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Leo Trotzki 19220512 Vom EKKI an das Zentralkomitee der französischen Kommunistischen Partei

Leo Trotzki: Vom EKKI an das Zentralkomitee

der französischen Kommunistischen Partei

[Eigene Übersetzung nach The first five years of the Communist International, Band 2, London 1974, S. 124-132]

I

Liebe Genossen, das EKKI hat mit wachsendem Alarm die innere Entwicklung innerhalb der französischen Kommunistischen Partei und die von ihr unter den Arbeitermassen betriebene Politik verfolgt.

Dass die Partei vorübergehend mit zahlenmäßigem Wachsen aufgehört hat und sogar eine gewisse Zahl Mitglieder verloren hat, würde an und für sich nicht zu alarmierenden Schlussfolgerungen führen.

Die Partei nahm in der Periode der revolutionären Nachkriegsgärung Gestalt an, eine Periode, in der die Hoffnungen für eine schnelle Entwicklung großer revolutionärer Ereignisse hoch waren. Aber als sich die Bewegung als langsamer im Tempo erwies, als die weniger bewussten Elemente unter den Massen, das heißt die Mehrheit, wahrnahmen, dass die Bildung der Kommunistischen Partei nicht unmittelbar eine drastische Änderung in der Gesellschaftsstruktur bedeutet, gab es einen unvermeidlichen Rückgang des Interesses an der Kommunistischen Partei, und ein gewisser Teil der proletarischen und nichtproletarischen Elemente, die durch die ansteigende Welle zur Partei gespült worden waren, begannen sich von ihr zurückzuziehen.

Diese Verzögerung, die durch die Logik der Ereignisse bedingt war, hätte bei der Säuberung, Festigung und Stärkung der Prinzipien und Organisation der Partei helfen können und sollen. Aber dies hätte nur unter einer Bedingung geschehen können, nämlich wenn der grundlegende Kern der Partei, zuerst und vor allem das Zentralkomitee, eine genaue und feste Politik betrieben hätten. Aber das EKKI erkennt keine solche Politik. Die Partei wird weder mehr zusammengeschweißt noch einheitlicher auf der Grundlage ihres revolutionären Programms. Im Gegenteil ist sie heute formloser als jemals zuvor. Jede Schwächung der revolutionären Konzentration innerhalb der Partei bringt eine Zunahme des Drucks von außen, das heißt des Drucks der bürgerlichen öffentlichen Meinung. Die Rechten, das heißt die nichtkommunistischen und opportunistischen Parteielemente, deren tatsächliche Zahl klein ist und die ideologisch schwach sind, nehmen unter diesen Bedingungen tendenziell immer größeren Einfluss an, weil durch sie die bürgerliche öffentliche Meinung ihren Druck auf eine Partei überträgt, der die notwendige Einheit und Festigkeit fehlt, um sich äußerem Druck zu widersetzen.

Diese alarmierende Lage in der Partei fand krassen Ausdruck im Fall von Fabre und seiner Zeitung. Es ist allen Kommunisten klar, dass Fabres Zeitung dem Geist der Kommunistischen Internationale völlig fremd und feindselig ist. Obendrein ist diese Zeitung nichts als ein Privatunternehmen einer Person, die sich fälschlich als Mitglied der Kommunistischen Partei darstellt. Die Festung unserer Partei – die von allen Seiten von der Bourgeoisie belagert wird und zwar einer so verstockten und bösen wie der französischen Bourgeoisie – hat in ihr ein Tor, das für die Feinde offen ist, durch das sich Spione und andere Elemente einschleichen, die die Parteireihen vergiften und demoralisieren.

Wie die Erfahrung häufig gezeigt hat, finden Zeitungen dieser Art leichten Zugang – direkt oder indirekt – zur Partei- und Gewerkschaftsbürokratie. Täglich wirkt das Gift unwahrnehmlich, um so mehr, weil es durch das Parteibanner versteckt ist. Und im entscheidenden Augenblick wird das Bewusstsein der beträchtlichen Mehrheit der Parteiorganisation, nämlich der Parteikader, sich als vergiftet und gelähmt durch das Gift des kleinbürgerlichen Skeptizismus erweisen. Die Parteimasse, zusammen mit der Arbeiterklasse insgesamt, wird sich angesichts großer Ereignisse ohnmächtig und enthauptet fühlen; wenn nicht rechtzeitig die Aufmerksamkeit auf diesen Prozess gerichtet wird, kann er sich als fatal für eine revolutionäre Partei in der Vorbereitungsperiode erweisen.

