Leo Trotzki: Was bedeutet der Kampf gegen den Trotzkismus? Anlässlich Lombardo Toledanos und anderer Agenten der GPU [eigene Übersetzung nach dem russischen Text, verglichen mit der englischen und französischen Übersetzung] Zwei Fragen Man fragt mich in Briefen und Gesprächen, was den Kampf erklärt, der in der Sowjetunion zwischen Stalinisten und Trotzkisten geführt wird, und warum in anderen Ländern, insbesondere in Mexiko, einige Persönlichkeiten1 der Arbeiterbewegung sich von ihrer Arbeit ablenken, um eine Verleumdungskampagne gegen mich persönlich durchzuführen, trotz meiner Nichteinmischung in das innere Leben Mexikos. Ich bin sehr dankbar für die Formulierung dieser Fragen, da sie mir einen Grund geben, in der Öffentlichkeit so klar und präzise wie möglich zu antworten. Keine persönlichen Gründe Zunächst einmal muss man klar verstehen, dass es bei einem großen politischen Kampf, an dem Zehntausende von Menschen beteiligt sind, völlig inakzeptabel ist, einen solchen Kampf mit „persönlichen" Gründen zu erklären. Es gibt viele oberflächliche Menschen oder Intriganten, die den Kampf von Trotzkisten und Stalinisten mit Motiven des persönlichen Ehrgeizes erklären. Das ist offensichtlich Unsinn. Persönlicher Ehrgeiz kann einen einzelnen Politiker leiten. Indessen kamen in der UdSSR Tausende und Abertausende von Menschen um und kommen weiterhin um, die als „Trotzkisten" bezeichnet werden. Wäre es möglich, dass sie ihr Wohlergehen, ihre Freiheit, ihr Leben und oft auch das Leben ihrer Angehörigen für den Ehrgeiz einer Person hergeben, nämlich Trotzkis? Auf der anderen Seite ist es auch absurd anzunehmen, dass die Politik der Stalinisten durch den persönlichen Ehrgeiz Stalins erklärt wird. Außerdem ist der Kampf längst über die Grenzen der UdSSR hinausgegangen. Um die Bedeutung des Kampfes richtig zu verstehen, der jetzt die Arbeiterbewegung der ganzen Welt zerreißt, ist es zunächst notwendig, das Geschwätz über persönliche Motive abzulehnen und zu versuchen, in die historischen Gründe einzudringen, die diesen Kampf hervorbringen. Das Ziel der Oktoberrevolution Die ganze Welt kennt zumindest allgemein die Ursachen und das Ziel der Oktoberrevolution, die in Russland im Jahre 1917 stattfand. Es war die erste siegreiche Revolution der unterdrückten Massen, angeführt vom Proletariat. Das Ziel der Revolution war es, Ausbeutung und Klassenungleichheit zu zerstören, eine neue, sozialistische Gesellschaft auf der Grundlage des gesellschaftlichen Eigentums an allem Boden, Minen und Fabriken im Namen einer angemessenen und gerechten Verteilung der Arbeitsprodukte unter allen Mitgliedern der Gesellschaft zu schaffen. Als wir diese Revolution durchführten, sagten uns viele Sozialdemokraten (Reformisten, Opportunisten wie Lewis, Jouhaux, Lombardo Toledano, Laborde, etc.), dass nichts dabei herauskommen werde, dass Russland zu rückständig sei, dass der Kommunismus dort unmöglich sei usw. Wir haben darauf geantwortet: Natürlich ist das einzeln genommene Russland zu rückständig und unkultiviert, um allein in ihm eine kommunistische Gesellschaft aufbauen zu können; aber, erwiderten wir, Russland ist nicht allein, es gibt unter der Sonne fortgeschrittenere kapitalistische Länder, in denen Technologie und Kultur viel höher sind, wo das Proletariat viel weiter entwickelt ist. Wir, die Russen, werden die sozialistische Revolution beginnen, d.h. wir werden den ersten mutigen Schritt nach vorne machen, und die deutschen, französischen und britischen Arbeiter werden bald nach uns in den revolutionären Kampf eintreten, die Macht in ihren Ländern übernehmen und uns dann mit ihrer höheren Technik und Kultur helfen. Unter der Führung des Proletariats der fortgeschritteneren Länder werden auch die rückständigeren Völker (China, Indien, Indoamerika2) den neuen sozialistischen Weg beschritten. So werden wir allmählich zur Schaffung einer sozialistischen