Leo Trotzki: Das fünfte Rad 27. Januar 1938 [Veröffentlicht in Socialist Appeal vom 12. Februar 1938. Nach Revolution und Bürgerkrieg in Spanien, S. 313-315] Der sogenannte Internationale Arbeiterbund (AIT), die Vertretung der anarcho-syndikalistischen Gruppierungen verschiedener Länder, kam vom 8. bis 17. Dezember in Paris zusammen. Bekanntlich ist die spanische CNT die einzige große Sektion dieser Internationale. Alle anderen (schwedische, portugiesische, französische, lateinamerikanische) Organisationen sind zahlenmäßig völlig unbedeutend. Natürlich kann auch eine kleine Organisation recht bedeutsam sein, wenn sie eine unabhängige revolutionäre Position besitzt, welche die zukünftige Entwicklung des Klassenkampfes vorwegnimmt. Wie jedoch aus dem kurzen im Informationsbulletin der AIT (Nr. 67 der deutschen Ausgabe des Boletín de información) abgedruckten Bericht hervorgeht, endete der Pariser Sonderkongress mit dem vollen politischen Sieg García Olivers, d.h. der Kapitulationspolitik gegenüber der Bourgeoisie. Im vergangenen Jahr haben einige anarchistische Veröffentlichungen, besonders die französischen, das Vorgehen der spanischen CNT milde kritisiert. Für diese Kritik gibt es genügend Gründe: anstatt einen Kommunismus ohne Staat aufzubauen, wurden die CNT-Führer Minister eines bürgerlichen Staates! Diese Umstände hinderten den Pariser Kongress der AIT nicht, „die Linie der CNT gutzuheißen". Ihrerseits erklärten die Führer des spanischen Anarchosyndikalismus auf dem Kongress, wenn sie die sozialistische Revolution verraten hätten, um die Bourgeoisie zu retten, so sei das nur der „unzureichenden Solidarität des internationalen Proletariats" zuzuschreiben. Der Kongress hat nichts Neues entdeckt. Alle reformistischen Verräter haben stets die Schuld an ihrem Verrat dem Proletariat gegeben. Unterstützen Sozialpatrioten ihren „nationalen" Militarismus, so natürlich nicht, weil sie Lakaien des Kapitals, sondern weil die Massen „noch nicht reif für den wirklichen Internationalismus" sind. Treten Gewerkschaftsführer als Streikbrecher auf, dann deswegen, weil die Massen für den Kampf „noch nicht reif“ sind. Im Bericht wird nicht ein Wort über eine revolutionäre Kritik auf dem Pariser Kongress erwähnt. In dieser wie in manch anderer Hinsicht kopieren die Herren Anarchisten getreulich die bürgerlichen Liberalen. Warum soll der Pöbel etwas über Meinungsverschiedenheiten in den oberen Kreisen hören? Das könnte nur die Autorität der anarcho-bürgerlichen Minister erschüttern. Sehr wahrscheinlich wurden die französischen Anarchisten als Antwort auf ihre „linke" Kritik an ihr eigenes Verhalten während des letzten imperialistischen Krieges erinnert. Wir haben schon von einigen anarchistischen Theoretikern vernommen, bei solchen „außergewöhnlichen" Umständen wie Krieg und Revolution müsse man sich von den Prinzipien des eigenen Programms lossagen. Solche Revolutionäre haben eine verblüffende Ähnlichkeit mit Regenmänteln, die nur bei Regen, d.h. bei „außergewöhnlichen" Umständen durchlässig sind, während sie bei trockenem Wetter mit bestem Erfolg wasserdicht bleiben. Die Beschlüsse des Pariser Kongresses liegen völlig auf der gleichen Linie wie die Politik von García Oliver und Konsorten. Die Führer der AIT haben sich dafür entschieden, an die Zweite, Dritte und die Amsterdamer Internationale zu appellieren und ihnen vorzuschlagen, eine „vereinigte internationale antifaschistische Front" zu schaffen. Kein Wort über den Kampf gegen den Kapitalismus! Als Kampfmethoden werden „Boykott faschistischer Waren" und … „Druck auf demokratische Regierungen" angekündigt – die sichersten Methoden zur Befreiung des Proletariats. Ganz offensichtlich mit dem Ziel, „Druck" auszuüben, wurde der Führer der Zweiten Internationale, Blum, Ministerpräsident des „demokratischen" Frankreich und unternahm alles, um die revolutionäre Bewegung des französischen Proletariats zu vernichten. Zusammen mit Stalin und in Kooperation mit García Oliver half Blum Negrin und Prieto, die sozialistische Revolution des spanischen Proletariats zu ersticken. An allen diesen Aktionen hatte Jouhaux einen hervorragenden Anteil. Bei solchen Aktionen ist die Einheitsfront der drei Internationalen im Kampf gegen das revolutionäre Proletariat schon seit langem verwirklicht worden. In dieser Front haben die Führer der CNT keinen bedeutenden, aber einen ziemlich verächtlichen Platz eingenommen! Durch den Pariser Kongress wird der Verrat der spanischen Anarchisten dem Anarchismus der ganzen Welt aufgebürdet. Das drückt sich besonders darin aus, dass von jetzt ab der Generalsekretär der AIT vom spanischen CNT benannt wird. Anders ausgedrückt: der Generalsekretär wird von jetzt ab ein Beamter der spanischen bürgerlichen Regierung sein. Meine Herren aus den Reihen der anarchistischen und halb anarchistischen Theoretiker und Halbtheoretiker – was haben Sie zu all dem zu sagen? Sind Sie bereit, nach dem Vorbild der spanischen Anarchosyndikalisten, die Rolle des fünften Rades am Wagen der bürgerlichen Demokratie zu spielen? Viele Anarchisten fühlen sich natürlich nicht recht wohl dabei. Um aber dieses beunruhigende Gefühl loszuwerden, wechseln sie den Gegenstand der Unterhaltung. Warum sollte man sich auch nur mit Spanien oder dem Pariser Kongress der AIT befassen … , wenn man über Kronstadt oder Machno – die brennendsten Probleme – plaudern kann? Bei ihrer Zersetzung und ihrem Verfall möchte die anarchistische Internationale offensichtlich nicht hinter der Zweiten und Dritten Internationale zurückbleiben. Um so früher werden die ehrlichen anarchistischen Arbeiter zu der Vierten Internationale stoßen. |
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