Aus diesen Erwägungen erklärte das erweiterte Plenum des EKKI kategorisch vor zwei Monaten, dass die Frage des Journal du Peuple ohne Rücksicht auf die Persönlichkeit des Herausgebers eine der gefährlichsten und negativsten Aspekte des Parteilebens darstelle. Und gegenwärtig bekräftigen wir mit wachsendem Alarm, dass trotz der einmütigen Warnung der Internationale die führenden Gremien der Partei immer noch unfähig sind, diese Gefahr zu verstehen und noch nicht zu drastischen Mitteln gegriffen haben, um diese Wunde mit rotglühendem Eisen auszubrennen. Statt dass die Parteipresse das Journal du Peuple schonungslos angreift, schweigt sie einfach dazu. Statt die Frage dieser Zeitung in ihrem ganzen politischen Umfang zu stellen, was es möglich machen würde, über die Zeitung in 24 Stunden zu entscheiden, weil der Fall politisch völlig klar ist, hat das Zentralkomitee der Partei die ganze Frage auf eine rein formale Untersuchungsprozedur reduziert, völlig entgegen er Entscheidung des erweitern Plenums und dem dortigen Versprechen der französischen Delegation, und so die Partei daran gehindert, ein klares Bild von dem Fall und der Forderung der Internationale zu bekommen. Um der Vorhut des französischen Proletariats die drohende Gefahr zu zeigen, war das EKKI gezwungen, erst eine Warnung auszusprechen, dann ein Einhalten der Vorschriften zu fordern und schließlich den Artikel 91 der internationalen Statuten zu verwenden, um Fabre und seine Zeitung aus der Partei auszuschließen, was die volle politische Bedeutung dieses Schritts unterstrich.

II

Während der rechte Flügel durch die Ausbeutung der chronischen Unentschlossenheit der führenden Parteikreise eine unverhältnismäßig große Bedeutung im Leben der französischen Partei erlangt hat, sehen wir nicht, dass die führenden Parteigremien ihre Aufmerksamkeit auf die Grundaufgabe konzentrieren, nämlich die politische Eroberung der Arbeitermassen, die in den Gewerkschaften organisiert sind oder noch außerhalb von ihnen bleiben. Wir sehen, dass unter dem Vorwand der Bewahrung guter Beziehungen zu den Gewerkschaften und den Syndikalisten die Partei weiterhin systematisch Zugeständnisse an sie in allen Grundfragen macht, und so Positionen aufgibt und den Weg für die extremsten antikommunistischen Elemente unter dem Syndikalismus und Anarchismus bereitet. Wir sehen, dass Parteimitglieder weiterhin in der Gewerkschaftsbewegung eine unverschämte und provokative Propaganda gegen die Kommunistische Internationale machen. Sie beuten die theoretische Schwäche des Syndikalismus aus und betreiben in den Gewerkschaften ihre eigene sektiererische Privatpolitik und schaffen ein unverantwortliches, oligarchisches Regime ohne Kontrolle und ohne Programm. Die Partei kapituliert vor jedem Angriff dieser politischen Gegner, die das Banner des Kommunismus nutzen, um die Gewerkschaftsbewegung unabweislich in Zersetzung und Ruin zuführen. Diese Hauptgefahr weiter zu ignorieren bedeutet, auf Jahre hinaus Wühlarbeit gegen den französischen Kommunismus zuzulassen.