Gesellschaft in der internationalen Arena kommen. Unsere Hoffnungen auf eine schnelle proletarische Revolution in Europa haben sich, wie wir wissen, nicht erfüllt. Warum? Nicht, weil die Arbeitermassen keine Revolution gewollt hätten; im Gegenteil, nach dem großen Völkergemetzel von 1914-1918 stürmte das Proletariat in allen europäischen Ländern in den Kampf gegen die imperialistische Bourgeoisie und war vollauf bereit, die Macht in die Hände zu nehmen. Wer hat das verhindert? Leiter3, Führer, konservative Arbeiterbürokraten, Herren vom Typ Lewis und Jouhaux, die Lehrer Lombardo Toledanos. Die verräterische Rolle der Sozialdemokratie Für die erfolgreiche Durchführung ihres Kampfes ist die Arbeiterklasse gezwungen, ihre eigenen Organisationen zu bilden: Gewerkschaften und eine politische Partei. So erhebt sich über die ausgebeutete Masse eine ganze Schicht Arbeiterbürokratie, Gewerkschaftssekretäre, Organisatoren, Abgeordnete, Journalisten usw. Sie alle erheben sich über die Arbeiter, sowohl in ihren materiellen Lebensbedingungen als auch im politischen Einfluss. Weitaus nicht alle von ihnen bewahren eine innere Verbindung zur Arbeiterklasse und sind loyal zu ihren Interessen. Viele, zu viele Arbeiterbürokraten beginnen, mehr nach oben als nach unten zu schauen; beginnen, sich mit der Bourgeoisie zusammenzuschließen; sie vergessen die Leiden, das Elend und die Hoffnungen der werktätigen Massen. Darin liegt der Grund für die vielen Niederlagen der Arbeiterklasse. Auch früher in der Geschichte geschah es mehr als einmal, dass aus einer Volksbewegung hervorgehende Parteien und Organisationen eine vollständige Degeneration erfuhren. So war es auch zu seiner Zeit mit der christlichen Kirche, die als eine Bewegung von Fischern, Zimmerleuten, unterdrückten Sklaven4 begann und zur Schaffung einer mächtigen, reichen und grausamen Kirchenhierarchie führte. Es geschah vor unseren Augen auch mit den Parteien der Zweiten Internationale, mit der sogenannten Sozialdemokratie. Sie löste sich allmählich von den wahren Interessen des Proletariats und verwuchs mit der Bourgeoisie. Zur Zeit des Krieges unterstützte die Sozialdemokratie in allen Ländern ihren nationalen Imperialismus, d.h. die Interessen des Raubkapitals, und verriet die Interessen der Werktätigen und Kolonialvölker. Als zur Zeit des Krieges revolutionäre Bewegungen begannen, half die Sozialdemokratie, die selbe Partei, die den Arbeiteraufstand leiten sollte, der Bourgeoisie tatsächlich, die Arbeiterbewegung zu bändigen. Verrat in seinem eigenen Hauptquartier paralysierte das Proletariat. Deshalb rechtfertigten sich die Hoffnungen auf eine europäische und Weltrevolution nach dem letzten Krieg nicht. Die Bourgeoisie behielt in ihren Händen Reichtum und Macht. Nur in Russland, wo die wirklich revolutionäre Partei der Bolschewiki existierte, siegte das Proletariat und gründete einen Arbeiterstaat. Aber die Sowjetunion erwies sich als isoliert. Die Arbeiter der reicheren und kultivierteren Länder konnten ihr nicht zu Hilfe kommen. Die Position des russischen Proletariats erwies sich trotz des Sieges als sehr schwierig. Die Macht der sowjetischen Bürokratie Wenn die Technik in Russland so hoch wie in Deutschland oder in den Vereinigten Staaten wäre, dann würde die sozialistische Wirtschaft von Anfang an genügend Produkte liefern, um für alle normalen Bedürfnisse des Volkes zu sorgen. In diesem Fall könnte die sowjetische Bürokratie keine große Rolle spielen, denn mit hoher Technologie wäre auch das kulturelle Niveau der Massen höher, und die Arbeiter würden der Bürokratie nie erlauben, ihnen zu befehlen. Aber Russland war ein armes, rückständiges, unkultiviertes Land, das außerdem durch jahrelange imperialistische und Bürgerkriege ruiniert wurde. Deshalb konnte die Nationalisierung von Land, Fabriken und Bergwerken, obwohl sie ihre enormen wirtschaftlichen Vorteile nachwies5, nicht