Leo Trotzki: Aus Anlass meiner neuen Verschwörung [eigene Übersetzung nach dem russischen Text, verglichen mit den englischen und französischen Übersetzungen] In 18 Monaten meines Aufenthalts in diesem gastfreundlichen Land machte ich mich einer Reihe von fürchterlicher Verschwörungen schuldig. Vor einigen Monaten erklärte Herr Toledano auf Kundgebungen, dass ich einen Generalstreik gegen die Regierung von General Cárdenas vorbereite. Nicht mehr und nicht weniger! Der Führer der Kommunistischen Partei (der, wie es scheint, Laborde heißt) sagte bei einer öffentlichen Manifestation1, dass ich in einer faschistischen Verschwörung mit den Generälen Cedillo und .... Villareal sei. Am nächsten Tag ließ jeder der Herren Ankläger seine eigene Anklage fallen wie ein Zigarettenstummel, vergaß sie selbst und wandte sich neuen Erfindungen zu. Nun steht auf der Tagesordnung meine Urlaubsreise nach Pátzcuaro, Jiquilpan, Guadalajara und Morelia. Jetzt wird mir vorgeworfen, mich nicht auf einen Generalstreik und einen faschistischen Staatsstreich vorzubereiten, sondern durch Mexiko zu reisen, in Hotels zu wohnen, Treffen und Gespräche mit mexikanischen Bürgern zu haben. Ja, ich habe diese Verbrechen wirklich begangen! Ich füge hinzu, ich habe sie mit großem Vergnügen begangen. Von Seiten der verschiedenen Bevölkerungsgruppen: Arbeiter, Lehrer, Militärs, Künstler, staatliche und kommunale Behörden – habe ich nichts anderes erlebt als Aufmerksamkeit und Gastfreundschaft, die die Mexikaner im Allgemeinen so farbenfroh charakterisieren. In Pátzcuaro sprachen mehrere Lehrer, die aus eigener Initiative zu Diego Rivera und zu mir kamen, mit mir über die Lage in der UdSSR und insbesondere über die öffentliche Bildung. Ich teilte ihnen die gleichen Ansichten mit, die ich oft in meinen Büchern und Artikeln zum Ausdruck brachte. Um die notwendige Genauigkeit der Präsentation zu gewährleisten, habe ich eine schriftliche Erklärung abgegeben, die ich beigefügt habe. Keiner dieser Lehrer hat sich, soweit ich weiß, als „Trotzkist" betrachtet oder bezeichnet. In Jiquilpan, Guadalajara und Morelia hatte ich leider keine solchen Treffen, da ich nur wenige Stunden in jedem dieser Orte verbrachte. In Guadalajara war das Operationsfeld meiner „Verschwörung" der Regierungspalast, die Universität und das Waisenhaus, wo ich die Fresken Orozcos betrachtete. Viele Leute kamen auf mich zu und baten mich um ein Autogramm oder schüttelten mir einfach die Hand. Einige von ihnen fragte ich wie die Lehrer in Pátzcuaro scherzhaft: „Haben Sie keine Angst, einen Konterrevolutionär und Faschisten anzusprechen?" Worauf ich die fast unveränderliche Antwort erhielt: „Kein intelligenter Mensch glaubt das." Es ist nicht nötig zu sagen, dass mich diese Antwort moralisch sehr befriedigt hat. Was meine Verschwörung mit Dr. Atl angeht, kann ich nur sagen, dass ich seinen Namen aus den letzten „Enthüllungen" erfahren habe. Ich habe Dr. Atl nie getroffen und habe nicht die Ehre, ihn zu kennen. Ich habe keinen Zweifel, dass diese meine Aussage, die eine Zurückweisung neuer falscher Anschuldigungen beinhaltet, von Denunzianten als „Einmischung in das innere Leben Mexikos" interpretiert wird. Aber diese Methode wird niemanden täuschen. Ich habe mich der Regierung dieses Landes, d.h. der Regierung von General Cárdenas, und nicht der Regierung von Lombardo Toledano verpflichtet. Niemand hat mir gesagt, dass Herrn Toledano die Überwachung meines Verhaltens obliege. Ich habe nie versprochen, im Fall von Diffamierungen und Verleumdungen zu schweigen. Ich behalte mir das Recht vor, sowohl zu Hause als auch auf meinen Reisen mexikanische Luft zu atmen, mich mit den Bürgern dieses Landes zu treffen, mit ihnen zu sprechen, Kunstdenkmäler zu besichtigen und, wenn ich es für nötig halte, öffentlich und namentlich jene „Demokraten", „Sozialisten" und „Revolutionäre" zu brandmarken, die – oh Schande – sich verpflichtet haben, durch Lügen und Verleumdung meine Auslieferung in die Hände der GPU zu erreichen. L.Trotzki 19. Juli 1938 Coyoacan 1In der englischen und französischen Übersetzung eingefügt: „in Anwesenheit des Präsidenten der Republik“ |
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