Sollte die Partei nicht verstehen, dass die Gewerkschaftsbewegung unfähig ist, ihre Hauptaufgaben zu lösen, wenn die Partei nicht die kommunistischen Mitglieder in den Gewerkschaften anleitet und beeinflusst, dann wird die Partei unausweichlich ihren Platz in der Arbeiterklasse und vor allem in den Gewerkschaften den anarchistischen Wirrköpfen und Abenteurern räumen müssen. Die Partei kann Einfluss auf die Gewerkschaften nur in einem offenen ideologischen Kampf gegen anarchistische Wirrköpfe, oligarchische Cliquen und Abenteurer gewinnen. Die Partei muss die Offensive entlang dieser Linie ergreifen: sie muss alles Verwirren und alle Verwirrer entlarven und kritisieren: sie muss die Kommunisten in den Gewerkschaften unter Kontrolle bringen, sie im Geist strengster Disziplin schulen und aus ihren Reihen gnadenlos die hinauswerfen, die es wagen, die Autonomie als Vorwand zu nutzen, um ihre Schwächungsarbeit in der Gewerkschaftsbewegung fortzusetzen.

Es ist offensichtlich, dass bei der Erfüllung dieser Aufgabe die Partei Agitations- und Propagandaformen zurückweisen sollte, die wahrscheinlich Syndikalisten abstoßen, die vom revolutionären Geist erfüllt sind, und erst recht breite Schichten von gewerkschaftlich organisierten Arbeiter, die sich noch nicht von politischen Vorurteilen befreit haben. Es ist eine Sache, eine überlegte Haltung ihnen gegenüber zu haben und sie zu schulen; es ist etwas anders, passiv vor den Anarchisten zu kapitulieren, die diese Elemente für ihre eigenen Zwecke ausbeuten. Auf alle Fälle ist die notwendige Bedingung für den Erfolg auf diesem Feld die feste Sehnsucht, Erfolg zu haben. Zu diesem Zweck muss die Partei die strengste Kontrolle erzwingen, mit allen sich daraus ergebenden Folgen, besonders Ausschlüsse jener Pseudokommunisten, die bisher so frei sind, sich nicht den Entscheidungen der Internationale zu unterwerfen, und erst recht jene, die direkt gegen diese Entscheidungen handeln. In diesem Zusammenhang erwartet das EKKI, dass das Zentralkomitee feste und entschlossene Schritte unternimmt, die der Internationale eine wirkliche Garantie geben werden, dass ihre Entscheidungen durchgesetzt werden, eine Garantie, die das EKKI von jeder Notwendigkeit befreien wird, direkt in die organisatorische Aufgaben und Fragen einzugreifen, deren Lösung die Sache des Zentralkomitees unserer französischen Sektion sein sollte.

Auf der anderen Seite erklärt das EKKI, dass die Verschleppungstaktik der Ausflüchte und des Schwankens bei Parteifragen auf Leben und Tod schon zu genüge getestet wurde und nur zu negativen Ergebnissen geführt hat. Aus diesen Gründen wird das EKKI keine weiteren Verzögerungen in diesem Bereich zulassen.

III

In der Frage der Einheitsfront sehen wir genau die selbe passive und unentschlossene Tendenz, aber diesmal maskiert durch Unversöhnlichkeit in Worten. Auf den ersten Blick passt das folgende Paradox wie die Faust aufs Auge: die rechten Parteielemente mit ihren zentristischen und pazifistischen Tendenzen, die offen oder verdeckt das Journal du Peuple unterstützen, treten gleichzeitig als die unversöhnlichsten Gegner der Einheitsfront auf und decken sich mit dem Banner revolutionärer Unbeugsamkeit. Im Unterschied dazu sind heute jene Elemente, die vor dem Kongress von Tours in den schwierigsten Stunden die Position der Dritten Internationale verteidigt haben, für die Taktik der Einheitsfront.

Tatsächlich setzen sich die Anhänger der Verschleppungs- und passiven Taktik die Maske der pseudorevolutionären Unbeugsamkeit nur auf. Sie verstehen nicht, dass heute, wo die Arbeiterklasse in verschiedene Lager geteilt ist, wir in keinem Fall zulassen können, dass Arbeiter die Reihen der Dissidenten, Reformisten, Anarchisten und andere Lager füllen. Wir brauchen politisch aggressive Initiativen, um die Reihen unserer konservativen Gegner zu desorganisieren, die sich in der Arbeiterbewegung nur dank dem Mangel an Initiative im Bereich der Propaganda auf unserer Seite halten. Genau die selben Züge der Unentschlossenheit und Passivität, die uns so große Verluste in der Gewerkschaftsbewegung erleiden ließen, sind in den letzten Monaten in der Frage der Einheitsfront entstanden. Sie wurde in den Organen unserer französischen Partei auf völlig falsche Weise interpretiert und dargestellt.