schnell die notwendige Menge an Produkten liefern, und kann sie nicht liefern, die die lebenswichtigen Bedürfnisse der Menschen befriedigen würden. Und wo die Produkte wenige sind, gibt es einen unvermeidlichen Kampf um diese Produkte. Während des Kampfes greift die Bürokratie in die Sache ein, fällt Urteile, verfügt, gibt dem einen, nimmt dem anderen. Natürlich vergisst dabei die Bürokratie auch sich selbst nicht. Man muss daran erinnern, dass sich die Sache in der UdSSR nicht nur um die Partei- und die Gewerkschaftsbürokratie handelt, sondern auch um die staatliche. In ihren Händen liegt die Verfügung über alle verstaatlichten Güter, über Polizei, Gerichte, Armee und Flotte. Die Verwaltung der Wirtschaft und die Verteilung der Produkte gaben der sowjetischen Bürokratie die Möglichkeit, alle Macht in ihren Händen anzusammeln und die werktätigen Massen von der Macht zu vertreiben. So erhob sich im Land der Oktoberrevolution über den Massen eine neue privilegierte Kaste6, die das Land etwa nach den gleichen Methoden wie auch der Faschismus regiert. Von Freiheit des Volkes, von Versammlungs-, von Pressefreiheit ist keine Rede. Arbeiter- und Bauernräte spielen keine Rolle mehr. Alle Macht liegt in den Händen der Bürokratie. Es kommandiert das Haupt dieser Bürokratie, Stalin. Die bürgerliche Charakter der Bürokratie Von einem Herannahen von sozialistischer Gleichheit ist in der UdSSR nicht die Rede. Die Oberschicht der Bürokratie lebt materiell wie die Großbourgeoisie in den kapitalistischen Ländern. Die Mittelschicht lebt ungefähr wie die mittlere Bourgeoisie. Schließlich leben Arbeiter und Bauern unter Bedingungen, die viel schwieriger sind als die Bedingungen von Arbeitern und Bauern in fortgeschrittenen Ländern. Das ist die schlichte Wahrheit. Kann man sagen: Bedeutet das, dass die Oktoberrevolution ein Fehler war? Eine solche Meinung wäre jedoch an der Wurzel falsch. Eine Revolution ist nicht das Resultat des Wirkens einer Einzelperson oder einer einzelnen Partei. Eine Revolution entsteht aus der gesamten historischen Entwicklung, wenn die Volksmassen die alte Unterdrückung nicht mehr ertragen können. Die Oktoberrevolution brachte immer noch enorme Errungenschaften. Sie verstaatlichte die Produktionsmittel und ermöglichte es, mit Hilfe der Planwirtschaft die Produktivkräfte schneller zu entwickeln. Das ist ein großer Schritt nach vorn. Die ganze Menschheit lernt aus dieser Erfahrung. Die Oktoberrevolution gab dem Bewusstsein der Volksmassen einen enormen Anstoß, der in ihnen Unabhängigkeit und Initiativgeist weckte. Wenn die Lage der Werktätigen schwer ist, dann ist sie in vielerlei Hinsicht noch besser als unter dem Zarismus. Nein, die Oktoberrevolution war kein „Fehler". Aber im isolierten Russland konnte sie die Verwirklichung des Hauptziels nicht liefern, nämlich einer brüderlichen sozialistischen Gesellschaft. Diese Aufgabe liegt noch vor uns. Der Kampf der Arbeiter gegen die Bürokratie Da auf dem Rücken des Proletariats der UdSSR eine neue parasitäre Schicht entstanden ist, richtet sich der Kampf der Massen natürlich gegen die Bürokratie als Haupthindernis auf dem Weg zum Sozialismus. Zu ihrer Rechtfertigung erklärt die Bürokratie, dass der Sozialismus von ihr bereits „verwirklicht" worden sei. Tatsächlich wurde die soziale Frage nur für die Bürokratie gelöst, denn sie lebt sehr gut. „Der Staat bin ich", argumentiert die Bürokratie, „wenn es mir gut geht, bedeutet das, dass alles in Ordnung ist." Es ist nicht verwunderlich, wenn die Volksmassen, die nicht aus der Not herauskommen, ein Gefühl der Feindseligkeit und des Hasses gegenüber der neuen Aristokratie erleben, die einen erheblichen Teil der Produkte ihrer Arbeit verschlingt. Unter dem Vorwand, die Interessen des Sozialismus zu verteidigen, verteidigt die Bürokratie tatsächlich ihre eigenen Interessen und unterdrückt und vernichtet gnadenlos jeden, der die