Leo Trotzki: Schreckliche Lektion 20. Mai 1938 [eigene Übersetzung nach dem russischen Text] Die sogenannten „Gewerkschaften" der UdSSR wollten dem internationalen Gewerkschaftsbund beitreten. In Oslo sollte diese Frage endgültig entschieden werden. Die heutigen Telegramme berichten, dass die Entscheidung negativ war. Mit einer Mehrheit von 14 gegen 4 Stimmen lehnte der internationale Verband das Gesuch der sowjetischen „Gewerkschaften" ab. Mit der Minderheit stimmten: zwei Vertreter Frankreichs, der Vertreter Spaniens und der Vertreter Mexikos. Die Entscheidung ist von größter internationaler Bedeutung und enthält eine beeindruckende Lektion an der Adresse Moskaus. Auf den ersten Blick mag es unverständlich erscheinen, wie die Gewerkschaftsinternationale es ablehnte, die sowjetischen Gewerkschaften mit 22 Millionen Mitgliedern in ihre Reihen aufzunehmen. Tatsächlich gibt es jedoch keine Gewerkschaften in der UdSSR. Unter dem Namen Gewerkschaft versteht man eine Arbeiterorganisation, die auf dem Prinzip der Demokratie beruht und die Aufgabe hat, die Interessen der Arbeiter zu schützen. Der sowjetische „Gewerkschaftsapparat" stellt nur eine spezielle Abteilung der politischen Polizei für den Kampf gegen die Arbeiter im Interesse der Aufrechterhaltung der Privilegien und der absoluten Macht der sowjetischen Bürokratie dar. Der Generalsekretär der sowjetischen „Gewerkschaften", Schwernik, ist einfach der Polizeiadjutant Stalins und wurde von diesem völlig unabhängig vom Willen der sowjetischen Arbeiter auf seinen Posten berufen. Der Wunsch Moskaus, seine Gewerkschaftspolizei in die Reihen der Amsterdamer Internationale aufzunehmen, wird von den internationalen Interessen der Kreml-Bürokratie diktiert und hat absolut nichts mit den Interessen und Aufgaben der weltweiten Arbeiterbewegung zu tun. Durch Schwernik und seinesgleichen versucht Stalin, einzelne Führer in verschiedenen Ländern auf breiterer Ebene als bisher zu demoralisieren und zu bestechen. Er allein verkauft die Hilfe der sogenannten „Kommunistischen Partei" im Interesse seiner politischen Ambitionen und Pläne an andere, er zahlt einfach für Säuberungen. Stalins Gewerkschaftspolizei kann nichts als Ausschweifung, Demoralisierung und Schande in die Reihen der Weltarbeiterbewegung hinein tragen. Die Moskauer Prozesse riefen tiefe Empörung unter den arbeitenden Massen der ganzen Welt hervor. Scharfsinnigere Personen in der Gewerkschaftsbewegung erkannten, welch schreckliche Fäulnis sich hinter dem Schild der Moskauer „sozialistischen" Bürokratie versteckte. Deshalb sind auch die Gewerkschafter, die vor ein oder zwei Jahren zur „Freundschaft" mit Moskau neigten, zur Seite gesprungen, um nicht in den Umarmungen der GPU kompromittiert zu werden. Die französischen Delegierten stimmten aus rein diplomatischen Gründen für Moskau, nicht aus den Interessen der Arbeiterbewegung, sondern aus den Kombinationen der französischen Diplomatie heraus. Die spanischen Gewerkschaften gerieten in der Periode des Bürgerkriegs völlig in die Klauen der GPU. In Spanien gab es eine „Säuberung" vom Typ Moskaus. Diese Säuberung machte nicht vor dem Ausschluss Largo Caballeros, des ehemalige Ministerpräsidenten und Sekretär der sozialistischen Gewerkschaften halt. Die Stimme Spaniens ist also die Stimme Moskaus selbst. Was die Stimme des Vertreters Mexikos angeht, so kann ich mich hier eines Kommentars enthalten, da die öffentliche Meinung dieses Landes in dieser Frage viel kompetenter ist als ich. Man kann mit absoluter Sicherheit sagen: Die Zahl der heutigen Kreml-Freunde ist größer als ihre morgige Zahl. Jeder neue Monat wird die schreckliche Fäulnis der Oligarchie des Kremls entlarven. Nicht nur die wahren Freunde des sowjetischen Volkes, sondern auch alle überhaupt denkenden Politiker werden den Usurpatoren der Oktoberrevolution den Rücken zukehren, die die arbeitenden Massen plündern, ersticken und zerstören. Das ist die Bedeutung der Abstimmung in Oslo. Dies ist eine schreckliche Lektion für die Moskauer Bürokratie und die letzte Warnung an ihre leichtsinnigen oder nicht genügend uneigennützigen „Freunde". Leo Trotzki 20 / V 1938 |
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