Leo Trotzki: Über die Plattform des katalanischen Arbeiter- und Bauern-Blocks. [Nach Mitteilungsblatt der Reichsleitung der Linken Opposition der KPD (Bolschewiki-Leninisten/Linke Opposition der KPD), Nr. 4, Oktober 1931, S. 10-13. Dort wird als Datum der 12. Juli angegeben, andere Veröffentlichungen nennen übereinstimmend den 12. Juni] Liebe Genossen! Ich habe mich zum ersten Mal an Hand des Journals „La Lutte des Classes" mit der Plattform des sogenannten „Arbeiter- und Bauernblocks", unter welchem Namen die katalanische kommunistische Föderation auftritt, genau bekannt gemacht. Ich gehe davon aus, dass die Übersetzung des Dokuments in „La Lutte des Classes" vollständig und richtig ist. Das Dokument macht im Ganzen von Anfang bis zum Schluss einen niederdrückenden Eindruck. Alles, was ich in meiner letzten Arbeit „Die spanische Revolution und die ihr drohenden Gefahren" gegen die offizielle Politik der Komintern in der spanischen Frage schrieb, bezieht sich durchaus auf die katalanische Föderation. Mehr noch, die letztere begeht Irrtümer, die die Leitung der Komintern, mindestens in Worten, aufgegeben hat. 1. Das Dokument geht aus von „Arbeiter- und Bauernblock". Was ist des für ein Ding? Ein Pseudonym der katalanischen Föderation? Der Block, d. h. das Bündnis der Arbeiter mit den Bauern ist eine gigantische politische Aufgabe, die sich die proletarische Avantgarde stellt. Diese Aufgabe muss man in seine Plattform aufnehmen. Anstatt dessen verwandelt sich der „Block der Arbeiter und Bauern" in den Namen einer revolutionären Organisation. Das ist nichts anderes, als eine Neuauflage der Arbeiter- und Bauernpartei. Auf diese reaktionäre Idee hat unterdessen, unter der Kritik der linken Opposition, sogar der VI. Kongress der Komintern verzichtet. 2. Im ganzen Dokument ist nicht ein einziges Mal das Wort Kommunismus ausgesprochen. Wer vor den Massen seinen Kommunismus verbirgt, hört auf, Kommunist zu sein. 3. Von der demokratischen Revolution, von der demokratischen Republik, von der Volksrevolution wird gesprochen ohne den leisesten Versuch einer klassenmäßigen Analyse. Die Regierung wird der Unentschiedenheit, des Schwankens usw. angeklagt. Aber nirgends wird gesagt, dass das eine Regierung der dem Volke feindlichen Bourgeoisie ist. Die Kritik an der Regierung Zamora deckt sich völlig mit der Kritik der Menschewisten und Sozialrevolutionäre an der Regierung des Fürsten Lwow und Kerenskis. Von der Regierung Macia ist überhaupt kein Wort gesagt. 4. Das Dokument spricht von einer „rationellen Organisation der Gesellschaft" ohne zu erläutern, was das bedeutet. Das ist die Sprache der „wahren" Sozialisten vor dem Jahre 1848. Weiter wird gesagt: „Die Republik muss eine neue soziale Ordnung bedeuten". Welche? Ist die Rede von einem bürgerlichen Regime oder vom sozialistischen? Die Plattform spielt mit dem Kapitalismus und dem Sozialismus Versteck. 5. Die Alphons gewährte Möglichkeit, ins Ausland zu fahren, wird dargestellt als „erster schwerer Irrtum der provisorischen Regierung". D. h. Zamora ist in seiner revolutionären Politik sich seiner nicht genügend „bewusst"? So stellten die russischen Menschewisten die Frage. Das, was bei der Bourgeoisie bewusste konterrevolutionäre Berechnung ist, als „Irrtum" zu bezeichnen, heißt, die Bourgeoisie zu beschönigen und sie den Massen gegenüber zu decken. 6. Die Republik soll eine Errungenschaft nicht nur für die Bourgeoisie, sondern auch für die Arbeiter sein. Was bedeutet diese süßliche, vulgär demokratische und durch und durch unwahre Phrase? Wo und wann existierte eine Republik, die gleichzeitig die Interessen der Bourgeoisie und der Arbeiter befriedigt hätte? Von der bürgerlichen Republik können und müssen wir demokratische Rechte und soziale Reformen fordern, ohne dabei aufzuhören, die bürgerliche Republik, auch eine erzdemokratische, als eine Maschine aufzudecken, mit deren Hilfe die Bourgeoisie Schweiß und Blut aus den Arbeitern und Bauern presst. 7. Die Bezugnahme auf die Republik von 1873 wird mit folgender unwahrscheinlicher Moralpredigt begleitet. „So begann ein vollständiges Auseinandergehen zwischen der Macht und dem Volke". Eine Abstraktion des Volkes entzweite sich mit einer Abstraktion der Macht. Vielleicht entzweite sich die Bourgeoisie mit dem arbeitenden Volke? Auf das Beispiel des Jahres 18?3 hat man sich nicht dazu zu berufen, um die Bourgeoisie zu bewegen, nachgiebiger zu werden, besser, großmütiger, sanfter, sondern um die Massen zu belehren, selbst der „großmütigsten" , „besten", „sanftesten" Bourgeoisie nicht für eine Minute zu trauen. So stellen Marxisten die Frage. 