Stimme der Kritik gegen die Unterdrückung und die schreckliche Ungleichheit in der Sowjetunion erhebt. Die Bürokratie unterstützt Stalin, weil er ihre privilegierte Position am festesten, entschlossensten und rücksichtslosesten verteidigt. Wer das nicht verstand hat, der hat nichts verstanden. Der Kampf der Bürokratie gegen die „Trotzkisten" Es ist ganz natürlich, wenn die Arbeiter, die während 12 Jahren (1905-1917) drei Revolutionen durchgeführt haben, zutiefst empört über dieses Regime sind und mehr als einmal versuchten, die Bürokratie zu belagern. Diese unzufriedenen, kritisierenden, protestierenden Vertreter der Arbeiterklasse in der Sowjetunion werden „Trotzkisten" genannt, weil ihr Kampf dem Programm entspricht, das ich in der Presse verteidige. Wenn die Bürokratie für die Interessen des Volkes kämpfte, könnte sie im Angesicht der Massen ihre Gegner bestrafen für ihre wahren, nicht für imaginäre „Verbrechen". Aber da die Bürokratie tatsächlich für ihre eigenen Interessen gegen das Volk und seine treuen Freunde kämpft, ist es natürlich, dass sie nicht offen über die Ursachen der unzähligen Verfolgungen, Verhaftungen und Hinrichtungen sprechen kann. Die sogenannten Trotzkisten beschuldigt die Bürokratie monströser Verbrechen, die sie nie begangen haben und nicht begehen konnten. Um ihren Gegner zu erschießen, der die ureigensten Interessen der Arbeiter verteidigt, erklärt die Bürokratie ihn einfach zu einem „Agenten des Faschismus". Irgendeine Kontrolle über das Handeln der Bürokratie gibt es nicht. In der Zeit der geheimen Untersuchung, die im Geiste der Heiligen Inquisition durchgeführt wird, werden von den Angeklagten Geständnisse über beispiellose Verbrechen abgelegt. Das ist der Charakter jener Moskauer Prozesse, die die ganze Welt erschüttert haben. Das Resultat dieser Prozesse ist, dass die gesamte alte bolschewistische Garde, die gesamte Generation, die zusammen mit Lenin den großen Kampf um die Machteroberung durch die Arbeiterklasse geführt hatte, ausschließlich aus Spionen und Agenten der Bourgeoisie bestanden habe. Daraufhin wurden die besten Vertreter der nächsten Generation vernichtet, die die Hauptlast des Bürgerkriegs (1918-1921) trugen. Haben die Oktoberrevolution Agenten des Faschismus gemacht? Haben den Bürgerkrieg der Arbeiter und Bauern Verräter geführt? Nein, das ist eine schmutzige Verleumdung der Revolution und des Bolschewismus! Die Enträtselung der Verleumdung besteht darin, dass es die Bolschewiki mit einer ernsthaften revolutionären Vergangenheit waren, die als erste gegen die neue bürokratische Kaste mit ihren monströsen Privilegien protestierten. Die von der Opposition tödlich erschreckte Bürokratie trat in einen gnadenlosen Kampf mit den Vertretern der alten bolschewistischen Partei und unterzog sie schließlich einer fast vollständigen Vernichtung. Das ist die ungeschminkte Wahrheit. Ausländische Agenten Stalins Um ihre Autorität jenseits ihrer Grenzen zu stützen, sich als Vertreterin der Werktätigen, als Verteidigerin des Sozialismus auszugeben, die Arbeiter der ganzen Welt zu täuschen, unterhält die Moskauer Bürokratie in allen Ländern eine große Anzahl von Agenten. Dafür werden zig Millionen Dollar ausgegeben. Viele dieser Geheimagenten sind Persönlichkeiten der Arbeiterbewegung, Beamte der Gewerkschaften oder der sogenannten „kommunistischen" Parteien, an denen in der Tat nichts mehr kommunistisch ist. Die Pflichten der angeheuerten Agenten des Kremls bestehen darin, die Werktätigen zu täuschen, die Verbrechen der sowjetischen Bürokratie als „Verteidigung des Sozialismus" darzustellen, die fortgeschrittenen russischen Arbeiter, die gegen die Bürokratie kämpfen, zu verleumden, die wahren Verteidiger der Arbeiter als Agenten des Faschismus schlechtzumachen. „Aber das ist eine niederträchtige Rolle!" wird jeder ehrliche Arbeiter ausrufen. Ja, das ist eine niederträchtige Rolle, werden wir