Leo Trotzki: Brief an Jiří Kopp (5. April 1938) [eigene Rückübersetzung nach LéonTrotsky, Œuvres 17, mars 1938 a juin 1938. Institut Léon Trotsky,Paris 1984, S. 126-128, unter dem Titel „La Discussion avec Guttmann“, Die Diskussion mit Guttmann] Lieber Genosse Kopp, Wir haben ihre beiden Briefe erhalten. Ich habe den ersten nicht beantwortet, weil er mich in schwierigen Stunden erreichte. Danke von ganzem Herzen, Ihnen und den anderen Genossen, für die Sympathie, die Sie ausdrücken. Die Nachricht von der gemeinsamen Konferenz ist äußerst ermutigend. Tatsächlich empfindet man überall eine Strömung in unserem Sinne, und die Fortschritte in den Vereinigten Staaten sind besonders vielversprechend. Ich hoffe, dass man in Prag den Socialist Appeal und die New International erhält, die äußerst informative Materialien zu allen Sektionen enthalten. Es ist außerordentlich erfreulich, dass Guttmann der Vierten Internationale beitritt, denn die neue Internationale braucht qualifizierte und erfahrene Genossen. Aber die Zweifel, die Genosse G. auf der Konferenz geäußert hat, erscheinen mir nicht ganz gerechtfertigt. Er kritisiert die Position des IS zur spanischen Frage als zu brutal, zu ungeduldig und zu „bürokratisch" (zumindest habe ich das aus der Lektüre des Berichts verstanden). Tatsächlich war die Frage ganz anders. Seit 1931 hatten wir, und das gilt auch für mich persönlich, eine enge Korrespondenz mit Nin und anderen spanischen Genossen. Wir haben Artikel, Dokumente und Vorschläge für sie ausgearbeitet. Wir schickten ihnen Genossen, um ihnen zu helfen, aber sie machten immer noch bei den wichtigsten Fragen der Revolution Ausflüchte. Wir haben Nin wiederholt gewarnt, dass seine Politik unweigerlich nicht nur seine Partei, sondern auch die gesamte Revolution mit einer Katastrophe bedrohe. Er machte weiter Ausflüchte. In der Praxis kämpfte er gegen die wirklich bolschewistischen Elemente seiner eigenen Partei und orientierte sich immer nach rechts. Wenn es einen Vorwurf gibt, den man an uns richten kann, ist es, die Beteuerungen und allgemeinen „revolutionären" Formeln der Nin-Gruppe zu ernst genommen zu haben und zu spät zum direkten Angriff übergegangen zu sein. Der Zentrismus der Massen ist oft nur ein Übergangsstadium. Aber bei einigen Führern, wie zum Beispiel Nin, ist er nur die Form des organischen Opportunismus. Nin war ein vollkommen ehrlicher Mann, aber seine Politik war unheilvoll für die Revolution. Ebenso erscheinen mir Zweifel darüber, ob wir bereits die 4. Internationale oder nur eine Gruppierung für die Vierte Internationale sind, völlig bedeutungslos. Niemand außer uns wird die Vierte Internationale schaffen. Für das Londoner Büro ist das unmöglich. Unsere Aktivisten in verschiedenen Ländern sind die Kader der neuen Internationale. Alle gesunden Elemente, besonders die Jugend, werden zu uns strömen. Unsere Kader werden diese neuen Elemente formen. In diesem Sinne sind wir jetzt die Vierte Internationale. Unsere zahlenmäßige Schwäche, die zu verbergen wir weder Grund noch den Wunsch haben, sollte uns gegenüber anderen Organisationen nicht ängstlich machen. Selbstvertrauen ist auch ein Erfolgsfaktor. Warum müssen wir immer wieder zu Philistern und Hohlköpfen wie Walcher oder Fenner Brockway sagen: „Bitte, wir sind noch nicht die Internationale, vielleicht werden wir es mit der Zeit werden usw.“ Nein, die nächste Konferenz sollte meiner Meinung nach definitiv erklären, dass wir die Vierte Internationale sind. Kommen wir zum Prozess. Es wäre jetzt ziemlich nutzlos, uns auf den Boden eines Rechtsstreits mit den Schreiberlingen der GPU zu begeben. Die politische Hauptfrage, die uns alle in erster Linie betrifft, ist aus Sicht der öffentlichen Meinung vollständig geklärt. Diejenigen, die uns nicht bis zum Ende gefolgt sind, werden schließlich aufholen. Wer den entscheidenden Beitrag dazu geleistet hat, die Internationale Kommission von New York oder Stalin selbst, ist schwer zu sagen; aber dass die Anschuldigungen gegen die Trotzkisten die schlimmsten und verderblichsten Fälschungen der ganzen Geschichte waren, muss kein Gericht mehr bestätigen. Das ist meiner Meinung nach der politische Grund, der die Einstellung aller Verfahren rechtfertigt. Ich berate den Anwalt nicht persönlich, weil ich nicht weiß, ob es ihm in der jetzigen Lage leicht fällt und ob es ihm die Aufgabe erleichtern wird. Auf jeden Fall bitte ich Sie, ihm für all seine Bemühungen herzlich zu danken. Sie haben wahrscheinlich schon in einer anderen Sprache die kleine Arbeit über Leo Sedow gelesen. Es wäre eine Genugtuung für Sedows Mutter und für mich, wenn diese Arbeit auch auf Tschechisch erscheinen könnte. Die deutsche Version soll, wie mir gesagt wurde, im Neuen Weg erscheinen.1 Unsere besten Grüße an alle Freunde, die alten und neuen. 1Tatsächlich erschien sie erst fast ein Jahr später in „Unser Wort. Halbmonatszeitung der IKD”, Jahrgang 7, Nr. 2-3 (93-94), März 1939, S. 1-3 |
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