Leo Trotzki‎ > ‎1938‎ > ‎

Leo Trotzki 19381011 Zu den Aufgaben der Gewerkschaftsbewegung in Lateinamerika

Leo Trotzki: Zu den Aufgaben der Gewerkschaftsbewegung in

Lateinamerika

[Eigene Übersetzung nach dem russischen Text, verglichen mit der englischen und französischen Übersetzung]

Im September1 fand in Mexiko eine Tagung von Vertretern von Gewerkschaftsorganisationen mehrerer lateinamerikanischer Länder statt, die zur Gründung der sogenannten „Lateinamerikanischen Gewerkschaftsföderation" führte. Wir, die Unterzeichnenden, halten es für unsere Pflicht, gegenüber den Arbeitern Lateinamerikas und der ganzen Welt zu erklären, dass diese Tagung, die hinter dem Rücken der Massen vorbereitet wurde, einseitig um Aufgaben willen manipuliert wurde, die nichts mit den Interessen des lateinamerikanischen Proletariats gemein haben, sondern im Gegenteil an der Wurzel diesen Interessen feindlich sind. Die auf dieser Tagung gegründete „Föderation" ist keine Vereinigung des organisierten Proletariats unseres Kontinents, sondern eine politische Fraktion, die eng mit der Moskauer Oligarchie verbunden ist. In Mexiko selbst waren weder die CGT noch die Casa del Pueblo, noch CROM2 zu dieser Tagung eingeladen. Genosse Mateo Fossa, der mit einem Mandat von 24 unabhängigen Gewerkschaften aus Buenos Aires angereist war, durfte nicht am Kongress teilnehmen, nur weil er ein Gegner des Stalinismus war. In jedem lateinamerikanischen Land kann man Gewerkschaftsorganisationen angeben, die im Voraus und bewusst von der Vorbereitung des Kongresses ausgeschlossen wurden, um seine politische Homogenität, d.h. seinen Gehorsam gegenüber dem Stalinismus nicht zu verletzen. Die meisten Delegierten des Gewerkschaftskongresses nahmen auch am Kongress gegen Krieg und Faschismus teil, wo sie die Möglichkeit hatten, ihre politische Physiognomie vollständig offenzulegen. Alle stimmten für leere Resolutionen zum Kampf gegen den Faschismus, lehnten aber, mit Ausnahme von Vertretern von Puerto Rico und Peru, den Kampf gegen den Imperialismus entschieden ab. Diese Politik charakterisiert die Moskauer Bürokratie, die angesichts der Bedrohung durch Hitler das Vertrauen und die Freundschaft der imperialistischen Demokratien sucht: Frankreichs, Großbritanniens und der Vereinigten Staaten. Die Arbeitermassen Lateinamerikas, die den Faschismus als ihren Todfeind betrachten, können jedoch nicht für eine einzige Minute den kompromisslosen revolutionären Kampf gegen den Imperialismus aufgeben, auch wenn er mit einer demokratischen Maske bedeckt ist. Deshalb sind das Proletariat und die Völker Lateinamerikas nicht mit der stalinistischen Bürokratie auf dem Weg! Wir werden nie vergessen oder vergeben, dass die stalinistische Bürokratie im Namen der Freundschaft mit der französischen und englischen Bourgeoisie die revolutionäre Bewegung der spanischen Arbeiter und Bauern erwürgt hat. Der „demokratische" Imperialismus, der in Lateinamerika unermesslich stärker als der faschistische ist, versucht, nicht ohne Erfolg, in unseren Ländern auf dem Weg von Bestechung, Almosen, Privilegien seine politischen Agenten zu schaffen, und zwar nicht nur in der Bourgeoisie, der bürgerlichen Bürokratie und der kleinbürgerlichen Intelligenz, sondern auch in der oberen Schicht der Arbeiter. Solche verdorbenen Elemente der Arbeiterbürokratie oder der Arbeiter„aristokratie" nähren oft in Bezug auf ihre Gönner im Imperialismus nicht proletarische, nicht revolutionäre, sondern sklavische oder Lakaiengefühle. Die Agenten der Kreml-Oligarchie beuten diese Gefühle aus, um das lateinamerikanische Proletariat mit den „demokratischen" Sklavenhaltern zu versöhnen. Dem muss man hinzufügen, dass in Mexiko, wo sich die Gewerkschaften leider in direkter Abhängigkeit vom Staat befinden, die Gewerkschaftsbürokratie sich oft aus den Reihen der bürgerlichen Intellektuellen, Anwälte, Ingenieure usw. ergänzt, die nichts mit den Gewerkschaftsorganisationen zu tun haben und nur versuchen, die Gewerkschaftsorganisationen für das persönliche materielle Wohlergehen oder eine Polizeikarriere3 zu nutzen. Um ihre grob egoistische Politik vor den Arbeitern zu verdecken, agieren diese bürgerlichen Karrieristen in der Regel als „Antifaschisten" und „Freunde der UdSSR", und dem Wesen der Sache nach sind sie Agenten des angelsächsischen Imperialismus. Um die Gewerkschaftsverbände in den Händen ihrer Fraktion zu halten, zertrampeln sie wütend die Arbeiterdemokratie und ersticken jede Stimme der Kritik, indem sie als direkte Gangster in Bezug auf jene Organisationen auftreten, die für die revolutionäre Unabhängigkeit des Proletariats vom bürgerlichen Staat und vom ausländischen Imperialismus kämpfen. Indem sie so die Gewerkschaftsbewegung aufspalten, extreme Bitterkeit in den Kampf ihrer verschiedenen Tendenzen bringen, schwächen die Agenten Stalins das Proletariat, demoralisieren es, untergraben die Demokratie im Land und ebnen tatsächlich den Weg für den Faschismus. Der mexikanische Anwalt Lombardo Toledano, gewählter Sekretär der Lateinamerikanischen Föderation, die er selbst organisierte, ist der verantwortlichste Führer dieser kriminellen Politik. Wir, die Unterzeichnenden, sind leidenschaftliche und entschlossene Befürworter der Vereinigung des lateinamerikanischen Proletariats sowie seiner engsten Beziehungen zum Proletariat der Vereinigten Staaten von Nordamerika. Aber diese Aufgabe ist, wie man aus dem Vorstehenden ersehen kann, noch völlig ungelöst. Die im September geschaffene fraktionelle politische Organisation ist keine Hilfe, sondern ein Hindernis für die Lösung dieser Aufgabe. Die wahre Vereinigung des lateinamerikanischen Proletariats kann und wird nach unserer tiefen Überzeugung auf folgenden Grundlagen erreicht werden:

1. Völlige Unabhängigkeit der Gewerkschaftsbewegung vom eigenen bürgerlichen Staat sowie vom ausländischen Imperialismus, dem faschistischen oder „demokratischen";

2. Revolutionäres Programm des Klassenkampf;

3. Reinigung der Gewerkschaftsbewegung von kleinbürgerlichen, der Arbeiterklasse fremden Karrieristen;

4. Vereinigung aller Klassengewerkschaftsverbände in jedem Land auf den Grundlagen der Arbeiterdemokratie, d.h. des freien und brüderlichen Ideenkampfes innerhalb der Gewerkschaften, bei strenger Unterordnung der Minderheit unter die Mehrheit und eiserner Disziplin im Bereich der Aktion;

5. Ehrliche Vorbereitung eines lateinamerikanischen Kongresses der Gewerkschaftsverbände unter aktiver Beteiligung der Massen selbst, d.h. mit einer freien und ernsthaften Diskussion über die Aufgaben des lateinamerikanischen Proletariats und die Methoden seines Kampfes. Unser Proletariat muss in die historische Arena eintreten, um die Kontrolle über das Schicksal Lateinamerikas in die Hände zu nehmen und seine Zukunft zu sichern. Das vereinte Proletariat wird Dutzende von Millionen indo-amerikanischer4 Bauern auf seine Seite ziehen, die feindlichen Grenzen zerstören, die uns trennen, und die zwei Dutzend Republiken und koloniale Besitztümer unter dem Banner der Arbeiter-und-Bauern-Vereinigten-Staaten von Lateinamerika vereinen. Wir stellen dieses Programm zur Diskussion aller Arbeitnehmerorganisationen auf unserem Kontinent. Das Wort gehört euch, den revolutionären Arbeitern Lateinamerikas.

Clave"

11. Oktober 1938

1 In der englischen und französischen Übersetzung ergänzt: „Am 6. bis 8. September"

2 In der englischen und französischen Übersetzung in der Reihenfolge: „Casa del Pueblo, CROM, CGT"

3 In der englischen und französischen Übersetzung: „politische Karriere“

4 In der französischen Übersetzung: „amerindischer“

Comments