von unserer Seite bestätigen. Lombardo Toledano – Agent der GPU Einer der eifrigsten und schamlosesten Agenten der Moskauer Bürokratie ist der Sekretär der CTM (Mexikanische Föderation der Arbeit)7, Lombardo Toledano. Seine unwürdige Aktivität entfaltet sich vor aller Augen. Er schützt Stalin, seine Gewalt, seinen Verrat, seine Provokateure und Henker. Kein Wunder, wenn Toledano der erbitterte Feind des Trotzkismus ist: Das ist das Amt dieses Herrn! Vor anderthalb Jahren nahm die Internationale Kommission zur Untersuchung der Moskauer Prozesse ihre Arbeit auf. Toledano und andere Stalinisten wurden eingeladen zur Teilnahme an dieser Kommission: „Erheben Sie Ihre Anklagen, bringen Sie Ihre Beweise!" Toledano jedoch wich unter einem falschen und feigen Vorwand aus: Die Kommission, sehen Sie, sei „nicht unparteiisch". Aber warum hat der „unparteiische" Toledano die Gelegenheit nicht genutzt, die „Voreingenommenheit" der Kommission öffentlich zu beweisen? Weil er keinen Schatten eines Beweise für diese Verleumdungen hatte, die er auf Befehl Moskaus wiederholte. Die internationale Kommission, bestehend aus unbestechlichen, der ganzen Welt bekannten Personen, veröffentlichte einen Bericht über ihre Arbeit, bestehend aus zwei Bänden mit über 1.000 Seiten. Alle Dokumente wurden studiert, Dutzende von Zeugen wurden verhört. Jede Lüge und Verleumdung unter dem Mikroskop untersucht. Die Kommission erkannte einstimmig an, dass alle Anklagen gegen mich und meinen verstorbenen Sohn Leo Sedow eine bösartige Fälschung darstellen, die von Stalin organisiert wurde. Was haben Stalin und seine Agenten geantwortet? Nichts, kein einziges Wort. Dennoch unterstützt und verbreitet Toledano weiterhin die falschen Moskauer Anschuldigungen und ergänzt sie durch neue und neue Verleumdungen seiner eigenen Erfindung. „Aber das ist schamlos!" wird jeder ehrliche Mensch ausrufen. Völlig richtig, das ist unerhört schamlos! Wie die GPU den CTM-Kongress täuschte Im Februar dieses Jahres wurde auf dem Kongress der CTM eine Resolution gegen Trotzki und die „Trotzkisten" verabschiedet. Die Resolution wiederholte Wort für Wort die gefälschten „Anschuldigungen" des Stalinschen Staatsanwalts Wyschinski, der vor der Revolution Anwalt für Ölmänner im Kaukasus war und lange Zeit als berüchtigter Halunke galt. Wie kann es sein, dass ein Kongress einer Arbeiterorganisation eine so unwürdige Resolution verabschiedete? Die direkte Verantwortung dafür liegt bei Lombardo Toledano, der in diesem Fall nicht als Sekretär der Gewerkschaften, sondern als Vertreter der Geheimpolizei Stalins, der GPU, tätig war. Unnötig zu sagen, dass ich persönlich absolut nichts dagegen habe, dass mexikanische Arbeiterorganisationen sich über den „Trotzkismus" als politische Strömung eine Meinung bilden und ihre Schlussfolgerung in die Öffentlichkeit tragen. Aber dies erfordert eine offene und ehrliche Diskussion der Frage: das ist eine elementare Forderung der Arbeiterdemokratie. Vor dem Kongress war es notwendig, die Frage des Trotzkismus zur Diskussion durch alle Gewerkschaften zu stellen. Es war notwendig, den Anhängern des „Trotzkismus" die Möglichkeit zu geben, sich vor den Arbeitern zu äußern. Wenn der Kongress sich zusammenfand, um über mich persönlich zu urteilen, dann erforderte einfache Gewissenhaftigkeit, mich zum Kongress zur Erklärung einzuladen. In der Tat wurde die Machination, die aus Moskau diktiert wurde, nicht nur hinter meinem Rücken, sondern auch hinter dem Rücken der mexikanischen Arbeiter vorbereitet. Niemand wusste im Voraus, dass die Frage Trotzkis und des Trotzkismus auf dem Kongress aufgeworfen werden würde. Im Interesse Stalins konspirierte Toledano gegen die mexikanischen Arbeiter. Die Kongressdelegierten hatten keinerlei Materialien. Sie wurden mit Hilfe militärischer Tricks überrascht. Die beschämende Resolution Toledanos wurde in der gleichen Weise durchgeführt, wie