Leo Trotzki: Brief an John Dewey (15. Juli 1938) [Eigene Übersetzung nach der französischen Übersetzung, dort unter dem Titel „Vers un Procès de diplomates?“, Hin zu einem Diplomatenprozess?] Lieber Mr. Dewey, Ich schrieb Miss LaFollette, dass das volle Urteil der Kommission (Nicht schuldig) als ein Denkmal der Intelligenz, der Leidenschaft für die Wahrheit und der Geduld in die Geschichte eingehen werde. Aber gerade aus diesen Gründen ist das Urteil ein schrecklicher – oder besser gesagt unerträglicher – Schlag für die Kreml-Clique. Ich bin sicher, dass wir alle den Eindruck, den die gesamte Arbeit der Kommission in den stalinistischen Reihen hinterlässt, sehr unterschätzen. Aus dieser Perspektive hat das hartnäckige Gerücht eines bevorstehenden Prozesses gegen sowjetische Diplomaten meines Erachtens eine konkretere Bedeutung, nicht nur, weil Diplomaten viele Vorteile bieten, indem sie meine internationalen „Verbindungen" und „Verschwörungen" mit ihnen und mit anderen „entlarven". Abgesehen von dieser allgemeinen Überlegung könnte das konkrete Ziel der künftigen „Geständnisse" des ehemaligen sowjetischen Botschafters in Norwegen, Jakubowitsch, darin bestehen, den katastrophalen Eindruck des angeblichen Fluges Pjatakows nach Oslo zu verbessern. Dieses Versagen in der Mechanik der Betrügerei kann nur logisch durch Jakubowitschs Geständnis „korrigiert" werden. Er kann zum Beispiel sagen, dass Pjatakow, um ihn zu retten, persönlich eine falsche Aussage gemacht habe, dass Pjatakow in Wirklichkeit, nachdem er woanders gelandet war, Jakubowitsch selbst getroffen habe, in seinem Haus versteckt gewesen sei, etc. Jakubowitsch war der Mann, dem es gelungen ist, meine Internierung und die meiner Frau zu erlangen, dem es aber nicht gelungen ist, meine Auslieferung in die Hände der GPU zu bekommen. Jakubowitsch konnte nicht die Rolle des Partners beim Bau dieses Teils des Betrugs, der den Besuch Pjatakows in Oslo betrifft, spielen. In diesem Sinne ist er in Stalins Augen direkt für diese schreckliche Niederlage verantwortlich. Auf jeden Fall muss er als Sündenbock bestraft werden. Es liegt in der Natur von Stalins Prozessen, diese Strafe mit dem Ziel einzusetzen, seinen wahren Grund zu verbergen und die negativen Folgen einer Niederlage zu korrigieren. All dies ist natürlich nur eine Hypothese, die mir durch einen Artikel in der norwegischen reaktionären Zeitung Aftenposten aufgezwungen wird, in dem Jakubowitsch als Führer der Diplomatenverschwörung bezeichnet wird (in Wirklichkeit war Jakubowitsch immer eine völlig untergeordnete Person und gehörte nie einer Opposition an). Lassen Sie mich Ihnen diese Annahme geben, falls der Prozess gegen die Diplomaten tatsächlich stattfindet. Ich hoffe, Ihre Gesundheit ist zufriedenstellend und wünsche Ihnen im Namen meiner Frau und mir alles Gute. |
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