Leo Trotzki: Die „Million Dollar" [eigene Übersetzung nach dem russischen Text, verglichen mit den englischen und französischen Übersetzungen] Der Angeklagte Rosengolz, ehemaliger Volkskommissar für Außenhandel, erklärte, dass Trotzki durch sein Kommissariat in den letzten Jahren etwa eine Million Dollar für seine Aktivitäten zum Sturz des Sowjetregimes erhalten habe. Weiter beschrieb Rosengolz nach dem Telegramm die Machenschaften, die im Außenhandelskommissariat mit dem Ziel durchgeführt worden seien, um Geldsummen des Staates zu verbergen. Ich gebe zu, dass solche Machenschaften im Außenhandelskommissariat wie in anderen Kommissariaten durchgeführt wurden und werden. Es ist sehr wahrscheinlich, dass Rosengolz ursprünglich genau im Zusammenhang mit der Offenlegung irgendwelcher größerer Geldunterschlagungen, hoffentlich ohne seine persönliche Beteiligung, abgesetzt wurde. Die mangelnde Kontrolle des Regimes ist eine Nährlösung für Diebe und Diebstahl. Ich habe in den letzten Jahren Dutzende Male im russischen „Bulletin", das von Leo Sedow in Paris herausgegeben wurde, und in anderen Publikationen darüber schreiben müssen. In diesem Teil seiner Aussage hat Rosengolz wahrscheinlich die Wahrheit gesagt. Ganz anders verhält es sich mit dem zweiten Teil seiner Aussage über die Übertragung von „einer Million Dollar" an mich. Um es von Anfang an klar zu machen, erkläre ich: Der einzige Betrag, den ich aus der sowjetischen Staatskasse erhielt, nachdem ich aus der Sowjetunion ausgewiesen wurde, sind 2.500 (zweitausendfünfhundert) Dollar, die mir der Agent der GPU in Konstantinopel für meine weitere Existenz gegeben hat. Dieser Betrag wurde natürlich völlig legal zu meinem Erhalt ausgehändigt. In den Jahren meiner derzeitigen Emigration (1929-1938) erhielt ich weder in direkter noch in indirekter Weise, weder in Dollar noch in Pfund Sterling noch in Briefmarken oder anderen Geldeinheiten irgendwelche anderen Beträge aus der sowjetischen Staatskasse. Rosengolz präzisierte seine Aussage in dem Sinne, dass Trotzki in jedem der letzten drei Jahre „mehr oder weniger regelmäßig ungefähr 110.000 Dollar pro Jahr erhielt“. 10.000 mehr als die 100.000 werden hier natürlich im Interesse der Genauigkeit der Buchhaltung genannt. Genauigkeit empfiehlt sich auch bei Lügen. Ich erkläre: Ich habe in den letzten 3 Jahren weder hunderttausend noch 10.000 Dollar noch einen einzigen Dollar aus sowjetischen Quellen erhalten, ebenso wie in den vorigen 6 Jahren. Aus den Telegrammen geht nicht hervor, ob Herr Rosengolz gesagt hat, wie mir die großen Summen überwiesen wurden: über Banken? Über welche Banken? In wessen Namen wurde das aktuelle Konto eröffnet? In diesem Bereich ist eine sofortige Überprüfung möglich und verpflichtend. Ich bin seit über einem Jahr in Mexiko. Die letzten 110.000 Dollar sollten mir also bereits während meines Aufenthaltes in Mexiko ausgehändigt worden sein. Ich wiederhole meine Fragen: Über welche Bank? Wann? In wessen Namen? Oder vielleicht wurde mir Geld in Form von Banknoten oder in Form von Goldbeuteln in die Hand gegeben? Wer hat mir diese Beträge gegeben? Wann und wo ist er zu mir gekommen? Hat er eine Quittung von mir erhalten? Wo sind diese Quittungen? In einem der Telegramme wird gesagt, dass ein Teil der Beträge über eine „deutsche Firma" an mich überwiesen wurde. Auf diese Weise will die GPU offenbar eine Untersuchung vermeiden: Die sowjetische Justiz kann sich nicht auf die Hilfe der faschistischen Justiz verlassen. Ich vertraue der faschistischen Justiz ebenso wenig wie der Justiz Stalins. Es ist jedoch klar, dass der Hinweis auf die „deutsche Firma" nur ein kruder und kläglicher Trick ist. Rosengolz konnte das Geld nicht der Willkür einer Firma zur Verfügung stellen. Er konnte nicht anders, als eine persönliche Verbindung der Firma mit mir herzustellen. Er konnte nicht anders, als sicherzustellen, dass die Firma mir jedes Mal die angegebenen Beträge schickte. Rosengolz konnte daher nicht anders als genau zu wissen, wie diese finanzielle Operation durchgeführt wurde, und er ist