Stalin, Hitler oder Goebbels ihre „Volks"entscheide durchführen. Eine solche Handlungsweise drückt „totalitäre" Verachtung für die Arbeiterklasse aus. Zur gleichen Zeit fordert Toledano, dass die mexikanische Regierung meinen Mund verschließt, d.h. mir die Möglichkeit nimmt, mich vor Verleumdungen zu schützen. Das ist der Ritter der „Demokratie" Lombardo Löwenherz! Toledanos selbst fabrizierte Anschuldigungen Die Sache beschränkt sich jedoch nicht auf die Wiederholung der offiziellen Fälschungen des Moskauer Staatsanwalts Wyschinski. Toledano nutzt dabei auch seine eigene Fantasie. Kurz nach meiner Ankunft in Mexiko erklärte er öffentlich, dass ich … einen Generalstreik gegen die Regierung von General Cárdenas plane. Der Unsinn dieser „Anschuldigung" ist jedem vernünftigen Menschen klar. Aber Toledano machte nicht vor Unsinn Halt: Moskau verlangt Fleiß und Gehorsam. Derselbe Toledano erklärte in Mexiko, in New York, in Paris, in Oslo, dass ich in ganz Mexiko nur zehn Freunde hätte, dann fünf, dann nur zwei Freunde. Wenn ja, wie könnte ich versuchen, einen Generalstreik und eine Verschwörung zu organisieren? Auf der anderen Seite: Wo sind meine rechten „Freunde" hingeraten: die Faschisten, „goldenen Hemden8", etc.? Das geistige Niveau der Anschuldigungen von Toledano unterscheidet sich, wie wir sehen, nicht von dem Niveau der Gerichtsanschuldigungen, die in Moskau auf die Köpfe der Gegner der Bürokratie fallen. Aber Toledano hat keine eigene GPU, die ihn mit Hilfe eines Revolvers vor Kritik schützt. Deshalb sollte er vorsichtiger sein! Der Verleumder Laborde Ein weiterer mexikanischer Vertreter der GPU, Laborde, der Leader der sogenannten „kommunistischen" (wer wird es glauben?) Partei, sagte im vergangenen Herbst bei einer feierlichen Kundgebung, in Anwesenheit eines zahlreichen Publikums und des Vorsitzenden9 der Republik, dass ich in ein geheimes Bündnis eingetreten sei (bitte beachten Sie!) mit General Cedillo und Vasconcelos – natürlich mit dem Ziel eines faschistischen Putsches. Laborde kompromittierte sich selbst und diffamierte seine eigene Partei und beschloss, eine solche wirklich idiotische Anschuldigung zu erheben, nur weil ihm, wie Toledano, der Befehl dazu aus Moskau erteilt wurde, wo man längst nicht mehr nur jedes Maß der Moral, sondern auch der Logik und Psychologie verloren hatte. Ein Schüler kann nicht höher sein als sein Lehrer. Der GPU-Agent ist nicht willens zu handeln; er ist gezwungen, die Befehle des Herrn auszuführen. Andernfalls würde die Partei Labordes sofort der Moskauer Subsidien beraubt und wie ein Kartenhaus zusammenfallen. Ein weiteres Beispiel für Verleumdung Im Sommer dieses Jahres reiste ich durch Mexiko, mit dem Ziel, das Land näher kennenzulernen, das mir und meiner Frau10 großzügige Gastfreundschaft bot. In der Toledano-Zeitung „El Popular" tauchte eine Meldung auf, dass ich während dieser Reise Beziehungen zu Konterrevolutionären aufgenommen hätte, insbesondere zu Dr. Atl, einem Anhänger des Faschismus11. Ich sagte der Presse, dass ich keine Ahnung von Dr. Atl habe. Mein kategorisches Dementi hinderte Herrn Toledano nicht im Geringsten daran, Notizen und Karikaturen zu drucken, die mich in Gesellschaft von Dr. Atl zeigten. Was bedeutet das? Toledano ist Anwalt; er weiß, was „Verleumdung" und „falsche Anschuldigung" sind; er weiß, dass nichts einen Menschen so beschmutzt wie bewusste Verleumdung, die von persönlichen Interessen bestimmt wird. Wie kann man so tief fallen? Seinen eigenen Ruf als Arbeiterführer und anständiger Mensch opfern? Toledano selbst ist es jetzt wahrscheinlich schwer ums Herz12. Aber er betrat eine schiefe Ebene, rutschte aus und kann nicht anhalten. Die GPU gibt ihre Opfer nicht so leicht aus den Klauen.... Man kann argumentieren, dass ich der Person Toledanos zu viel Bedeutung beimesse. Aber das wäre falsch. Toledano ist nicht eine Person, sondern ein