des flotten Tempos gar nicht so leicht zu bewältigen.

Gut, keine typische Tanzmucke. Mit solchen Stücken konnte man zeigen, dass man als Organist was taugte (oder zumindest beim ahnungslosen Publikum den Anschein erwecken). Weiter ging es dann mit beliebten swingenden Melodien im WDR4-Stil:

Mit solch flotten Melodien verzückte ich damals das Publikum. Ich gebe zu, dass die Swing-Nummern teilweise sogar Spaß gemacht haben. Aber mit so einem Zeug kann man natürlich nicht den ganzen Abend bestreiten, spätestens nach der dritten Nummer beschweren sich die ersten älteren Herrschaften über fortdauerndes Gedudel. Also ging es weiter mit Nino de Angelos "Jenseits von Eden", Roy Blacks "Ganz in Weiß" und weiteren Krachern a la "Che Sera" und "Capri Fischer". Es war furchtbar.

Allerdings gab es einen nicht zu verachtenden Ausgleich: bei einem Stundenlohn von 100 Mark war mir die Musik damals egal, denn so viel Geld konnte man nirgends sonst so einfach verdienen. Es waren zwar nur zwei bis drei "Auftritte" pro Jahr, aber mit 14 Jahren wurde es mir aber dann doch zu viel und ich hab mir lieber als Hilfskraft im Gartenbau für 5 Mark die Stunde die Hände blutig gearbeitet, als weiter solch einen Mist zu spielen.

Wer sich näher für die Welt der Tanzmusik interessiert, dem sei unbedingt das Buch "Fleisch ist mein Gemüse" von Heinz Strunk ans Herz gelegt. Hier beschreibt ein Langzeitgeschädigter teils tragisch, teils äußerst amüsant seine Zeit als Tanzmucker. Das Buch wurde auch verfilmt, allerdings empfehle ich eher die Buchvorlage.