8. Die Plattform ruft die „Arbeitermasse auf, sich im ganzen Lande auf Grund revolutionärer Juntas zu organisieren". Zu welchem Zweck? Keinerlei Programm wird aufgeteilt. Es wird nicht nur nicht gesagt, welche Art von Juntas den revolutionären Übergang der Macht in die Hände der Arbeiter und ärmsten Bauern gewährleisten sollen, sondern nicht einmal ein Übergangsprogramm: 7-stündiger Arbeitstag, Produktionskontrolle, Organisierung der Bauern und Soldaten durch Arbeiter-Juntas für den Agrarumsturz wird aufgestellt. Mit keinem Wort wird daran erinnert, dass die Junta eine Organisation des Proletariats und der unterdrückten Klassen überhaupt gegen jene Klasse ist, welche die Macht hat, d. h. gegen die Bourgeoisie. Die Junta wird als „Revolutionäre Organisation", im Sinn der kleinbürgerlichen spanischen Tradition genommen. 9. Indem sie von der Bedeutung der Agrarrevolution spricht, bezieht sich die Plattform auf die französische Revolution und auf die russische. Nicht ein Wort über die Erfahrung der erst unlängst vor unsern Augen, von der Leitung der Komintern erstickten chinesischen Revolution. Hat die Komintern in China die Agrarfrage richtig „gelöst“? Kein Wort darüber. Ein Kommunist, der sich nicht die Erfahrungen der chinesischen Revolution aneignete, darf sich nicht mit Belehrungen und Aufrufen an die Massen wenden, besonders nicht in einem revolutionären Lande. 10. Die Plattform sagt: „Wir sind Anhänger davon, dass jede Nation ihren Staat hat." Was bedeutet das in der Anwendung auf Spanien? Welche Nationen hat man im Sinn? Die gemeinschaftliche spanische staatliche Organisation wird so bestimmt: „Bund der iberischen Republiken". Was bedeutet dies? Wenn die Rede von einer Föderation ist, so ist es besser, auch so zu sagen. 11. „Der Schutz der Revolution muss oberstes Gesetz sein". Schutz vor wem? Die an der Macht befindliche schützt ihre „Revolution" vor dem Proletariat. Wer diese Tatsache mit leeren Phrasen von Schutz im allgemeinen, der Revolution im allgemeinen vor den Feinden im allgemeinen verdeckt, der hilft der Bourgeoisie, das Proletariat unter der Flagge der Revolution zu erdrosseln. 12. Der „Arbeiter und Bauernblock" d. h. die Arbeiter- und Bauernpartei verspricht am Schlusse der Plattform „aus allen Kräften für volle Verwirklichung der demokratischen Revolution zu kämpfen". D. i. der bürgerlichen Republik auf Grundlage des demokratischen Parlamentarismus? Dann soll man auch so sagen; aber dann muss man zum mindesten die Forderung des demokratischen Wahlrechts aufstellen. Denn bevor auf der Pyrenäenhalbinsel die „rationelle" Republik, und ein „rationeller Aufbau der Gesellschaft" verwirklicht wird. muss die bürgerliche Republik Zamora dem Arbeiter und der Arbeiterin, dem Bauern und der Bäuerin sei es auch nur das Wahlrecht gewähren. 13. ) Der Name der sozialistischen Partei ist in der Plattform nicht genannt. Über die Anarcho-Syndikalisten ist kein Wort gesagt. Die offizielle kommunistische Partei ist nicht erwähnt. Der „Arbeiter- und Bauernblock" schickt sich gleichsam an, im luftleeren Raum zu handeln. Das sind die flüchtigen Bemerkungen, die ich auf Grund des im "La Lutte des Classes" veröffentlichten Textes zu machen für nötig halte. Möglich, dass inzwischen die katalanische Föderation in ihre Plattform die eine oder andere Änderung, Verbesserung und Ergänzung eingefügt hat. Ich bin, versteht sich, bereit, jeden Schritt der Föderation in der Richtung zum Marxismus zu begrüßen. Aber wie das Dokument ist, stellt es die reinste, auf spanischen Boden übertragene Kuomintangiade dar. Diejenigen Ideen und Methoden, gegen welche die Opposition unversöhnlich kämpfte, als es sich um die spanische Politik der Komintern handelte, finden in diesem Dokument den vollsten und verderblichsten Ausdruck. Soviel ich weiß, rücken die Führer der katalanischen Föderation systematisch von der linken Opposition ab. Nicht genug damit: Die linke Opposition muss klar und deutlich abrücken von den Ideen und Methoden die von den Führern der katalanischen Föderation in dem von uns kurz zergliederten Dokument zum besten gegeben wurden. Eine falsche Ausgangsposition in einer Zeit der Revolution entwickelt sich im Vorlauf der Geschehnisse unvermeidlich zu Katastrophen. Wie schwach die linke spanische Opposition heute auch ist, so kann sie doch dem spanischen Proletariat und der spanischen Revolution gewaltige Dienste leisten. Aber um diese ihre Mission zu erfüllen, muss sie in ihren eigenen Reihen ein Regime der Klarheit, Ehrlichkeit und Festigkeit herstellen. Dazu möchte ich auch unsere spanischen Freunde aufrufen. 12. Juni 1931. L. Trotzki.
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