Obendrein sehen wir, dass obwohl diese Frage mehrere Wochen lang ernsthaft diskutiert wurde, was zu der Annahme dieser Taktik durch die überwältigende Mehrheit der Komintern auf dem erweiterten Plenum der EKKI führte, trotzdem die führenden Gremien und die Organe der französischen Partei eine Taktik verfolgen, die absolut unvereinbar ist sowohl mit dem Geist der Kommunistischen Internationale als auch mit ihren Statuten. Erklärungen über die „Unterwerfung unter die Disziplin” scheinen nur als Vorspiel für offenere und systematischere Verletzungen dieser Disziplin zu dienen. Trotz der besonderen Entscheidungen, die getroffen wurden, fahren Parteiorgane wie die Humanité und die Internationale in ihren offiziellen Artikeln, also im Namen der Partei, fort, eine unversöhnliche Kampagne gegen die Einheitsfront zu führen. Weil diese Frage sowohl national als auch international aus dem Stadium der Diskussion in das Stadium der Aktion übergegangen ist, liefern die polemischen Artikel der französischen kommunistischen Presse unseren Feinden ständig Munition. Dies ist nicht länger eine Diskussion, sondern Sabotage an der Sache.

Das EKKI entdeckt in diesen Tatsachen die schlimmsten Überreste des Geistes der Zweiten Internationale. Die Entscheidungen von deren Weltkongressen sind rein dekorativ und kümmern die Taktiken der verschiedenen Sektionen nicht, die ihre „nationalen” Erwägungen über die Interessen der Revolution und die Aufgaben der Internationale stellen. Eine Fortsetzung so unzulässiger Verletzungen der Disziplin bei einer internationalen Aktion muss unvermeidlich den entschlossenen Widerstand der Internationale insgesamt und auch ihrer nationalen Sektionen hervorrufen, die gezwungen sein werden, die französische Sektion zur Ordnung zu rufen und zu fordern, dass sie sich der Disziplin unterwirft.

Das EKKI meint, dass in Übereinstimmung mit dem Geist und den Statuten der Dritten Internationale das Zentralkomitee der französischen Partei verpflichtet ist, eine solche Zusammensetzung und Form der führenden Parteiorgane sicherzustellen, dass sie die Resolutionen der Komintern klären, verteidigen und in die Praxis umsetzen und nicht einen Kampf gegen sie führen. In diesem Zusammenhang erwartet das EKKI völlig klare und genaue Garantien für die Zukunft.

IV

Wir können nicht die Zweideutigkeit unerwähnt lassen, die es in den Beziehungen zwischen dem Zentralkomitee der französischen Partei und dem EKKI gibt. Nicht nur die einzige Frage, bei der die französische Delegation auf dem Dritten Weltkongress und dem erweiterten Plenum der EKKI mit Nein stimmte, sondern auch alle Entscheidungen, die mit völliger Zustimmung aller französischen Delegierten angenommen wurden, wurden so dargestellt, als wären sie der Partei von außen diktiert und aufgezwungen worden und würden von der Partei nur als Formalität eingehalten. Zum Beispiel stimmten alle Mitglieder der französischen Delegation in völliger Einmütigkeit mit dem erweiterten Plenum überein, dass es unerlässlich sei, die Zentralkomiteemandate der Genossen wiederherzustellen, die sie auf dem Marseiller Parteitag niedergelegt hatte. Diese Entscheidung diente einem politischen Ziel von höchster Bedeutung: der Sicherung der völligen Einmütigkeit beim Funktionieren des Zentralkomitees und auch der Partei insgesamt. Dieses Ziel kann nur erreicht werden, wenn es der Partei klargemacht wird, dass es nicht um irgendwelche persönlichen Kombinationen und auch nicht um den persönlichen Ehrgeiz dieses oder jenes Individuums geht, sondern um die Schaffung der organisatorischen Voraussetzungen für völlige Einmütigkeit bei der Arbeit. Die politische Bedeutung dieser Frage hätte sorgfältig und genau in Leitartikeln der Parteipresse und auf der Nationalkonferenz der Partei klargemacht werden sollen. Nichts dergleichen geschah. Alles wurde zu einer reinen Formalität des Handaufhebens gemacht, das hinter den Kulissen, also hinter dem Rücken der Partei, vorbereitet wurde, ohne jede erklärenden Artikel und Reden. Wenn sich jemand das Ziel gesetzt hätte, Ergebnisse zu erzielen, die den vom erweiterten Plenum des EKKI beabsichtigten diametral entgegengesetzt sind, dann hätte sich so eine Person genau so verhalten, wie es das Zentralkomitee in diesem besonderen Fall tat.

