Leo Trotzki: Brief an Herbert Solow (18. April 1938) [Eigene Übersetzung nach der französischen Übersetzung in Léon Trotsky, Œuvres 17, mars 1938 a juin 1938. Institut Léon Trotsky, Paris 1984, pp. 199 f., dort unter dem Titel „Une Appréciation fausse“, Eine falsche Annahme] Lieber Genosse Solow, Ihr letzter Brief schien mir unendlich weniger überzeugend als Ihr Artikel über Trojanowski. Durch eine sehr feine linguistische Forschung haben Sie es geschafft, Cannons schlechten Einfluss auf mein Urteil festzustellen, besonders was Sie betrifft. Ich sehe mit Bedauern, dass Sie mir nicht die Fähigkeit zubilligen, mir eine persönliche Meinung über einen Freund bilden zu können, mit dem ich wichtige Kontakte, Diskussionen und sogar Konflikte hatte. Nein, mein lieber Solow, Sie liegen völlig falsch. Mein Brief wurde geschrieben, bevor zwischen Cannon und mir ein Wort über Sie ausgetauscht wurde. Ihre Einschätzung Cannons ist völlig falsch und Ihr Fehler ist nicht zufällig, sondern typisch. Sie sind ein marxistischer Publizist (ein ausgezeichneter marxistischer Publizist) und Cannon ist ein proletarischer Revolutionär. Für Sie ist der Marxismus nur ein Instrument zum Kommentieren, für ihn ist er ein Instrument, um die Arbeiter zu schulen und zu vereinen. Sie können sich heute der Partisan Review, morgen des Modern Monthly bedienen. Cannon braucht eine permanente Organisation mit ihrer eigenen Flagge und ihrer eigenen Zeitung. Für ihn ist die Partei das wichtigste historische Werkzeug; für Sie ist es eher ein Hindernis für Ihre persönlichen Kombinationen und Ihre Improvisationen. Dies ist die Grundlage für Ihren psychologischen Antagonismus und man kann sie auch in der marxistischen Klassensprache ausdrücken. Aber mit Ihrer Erlaubnis werde ich davon absehen. In zwei Jahren werden Sie sehen, dass die Vierte Internationale der einzige revolutionäre Faktor unserer Zeit ist, aber ich fürchte, dass Sie das dann nicht als Waffengenosse, sondern als Gegner erkennen werden. Und ich wäre sehr glücklich, einen so begabten Mann wie Sie einen Waffengenossen zu nennen. |
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