Leo Trotzki: Brief an Walter Dauge (31. August 1938) [Eigene Übersetzung nach dem französischen Text, dort unter dem Titel „La Question syndicale“, Die Gewerkschaftsfrage] Sehr geehrter Genosse Dauge, Ich antworte Ihnen, übrigens in aller Eile, nur auf einen Punkt Ihres Briefes, den wichtigsten Punkt, denjenigen, der die Gewerkschaftsaktivität betrifft. Sie sagen: „Das Unglück ist, dass wir in diesem Fall einer reformistischen Gewerkschaftsbürokratie gegenüberstehen, die absolut nicht in der Lage ist, die Vorzüge der Gewerkschaftseinheit für die Arbeiterklasse zu verstehen. Das ist zweifellos das größte Hindernis.“ Diese Charakterisierung beunruhigt mich ein wenig. Sie sagen, dass die Schurken, die die Gewerkschaften leiten, nicht in der Lage seien, die Tugenden der Gewerkschaftseinheit zu verstehen. Ich meinerseits fürchte, dass sie ihre Interessen viel besser verstehen als viele Revolutionäre. Die Duldung revolutionärer Aktivitäten in den Gewerkschaften im Namen des abstrakten Prinzips der „Einheit" würde für die reformistischen Bonzen Selbstmord bedeuten. Aber sie wollen leben und herrschen. Deshalb schließen sie euch aus. Sie haben aus ihrer Sicht und der ihrer Chefs, der Kapitalisten, Recht. Sie sagen, dass dies „das größte Hindernis" für unsere Gewerkschaftsarbeit sei. Dies entspricht der Feststellung, dass das größte Hindernis für unsere Tätigkeit in den Massen die Existenz der Bourgeoisie und ihrer Leutnants in den Arbeiterorganisationen ist. Die Gewerkschaftsbürokratie ist die Polizei des Kapitals, viel effizienter als die offizielle Polizei. Wir haben uns nie auf den bösen Willen der Polizei des Zaren berufen, um unsere Trennung von der Masse zu entschuldigen. Wir suchten nach geheimen Wegen, Verschwörungsmethoden, um der Polizei ein Schnippchen zu schlagen. Man muss dasselbe in Bezug auf die reformistische Polizei der Gewerkschaften machen. Das ist die einzige wirklich ernste Arbeit. Es darf keine Hindernisse geben, die uns daran hindern können, dies zu erreichen. Ich freue mich mit großem Interesse auf die Entscheidungen Ihres Kongresses. P.S. Vereeken hat mir eine große Schmähschrift mit seiner Rede auf dem Kongress geschickt. Der Kerl, der so in sich selbst verliebt ist, stellt sich vor, dass ich seine Prosa lesen werde, jetzt, da er uns durch seinen Austritt von diesen sehr langweiligen Verpflichtungen befreit hat. Ich denke, der beste Weg, um jetzt damit umzugehen, ist, es völlig zu ignorieren. |
Leo Trotzki > 1938 >