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Leo Trotzki 19380322 Brief an Herbert Solow

Leo Trotzki: Brief an Herbert Solow

(22. März 1938)

[eigene Übersetzung nach der französischen Übersetzung in Léon Trotsky, Œuvres 17, mars 1938 a juin 1938. Institut Léon Trotsky, Paris 1984, pp. 66 f., unter dem Titel „Défense des Camarades“, Verteidigung von Genossen]

Lieber Genosse Solow,

Ich habe heute Morgen Ihren Artikel erhalten und antworte sofort. Ich finde diesen Artikel exzellent und kann aus meinen Erinnerungen nichts hinzufügen. Ich erinnere mich vage an die Geschichte der Spartacus Clubs. Ich muss zugeben, dass ich Trojanowski nie als Stalins Meister betrachtet habe, aber dass Sie mich völlig überzeugt haben. Nach Ihrem eigenen Vorschlag könnte man den Titel in „Später Dezembrist Trojanowski" ändern.

Sie sagen S. 3: „Er wurde zu einem Jahr Verbannung in Sibirien verurteilt." Das ist unmöglich. Wenn er administrativ nach Sibirien verbannt wurde, konnte es kaum für weniger als vier Jahre sein (das war 1900 bei mir der Fall). Wenn er wirklich zu lebenslang Sibirien verurteilt wurde (das war 1906 bei mir der Fall), konnte er nach einem Jahr Aufenthalt in Sibirien fliehen. Das ist alles, was ich vorschlagen kann.

In Bezug auf Ihren Brief vom 16. März kann ich Ihnen nicht zustimmen. Meine „engen Freunde" sind nicht sektiererisch wie etwa die Oehler und pro-Oehleristen, sondern sie sind proletarische Revolutionäre und keine Vermittler zwischen Arbeitern und Liberalen. Es ist nicht die Einstellung unserer Genossen, die provoziert, im Gegenteil. Unsere Genossen waren immer zu tolerant. Es ist die Einstellung der Liberalen, die provoziert, einschließlich Ihres engen Freundes; im Rahmen der gemeinsamen Arbeit als Mitglieder des Komitees oder der Kommission hatten sie kein Recht, den Bolschewismus anzugreifen, so wie wir den Liberalismus nicht angegriffen haben. Während Sie hier waren, habe ich ein wenig über Ihre Haltung gegenüber den Bolschewiki und den Liberalen gesprochen, und ich habe festgestellt, dass Ihr „Sektierertum", wie fast immer, mit einer guten Dosis Opportunismus verbunden ist. Ihre außergewöhnlichen Gaben, die ich sehr schätze, können mich nicht hindern, mit Bedauern zu sagen, dass Sie politisch ein launenhafter Intellektueller sind, der seine organischen Tendenzen zum Opportunismus durch ultralinke Extravaganzen verdeckt. Auf diese Weise können Sie ein unheilbarer politischer Junggeselle werden. Trauriges Schicksal!

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