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Leo Trotzki 19380527 Brief an Henri Molinier

Leo Trotzki: Brief an Henri Molinier

(27. Mai 1938)

[eigene Übersetzung nach dem französischen Text in Léon Trotsky, Œuvres 17, mars 1938 a juin 1938. Institut Léon Trotsky, Paris 1984, S. 271 f., Unter dem Titel „Plus aucune Concession“, Kein Zugeständnis mehr]

Sehr geehrter Genosse Henri,

Ich habe Ihren Brief vom 12. Mai erhalten. In meinem Schweigen gibt es absolut nichts, was Sie als gegen sich gerichtet deuten können. In Ihrem Brief gab es nichts, was mich verletzen könnte. Ganz im Gegenteil. Natalia und ich, wir halten Sie immer noch für einen Freund. Leider gibt es die politische Seite. Ich habe versucht, politische Komplikationen aus Leos Tod von persönlichen Problemen zu trennen. Zu diesem Zweck schrieb ich meinen Brief an Jeanne, an Sie, an Rosmer und an Cannon. Aber es ist mir nicht gelungen. Jetzt, von dem Moment an, in dem es um den Kampf der Fraktionen geht, nehme ich einen Platz ein, der weder der von Jeanne noch von Ihnen ist. Ich kann nicht eine Untersuchungskommission akzeptieren, die von der Organisation ernannt wurde, die im Kampf gegen die Organisation Leos und meine stand und steht. Ich kann nicht akzeptieren, dass Jeanne meine Vertreter „ablehnt", die mein Vertrauen haben und eine Mission haben: meine Dokumente zu erhalten. Ich habe nicht die materielle Möglichkeit, Jan Frankel zu schicken, und außerdem, selbst wenn ich Geld hätte, würde ich es nicht tun, weil er auf beiden Seiten des Ozeans den größten Schwierigkeiten ausgesetzt wäre. Wozu? Für nichts. Die Person, die ich aussende, um meine Papiere zu nehmen, braucht mein Vertrauen. Das ist absolut genug. Außerdem braucht diese Person nicht einmal mit Jeanne in Kontakt zu treten. Rosmer kann die Übergabe sehr gut arrangieren. Ab dem Moment, in dem Jeanne sie übergibt, fällt die Verantwortung für die Dokumente völlig und ausschließlich auf mich.

Ich habe fast gleichzeitig zwei Vollmachtsvorschläge erhalten, Ihren und Rosmers. Das hat mir gezeigt, dass die rein technische Zusammenarbeit nicht eingerichtet ist. Unter diesen Umständen konnte ich nicht mehr tun als die Vollmacht für Rosmers Anwalt zu senden.

Vergessen Sie nicht, lieber Freund, dass eine Antwort auf einen Brief einen Monat dauert. Wenn man anfängt „abzulehnen", dann teilweise anzunehmen, dann wieder abzulehnen, ziehen sich die Dinge endlos hin. Deshalb habe ich nach den ersten Versuchen beschlossen, nicht das geringste Zugeständnis zu machen. Wenn die von mir beauftragte Person die Dokumente aus subjektiven Gründen nicht erhält, gebe ich die Angelegenheit vollständig auf.

Ich richte Ihre Aufmerksamkeit auf den Umstand, dass diese verstärkte Korrespondenz zu den Dokumenten unter den gegenwärtigen Bedingungen absolut schädlich und sogar gefährlich ist. Wenn es Unvorsichtigkeit gibt, liegt sie gerade in dieser Korrespondenz.

Ich bedauere es sehr, diesen Brief an Sie schreiben zu müssen, aber die Realitäten sind die Realitäten.

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