Typ. Es gibt viele wie ihn: eine ganze angeheuerte Armee, die von Moskau ausgebildet wurde! Am Beispiel Toledanos werde ich diese Armee aufdecken, die die Mikroben der Lügen und des Zynismus in der öffentlichen Meinung sät. Die CTM hat damit nichts zu tun Jedes Mal, wenn ich eine weitere Diffamierung von Toledano und Laborde widerlegen muss, beginnen diese Herren, zu rufen, dass ich ein Feind der Mexikanischen Föderation der Arbeit sei. Ein wirklich unschätzbares Argument! Sie begehen ihre Machinationen ohne das Wissen der Arbeiter. Und wenn sie auf frischer Tat ertappt werden, versuchen sie, sich hinter dem Rücken der Arbeiter zu verstecken. Was für Ritter! Was für Helden! ... Und was für erbärmliche Sophisten! Wie kann ich, ein Mann, der der Arbeiterbewegung zweiundvierzig Jahre des bewusstes Leben gewidmet hat, einer proletarischen Organisation feindlich gesinnt sein, die für die Verbesserung des Schicksals der Werktätigen kämpft? Aber Toledano ist nicht die CTM, und die CTM ist nicht Toledano. Ob Toledano ein guter Gewerkschaftsbeamter ist oder nicht, sollten die mexikanischen Arbeiter beurteilen. Aber wenn Toledano sich zum Schutz der GPU-Henker gegen die besten russischen Arbeiter hinstellt, dann spreche ich offen und spreche zu den Arbeitern Mexikos und der ganzen Welt: Toledano täuscht euch verräterisch im Interesse der Kreml-Clique. Glaubt ihm nicht! Die Schule der GPU Die Methoden Toledanos sind die gleichen wie die Methoden der Moskauer Prozesse. Das Wesen dieser Methoden besteht darin, politische Differenzen durch Kriminalromane13 zu ersetzen, monströse Kombinationen zu erfinden, um die Phantasie unerfahrener Menschen zu treffen; lügen und verleumden, verleumden und lügen. In Moskau schrieben sie mir ein geheimes Treffen mit dem faschistischen Minister Heß zu (den ich noch nie in meinem Leben gesehen hatte und mit dem ich natürlich keinen Verkehr haben konnte); hier in Mexiko wird mir ein Treffen mit Dr. Atl zugeschrieben, von dem ich nicht die geringste Ahnung habe. Das ist die Schule der GPU. Aber es gibt immer noch einen Unterschied. Indem sie allen Kritikern den Mund verschließt, falsche Zeugen aufbietet, hat die GPU die Möglichkeit, falsche Geständnisse aus Angeklagten herauszuholen; andernfalls werden sie im Kerker erschossen, ohne Untersuchung und Prozess. In Mexiko hat Herr Toledano noch nicht die Möglichkeit, diese Art der Rache14 anzuwenden. Zwar nutzt er in großem Umfang Betrügereien, die in Moskau hergestellt wurden, zum Beispiel mit dem falschen und beschämenden Film „Lenin im Oktober“. Aber das allein reicht nicht aus. Die Menschheit besteht nicht nur aus Narren. Es gibt viele Menschen, die zu denken verstehen. Daher kann Toledanos Verleumdung enthüllt werden. Und wir werden diese Enthüllung zu Ende bringen! Zeigt Beweise, ihr Herren Verleumder! Ich schlage vor, Toledanos öffentliche Äußerungen über die Vorbereitung eines Generalstreiks gegen die Regierung von General Cárdenas durch mich, über meine „Verbindung" zu Cedillo und Vasconcelos, über meine geheimen Treffen mit Dr. Atl und so weiter zu untersuchen. Hier haben wir vor uns einen äußerst günstigen Fall, in dem die Wahrheit oder Falschheit bestimmter Behauptungen festzustellen keine große Arbeit machen wird. Herr Toledano, der die Moskauer Justiz so eifrig verteidigt, würde Stalin einen großen Dienst erweisen, wenn er hier in Mexiko die Richtigkeit seiner eigenen Anschuldigungen gegen mich beweisen würde. Ich schlage vor, eine unparteiische Kommission zu schaffen, die die Anschuldigungen Toledanos öffentlich untersucht. Die Karten auf den Tisch! Präsentiert eure Beweise, ihr Herren Verleumder! Aber machen wir uns keine Illusionen: Toledano wird die Herausforderung nicht annehmen; er wird es nicht wagen, sie anzunehmen: Er kann nicht vor einer unparteiischen Kommission erscheinen, die unweigerlich zu einem Werkzeug für die Enthüllung der GPU