verpflichtet, alles zu sagen, was er darüber weiß ... wenn er etwas weiß. Aus einigen neuen Telegrammen folgt, dass Rosengolz erklärte, dass 630.000 Dollar von der Million meinem Sohn Sedow gegeben worden seien. Alle oben genannten Fragen bleiben in diesem Fall in vollem Umfang gültig: Wer? Wann? Durch welche Bank? Die Weltpresse hat diese Lüge bereits vor ihrer Veröffentlichung widerlegt. Nach Sedows Tod bemerkten alle Auslandskorrespondenten in Paris mit einiger Überraschung die mehr als bescheidene Situation, in der mein Sohn lebte. Dieselben Korrespondenten wiesen darauf hin, dass Sedow von den mehr als bescheidenen Tantiemen lebte, die sein Vater in Frankreich erhielt. In meinen Händen sind alle Briefe Sedows während der Jahre der Emigration. Er war der Herausgeber des russischen „Bulletin der Opposition". Aus diesen Briefen ist ersichtlich, welche Anstrengungen er zu unternehmen hatte, um den erforderlichen Betrag für die Herausgabe jeder nächsten Ausgabe, einmal im Monat oder alle zwei Monate, einzutreiben. Es ging nicht um Hunderttausende Dollar, sondern um etwa 2000 Francs, ungefähr hundert Dollar. Persönlich lebte und starb Sedow als ein Proletarier. Die Untersuchung all dieser Umstände wäre nicht schwierig gewesen, ebenso wenig wie die Untersuchung aller meiner Ausgaben, mindestens in den 14 Monaten meines Aufenthalts in Mexiko. Es stimmt, es gibt keine diplomatischen Beziehungen zwischen der UdSSR und Mexiko. Aber durch den Völkerbund oder durch eine dritte Macht kann die sowjetische Justiz leicht einen Weg zur mexikanischen Justiz finden. Es besteht kein Zweifel, dass die Behörden dieses großzügigen Landes die notwendigen Ermittlungen nicht ablehnen würden. Darüber hinaus ist das Problem nicht auf Mexiko beschränkt. Nach der Türkei lebte ich in Frankreich und in Norwegen. Mit beiden Ländern hat die UdSSR nicht nur normale, sondern auch enge Beziehungen. Die Menschen, die mich umgaben, die politischen Organisationen, mit denen ich in Kontakt stand, sind der ganzen Welt bekannt. Ihre Einnahmen und Ausgaben können leicht verifiziert werden. Eine Million Dollar konnten in meinem bescheidenen Budget nicht unbemerkt bleiben. Sie mussten einige materielle Spuren hinterlassen. Meine imaginären Komplizen, die ehemaligen „Verschwörer", die derzeitigen Angeklagten, und an erster Stelle – Rosengolz – können nicht anders als zu wissen: a) wie ich das Geld erhielt; b) wie ich es ausgegeben habe. Geben Sie konkrete Hinweise, die in den Ländern, in denen ich gelebt und gehandelt habe, einer objektiven Überprüfung unterzogen werden können. Diese Überprüfung wird unweigerlich ergeben, dass Rosengolz unter dem Diktat der GPU nicht nur mich, sondern auch sich selbst verleumdet. Am ersten Verhandlungstag erinnerte ich Herrn Wyschinski durch die Presse der Vereinigten Staaten daran, dass ich mich jetzt nicht in Norwegen, sondern in Mexiko befinde, wo das Asylrecht nicht als das Recht auf Internierung verstanden wird und der politisch Exilierte alle gesetzlichen Rechte und vor allem der Schutz vor Verleumdungen, falschen Anschuldigungen und unehrenhaften Intrigen genießt. Ich fordere Herrn Trojanowski, den sowjetischen Botschafter in Washington, und und über seine Vermittlung die Sowjetregierung auf: Beginnen Sie sofort, bevor Rosengolz getötet oder für tot erklärt ist, eine öffentliche Untersuchung der mythischen Million. Ich verspreche meinerseits, alle meine Briefe, Dokumente und Rechnungen vorzulegen, wie ich sie der New York Kommission mit Dr. Dewey an der Spitze präsentierte. Ich zweifle jedoch im Voraus nicht, dass meine Aufforderung nicht akzeptiert wird. Die Angeklagten werden erschossen oder für erschossen erklärt. Und dann, in ein paar Monaten, könnte ein neuer Prozess stattfinden, wo die neuen reumütigen „Verschwörer" Rosengolz' Schuld beweisen werden, wie Rosengolz die Schuld des ermordeten Marschalls Tuchatschewski beweist. Das ist die beschämende und eklige Mechanik von Stalins Justiz! 9.00 Uhr morgens, 5. März 1938 Coyoacán |
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