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Leo Trotzki 19380304 Erklärung gegenüber der Agentur „Havas"

Leo Trotzki: Erklärung gegenüber der Agentur „Havas"

[eigene Übersetzung nach dem russischen Text, verglichen mit den englischen und französischen Übersetzungen]

Der gegenwärtige Prozess basiert auf der Methode, alle Sensationen früherer Prozesse zu steigern. Dieser plumpe Handgriff steigert die Anschuldigungen in alle Richtungen zur Absurdität. Es stellt sich heraus, dass die alte Garde des Bolschewismus ausschließlich fremden Staaten diente. An der Spitze der Regierung1 und der Komintern2 standen Faschisten. 1921 wurde ich, Mitglied des Politbüros und Leiter der Roten Armee, ein Agent Deutschlands, das damals auf dem tiefsten Punkt des Niedergangs stand. Wer wird das glauben?

In Bezug auf Butenkos antisowjetische Erklärungen in Rom erklärte Litwinow: Entweder ist das ein Betrüger, oder die Aussage wurde durch Folter erpresst. Mit unermesslich größerem Recht können wir sagen: Auf der Anklagebank sind die unglücklichen Schatten ehemaliger Bolschewiki, alle ihre Zeugnisse werden ihnen mit den Methoden der Inquisition entrissen. Imaginäre internationale Kombinationen von angeblichen Verschwörern werden retrospektiv an die heutige Konjunktur angepasst. Ich und meine imaginären Agenten konspirierten mit Deutschland, Japan, Polen und England. Frankreich, das bis 1934 als Hauptfeind der UdSSR galt, ist ebenso wie die USA nicht auf dieser Liste enthalten: Der Kreml schont „Freunde". Es kann mit Bestimmtheit gesagt werden, dass der Name England in der letzten Periode gemäß der neuen Orientierung Chamberlains aufgenommen wurde. Die Plumpheit der Fälschung, so charakteristisch für ein totalitäres Regime, springt ins Auge!

Eine der wichtigen Aufgaben des Prozesses besteht darin, im Nachhinein die Hinrichtung von neun Generälen zu rechtfertigen, die die Weltöffentlichkeit erschütterte. Die falschen Zeugnisse Krestinskis, Rosengolz' und anderer über meine Beziehungen zu Marschall Tuchatschewski zeigen nur noch deutlicher den verbrecherischen Charakter der Enthauptung der Roten Armee.

Der französische „Sûreté National" weiß sehr gut, dass ich Krestinski im Oktober 1933 nicht3 treffen konnte, denn am 9. Oktober wurde ich mit dem Wissen der Polizei als Patient aus St. Prats4 bei Royan, wo ich ab dem 25. Juli war, weggebracht5, wo ich ohne Unterbrechung bis zum 1. November blieb, als ich nach Barbizon zog. Unangefochtene Dokumente liegen in den Händen der New Yorker Dewey-Kommission.

Die Wahl eines solchen unglücklichen Datums ist wahrscheinlich darauf zurückzuführen, dass Krestinski im Oktober 1933 tatsächlich in Meran war und da die Bewegungen eines Botschafters vor den Augen der Polizei der betroffenen Länder stattfanden, musste die GPU meinen Kalender an Krestinskis Kalender anpassen. Es ist genauso wie bei dem berühmten Pjatakow-Flug von Berlin nach Oslo im Dezember 1935!6

Die Inszenierung neuer und neuer Fälschungen zeigt die Stärke des Widerstands, auf den die totalitäre Diktatur in den Reihen der Bürokratie selbst trifft. Das Regime Stalins wurde in wirtschaftlicher, moralischer und militärischer Hinsicht zur größten Gefahr für die UdSSR.

4. März 1938

1Die französische Fassung ergänzt: „(Rykow)“, dem entspricht die englische Fassung

2Die französische Fassung ergänzt: „(Bucharin)“, die englische Fassung „(Sinowjew, Bucharin)“

3Die französische Fassung ergänzt: „in Italien“, dem entspricht die englische Fassung

4Die französische Fassung: „Saint-Palais“, dem entspricht die englische Fassung

5Die französische Fassung ergänzt: „nach Bagnères-de-Bigorre“, ähnlich in der englischen

6Der Absatz fehlt im russischen Text und ist nach der französische Fassung ergänzt, ähnlich in der englischen Fassung.

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