Es ist völlig klar, dass so eine Herangehensweise unter der uneinheitlichen Masse der französischen Partei einen Eindruck erzeugen und verstärken muss, dass die Internationale oder „Moskau” die Gewohnheit hat, unverständliche und unmotivierte Ultimaten politischen und organisatorischen Charakters zu stellen, denen sich das Zentralkomitee der französischen Partei aus Disziplinerwägungen unterwirft, während es gleichzeitig geschickt die negative Haltung der Vorschläge der Internationale der Basis der Partei bekannt macht. So wird eine Atmosphäre geschaffen, die für die Intriganten und politischen Kuhhändler, die sich um das Journal du Peuple gruppieren, sehr günstig ist.

V

Schließlich ist es von Interesse, die Geschichte der Beziehungen zwischen dem EKKI und dem Zentralkomitee zu überprüfen. Daraus werden wir sehen, dass die Missverständnisse und Fehler nie vom EKKI ausgingen.

Die französische Partei schickte zum Dritten Weltkongress in Moskau eine Delegation von elf Mitgliedern, die die verschiedenen damaligen Schattierungen in der Partei vertraten. Die Delegation nahm ausgiebig Anteil an der Arbeit des Kongresses und des EKK. Die Entscheidungen, die die französische Partei betrafen, die vom EKKI getroffen wurden, wurden mit der französischen Delegation diskutiert und von ihr einmütig angenommen, besonders die Entscheidung, in der das EKKI vorschlug, dass die französische Partei Kontrolle über die Presse einführt, wie es alle anderen Kommunistischen Partien gemacht haben.

Zur Überraschung des EKKI hat das Zentralkomitee diese Entscheidung eine lange Zeit ignoriert und das Übel, auf das das EKKI hingewiesen hat, bestand weiter und wurde in der französischen Partei stärker. Auf diesem Grund bestand das EKKI auf der Annahme der Kontrolle über die Parteipresse als Prinzip. Nach einer sechsmonatigen Verspätung wurde dieses Prinzip schließlich angenommen, aber nichts wurde tatsächlich getan, um es in der Wirklichkeit durchzuführen.

Nach dem Dritten Weltkongress unterbreitete das EKKi verschiedene Vorschläge, die die französische Kommunistische Bewegung betrafen, dem Zentralkomitee. Zusätzlich schrieben die Genossen Sinowjew und Trotzki Briefe an die prominentesten Mitglieder der französischen Partei, um durch einen solche freundlichen Briefwechsel das wechselseitige Verständnis und die brüderliche Zusammenarbeit zu erleichtern.

Im selben Geist lud das EKKI wiederholt die Genossen Frossard und Cachin ein, eine Reise nach Moskau zu machen, um persönlich die wichtigsten Fragen der Kommunistischen Bewegung in Frankreich zu diskutieren.

Da das EKKI nicht Willens war, irgend eine Gelegenheit für die Schaffung herzlicher Beziehungen mit den Führern der französischen Partei zu versäumen und es auf seine Einladungen keine bejahende Antwort gab, schickte das EKKI einen Delegierten nach Paris, der sich mit der Lage vertraut machen und die Sicht der Internationale dem Zentralkomitee darstellen sollte.

