Leo Trotzki: Krestinskis Widerruf (2. März 1938) [eigene Übersetzung nach der englischen Übersetzung „Krestinsky's Repudiation“, Writing of Leon Trotsky, Vol. 14, New York 1979, p 762 f. und der französischen Übersetzung „Des Faits significatifs”, Bedeutsame Fakten, Léon Trotsky, Œuvres 16, janvier 1938 – mars 1938. Institut Léon Trotsky, Paris 1983, pp. 222 f.] Krestinski, Stalins Vorgänger als Parteisekretär, dann Finanzkommissar, dann fünf Jahre lang Botschafter in Berlin, bestritt in der ersten Gerichtssitzung das absurde Geständnis, das er während der geheimen Untersuchung der GPU gemacht hatte. Was bedeutet diese Haltung? Es ist durchaus möglich, dass dieses Erwachen von Würde und Mut andere auf den gleichen Weg führt. Es wäre das schändlichste Fiasko aller juristischen Konstruktionen. Das wäre Stalins politisches Ende. Deshalb müssen wir mit den Prognosen vorsichtig sein. In der Nacht muss Krestinski wie alle anderen Angeklagten in seine Zelle zurückkehren. In dieser Zeit ist die GPU Herrin der Lage. Was wird Krestinski morgen sagen, wenn er in der Nacht gewarnt wurde, dass seine Frau und seine Tochter die ersten Opfer seiner Kühnheit sein könnten? Warten wir die weitere Entwicklung des Prozesses ab. Auf der anderen Seite sollten wir diese moralische Denunziation im Hinterkopf behalten, auch wenn sie vorübergehend ist. Es zeigt selbst für Blinde, wie der Prozess vorbereitet wurde. Der arme alte Rakowski gab zu, er habe eine Verschwörung mit den Japanern gemacht, als er 1934 in einer offiziellen Mission als Vertreter des Sowjetischen Roten Kreuzes in Tokio war, gleich nach seiner politischen Kapitulation vor Stalin. Seinerseits gestand Bucharin, er habe während seines Aufenthalts in Paris 1936 aus den Händen Leo Sedows, meinem kürzlich verstorbenen Sohnes Anweisungen für terroristische Handlungen erhalten. Für den Moment möchte ich mich nicht damit aufhalten, die innere Absurdität dieser Aussagen zu untersuchen, sondern erlaube mir, unten einem kurzen Dialog wiederzugeben, der aus dem stenographischen Protokoll der Untersuchungskommission von Dr. Deweys in Coyoacán entnommen ist. Hier lesen wir auf den Seiten 338-339: „Goldman: Ist es Ihnen wichtig, uns irgendeine Meinung über einen zukünftigen Prozess mit Bucharin und anderen zu geben? […] Erwarten Sie, dass Bucharin und Rykow auch mit Ihnen in Verbindung gebracht werden? Trotzki: Alles ist möglich. […] Ich weiß nur, dass Bucharin 1936, Anfang 1936, […] ins Ausland geschickt wurde. Er war ihr Agent. Er war in Prag, ein Tourist. Jetzt frage ich mich, ob es nicht mit dem Zweck war, eine neue Kombination mit ihm vorzubereiten. Er hielt einen Vortrag in Prag, ganz im offiziellen Geist. Aber es ist möglich, dass sie ihn geschickt haben, um die Möglichkeit zu haben, zu bestätigen, dass er im Ausland mit Trotzkisten und deutschen Agenten in Verbindung trat. Ich weiß es nicht, aber es ist durchaus möglich. Das Gleiche gilt für Rakowski. Sofort wurde er nach Japan geschickt. Ich war ein bisschen erstaunt. Was bedeutete das? Es war Ende 1934, und die britischen Freunde der Sowjetunion […] erklärten: ,Sie sehen, die Reue von Rakowski ist völlig aufrichtig. Die Regierung hat ihn ins Ausland geschickt.' Aber seine Familie blieb in Moskau, die Familie Rakowskis. […] Nun frage ich mich, ob es nicht einen zweiten Zweck hatte, ihn danach zu verleumden – dass er mit den japanischen Militärchefs in der Regierung verbunden sei und so weiter.“ Diese im April 1937 formulierte Prognose wurde wahr. Sie war leicht zu machen: Wenn man die Koeffizienten einer geometrischen Folge kennt, kann man leicht die Ausdrücke n, n+1 usw. bestimmen. Wenn man die Koeffizienten einer Fälschung kennt, kann man nach den vorhergehenden Prozessen die Bilanz des neuen Prozessen vorhersehen. |
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