und ihrer Agenten würde. Beweise? Welche Beweise kann ein Verleumder haben? Er hat einen bösen Willen und ein schlechtes Gewissen. Mehr hat er nicht! Der Schlüssel zum Moskauer Prozess Aus dem oben Gesagten wird jeder denkende Mensch eine einfache Schlussfolgerung ziehen: Wenn in Mexiko, wo die Pressefreiheit und das Asylrecht noch am Leben sind, Stalins Agent sich solche absurden und so unehrlichen Anschuldigungen erlaubt und gleichzeitig fordert, dass dem Angeklagte der Mund verschlossen werde, was können sich dann die anderen in der UdSSR tätigen Agenten Stalins erlauben, wo jede Kritik, jede Opposition, jedes Wort des Protestes durch den Druck des totalitären Regimes erstickt wird? Nebenbei und gegen seinen Willen lieferte Toledano der Öffentlichkeit den Schlüssel zu den Moskauer Prozessen. Man muss allgemein sagen, dass übereifrige Freunde gefährlicher sind als Feinde. Die Idee ist stärker als Verleumdung. Opportunisten und Karrieristen15 in allen Regenbogenfarben16 mögen meine Ideen nicht. Ich würde es für mich selbst für die größte Schande halten, wenn meine Ideen von diesen Brüdern17 gemocht würden. Die Unterdrückten können sich nicht unter der Führung von Opportunisten und Karrieristen befreien. Mögen diese Herren versuchen, meine Ideen offen anzugreifen. Ich gehöre zur Vierten Internationale und verstecke mein Banner18 nicht. Die Vierte Internationale ist die einzige internationale Partei, die tatsächlich gegen Imperialismus, Faschismus, Unterdrückung, Ausbeutung und Krieg kämpft. Nur diese junge, wachsende Organisation bringt die wahren Interessen des Weltproletariats zum Ausdruck. Deshalb führt sie einen kompromisslosen Kampf gegen die korrumpierte Bürokratie der alten chauvinistischen19 Internationalen: der Zweiten und der Dritten. Daher der wütende Hass auf den „Trotzkismus" der Opportunisten, Abenteurer und selbstzufriedenen Karrieristen. Wo immer sie kann, tötet die Kreml-Clique unsere Kämpfer (Erwin Wolf20, Leo Sedow, Rudolf Klement und 21andere). Wo sie nicht kann, verleumdet sie sie. Ihr mangelt es nicht an Geld und angestellten Agenten. Und doch ist sie zum schändlichen Untergang verurteilt. Revolutionäre Ideen, die den Bedürfnissen der historischen Entwicklung entsprechen, werden alle Hindernisse beseitigen. Die Verleumder schlagen sich den Kopf an der unerschütterlichen Wahrheit ein. L. Trotzki 9. Oktober 1938 Coyoacán 1In der englischen und französischen Übersetzung: „Führer“ 2In der englischen und französischen Übersetzung: „Lateinamerika“ 3Fehlt in der englischen und französischen Übersetzung 4In der englischen und französischen Übersetzung: „der Unterdrückten und der Sklaven“ 5 In der englischen Übersetzung: „trotz des enormen wirtschaftlichen Fortschritts, der gemacht wurde“ 6 In der englischen Übersetzung: „Schicht“ 7In der englischen und französischen Übersetzung fehlt das Eingeklammerte 8In der englischen Übersetzung: „Braunhemden“ 9In der englischen und französischen Übersetzung: „Präsidenten“ 10In der englischen und französischen Übersetzung: „meiner Frau und mir“ 11In der englischen und französischen Übersetzung: „Pro-Faschisten“ 12Wörtlich: „Katzen kratzen sein Herz“, in der englischen Übersetzung: „merkt, dass ein Wurm sein Gewissen frisst“ 13In der englischen Übersetzung: „Detektivgeschichten“, in der französischen Übersetzung: „Polizeiromane“ 14In der englischen und französischen Übersetzung: „Repression“ 15In der englischen Übersetzung hier und im Folgenden: „Profiteure“ 16In der englischen Übersetzung: „des ganzen Spektrums“, in der französischen Übersetzung: „aller Arten“ 17In der englischen Übersetzung: „diesen“, in der französischen Übersetzung: „diesem Herren“ 18In der englischen Übersetzung: „meine Farben“ 19In der englischen Übersetzung: „patriotischen“ 21In der englischen und französischen Übersetzung eingefügt: „viele“ |
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