Leo Trotzki: Brief an N. I. Sedowa 13. Februar 1938 [eigene Übersetzung nach Архив Л. Д. Троцкого. Том 9, Charkow 2013, S. 29 f.] Liebe Nata, hier ist alles in Ordnung. Sowohl der Gastgeber als auch die Gastgeberin sind sehr nett und fürsorglich. Von dieser Seite lebe ich nicht schlechter als zu Hause. Ich arbeite mit Begeisterung und erfolgreich: ein bisschen wie in einer Gefängniseinzelzelle, wo ich manchmal auch gut gearbeitet habe. Die Tatsache, dass Raya und ich den Artikel fertiggestellt hatten, traf sich sehr gut und übrigens ... Überbringe Raya meine zärtlichen Grüße, auch Van und Joe (ohne „Zärtlichkeit"?). Du hast vergessen mein Rasiermesser einzupacken, also konnte ich mich bis jetzt nicht rasieren. Nun ja, es ist nichts, Ruhe für die Haut. Der Gastgeber versprach, mir sein Gerät zu geben (ich bekam die Messer und alles andere). Ich weiß nicht, was die Dose mit einigen Kosmetika bedeutet? … Bis jetzt bin ich noch nicht spazieren gegangen: Ich brauche einen Mantel, weil es ziemlich kalt ist. Ich habe schon darüber geschrieben. Die Neuankömmlinge machen einen guten Eindruck, besonders er, obwohl er kein Mitglied der Organisation ist.1 Er ist anscheinend gekommen, um „sich zu vergewissern". Es ist notwendig, dass Joe ihm sofort meinen Artikel über Kronstadt gibt und mir sein Gutachten schickt (wenn möglich, Kritik, Fragen, etc.). Das Beste wäre, wenn sie bei uns bleiben könnten. Sie haben Geld für zwei Monate, sie würden gerne drei Monate bleiben. Wenn sie sich bei uns niedergelassen hätten, hätten sie 4-5 Monate gehabt. Die Frage des Schutzes wäre gelöst, neben zwei Autos – große Vorteile, vor allem im Zusammenhang mit dem zweiten Haus. Natürlich müssen wir ihre Stimmung überprüfen – er ist ein bisschen wie ein „Aristokrat". Wenn es auf dieser Seite keine Hindernisse gibt, sollte man schnell entscheiden. Hier könnte ich, denke ich, noch zwei Tage bleiben, maximal drei. Trotzdem hat die Gastgeberin viel Scherereien mit mir. Irgendwie lässt du mich begreifen, wie froh und dankbar ich bin. Und was kann man weiter erwarten? Meiner Meinung nach eine kurze Reise nach T[axco], ein Tag für zwei oder drei, und dort schon entscheiden, je nach den Umständen: zurückzukehren oder weiterzufahren. Natürlich liest du den Brief von Ljowa: Er ist viel munterer als in der Vergangenheit. W-ra kann anscheinend nicht akzeptiert werden. Wie konnte man etwas so widerliches mit Ljowa arrangieren: Schreib ihm sofort darüber. Wie steht es mit dem Zahnarzt? Etwas tat mir heute Nacht weh. Ich hoffe, es geht vorbei. Bleibe gesund. Ich umarme dich fest. Dein [L. D. Trotzki]
1Die Herausgeber des Архив Л. Д. Троцкого behaupten, es habe ich um Sylvia Ageloff und Rámon Mercader, Trotzkis späteren Mörder gehandelt, der demnach schon viel früher Kontakt zu Trotzki aufgenommen habe als bisher bekannt. Mir scheint das fragwürdig. [WK] |
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