Gegen Ende letzten Jahres schaffte es das EKKI, einen anderen französischen Genossen nach Moskau abgestellt zu bekommen und erfuhr auf diese Weise die Art, wie das Zentralkomitee gerne seine Beziehungen mit der Internationale gestalten würde. Das EKKI gab seine Antwort in einer Resolution, die wiederum eine Antwort des Zentralkomitees erforderte. Diese Antwort traf nicht ein.

Das EKKI nutzte das Zusammentreten des Marseiller Parteitags, um einen offenen Brief an die französische Partei zu schicken, der neben anderen Kommentaren zum Zustand der französischen Partei gewisse kritische Einschätzungen enthielt, die in freundlichem und offenem Geist gemacht wurden, wie es in internationalen Beziehungen unter Kommunisten Brauch ist. Dieser Brief erforderte auch eine präzise Antwort zu den Fragen der Disziplin und Kontrolle über die Parteizeitungen. Leider bekam das EKKI weder auf diesen Brief noch auf einen zweiten und detaillierteren Brief an das Zentralkomitee eine Antwort.

Erinnern wir uns, dass zu der Zeit des Marseiller Parteitags das EKKI einen zweiten Delegierten zum Zentralkomitee geschickt hatte, dessen Aufenthalt in Frankreich alle Meinungsverschiedenheit klären und die Schaffung regelmäßiger Verbindungen in der Zukunft ermöglichen sollte.

Nach dem Marseiller Parteitag zählte das EKKI darauf, dass der Genosse Frossard in Übereinstimmung mit der vom Zentralkomitee im Oktober gefällten Entscheidung nach Moskau kommen würde zum Zwecke der Klärung und der Schaffung von Beziehungen zur französischen Sektion auf einer genauen Grundlage.

Das EKKI lud den Parteisekretär ständig ein zu kommen, angesichts der ungeheuren Bedeutung der Fragen, die geklärt werden mussten. Das EKKI dachte und denkt immer noch, dass solch ein direkter Meinungsaustausch der geeignetste Weg ist, die Bande zwischen der Internationalen und der französischen Sektion zu stärken.

Das Zentralkomitee machte gegenüber dem EKKI nie Einwände politischen Charakters, außer in der Frage der Einheitsfront. In Fällen, wo die Entscheidungen des erweiterten EKKI in die Tat umgesetzt wurden, wurde das, wie wir in der Frage der Wiederaufnahme der Zurückgetretenen ins Zentralkomitee sahen, auf so eine rein passive Weise gemacht, dass es nur eine feindselige Haltung gegenüber dem Kern der Entscheidung, die in dieser Frage gefällt wurde, unterstrich.

Das EKKI hält es für völlig unmöglich, Beziehungen dieser Art in der Zukunft beizubehalten. Es schlägt vor, dass das Zentralkomitee der französischen Sektion der Internationale die Motive – die bis heute nicht ausgedrückt wurden – klar berücksichtigt, die solch einem Verhalten zugrunde liegen und auch die schweren Folgen, die notwendig auftreten müssen, wenn die Taktik der Ausflucht, die jetzt in den Beziehungen zwischen Paris und Moskau praktiziert wird, nicht durch offene und revolutionäre Aufrichtigkeit ersetzt wird.

Das Exekutivkomitee der Kommunistischen Internationale.

Moskau, 12. Mai 1922


1 „§ 9. …Das Exekutivkomitee der Kommunistischen Internationale hat das Recht, von den ihr angehörenden Parteien den Ausschluss von Gruppen und Personen zu verlangen, die die internationale Disziplin verletzen und ebenso diejenigen Parteien aus der Kommunistischen Internationale auszuschließen, die gegen die Beschlüsse des Weltkongresses verstoßen. Diese Parteien haben das Recht, Berufung beim Weltkongress einzulegen…” (Protokoll des II. Weltkongresses der Kommunistischen Internationale. Hamburg 1921, S. 599-606, hier S. 604)

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