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Leo Trotzki 19330824 Aufbau der neuen Internationale und Einheitsfrontpolitik

Leo Trotzki: Aufbau der neuen Internationale und Einheitsfrontpolitik

[Nach dem maschinenschriftlichen Text in Lev Davidovič Trockij / International Left Opposition Archives, inventory number 745, International Institute of Social History, Amsterdam]

Vertraulich!

Aufbau der neuen Internationale und Einheitsfrontpolitik

(Zur bevorstehenden Konferenz der linkssozialistischen und kommunistischen Organisationen in Paris)

1. Der Aufbau der neuen Internationale setzt voraus die gemeinsame Arbeit und immer engere organisatorische Verbindung der revolutionären politischen Organisationen (Parteien) auf der Grundlage eines auf alle Fragen unserer Epoche antwortenden Programms.

2. Die Politik der Einheitsfront setzt voraus eine Vereinbarung von politischen, gewerkschaftlichen und anderen Arbeiterorganisationen unabhängig von ihrer grundsätzlichen Einstellung, namens bestimmter praktischer Ziele, folglich nicht ständige Zusammenarbeit, sondern Verabredungen von Fall zu Fall für eine gewisse durch den Charakter der Ziele bestimmte Zeit.

3. Keine revolutionären proletarischen Partei wird auf der internationalen Arena eine richtige Politik durchführen können, wenn sie nicht streng unterscheidet zwischen der systematischen Arbeit am Aufbau der neuen Internationalen und den episodischen, wenn auch sehr wichtigen, „Einheitsfront"vereinbarungen .

4. Mit Erfolg die Einheitsfrontpolitik im internationalen Maßstab (Kampf gegen Faschismus, Boykott Hitlerdeutschland, Kampf gegen die Kriegsgefahr im Allgemeinen und gegen die Intervention in der UdSSR im Besonderen) kann man nur in dem Fall führen, wenn ein eng zusammenhaltender internationaler Kern vorhanden ist, d.h. ein Bündnis mehrerer proletarischen Parteien auf einer festen programmatische Grundlage und und einer klaren politischen Perspektive. Nur eine derartiges Bündnis, welches das erste Entwicklungsstadium der neuen internationale darstellt, ist imstande, in der Lage, im Namen dieser oder jener Kampfaufgaben größere Massenorganisationen zu mobilisieren.

5. Die beabsichtige Zusammensetzung der Pariser Konferenz beruht unzweifelhaft auf der Vermengung der beiden Aufgaben: des Aufbaus einer neuen Internationale und der Schaffung einer Einheitsfront. Auf diesem Wege mit geschlossenen Augen weitergehen, hieße, die revolutionären proletarischen Parteien auflösen in einem formlosen Konglomerat von Organisationen, die nicht klar wissen, was sie wollen. Solch ein Weg wäre gleichermaßen verderblich für die neue Internationale wie für die Sache der Einheitsfront.

6. Um in die Beziehungen der verschiedenen Organisationen, die an der Pariser Konferenz teilnehmen sollten oder erst Einladungen erhalten, Klarheit zu bringen, müsste sich unverzüglich ein Kern von revolutionären Organisationen auf ein bestimmtes Programmdokument einigen, das die ihnen gemeinsamen Prinzipien formuliert und offen die Schaffung einer neuen Internationale zur Aufgabe stellt. Der Entwurf einer solchen Erklärung (siehe Beilage) muss erwogen, durchgearbeitet, und noch vor der Eröffnung der Konferenz unterschrieben werden. Es besteht aller Anlass zu der Annahme, dass zumindest vier Organisationen: SAP, RSP, OSP und LO sich auf eine solche Erklärung einigen können.

7. Man braucht nicht herumzuraten, ob sich einer solchen Erklärung die schwedische [Unabhängige] Kommunistische Partei (Kilbom), die norwegische Organisation Mot Dag und die Unabhängige Arbeiterpartei Großbritanniens anschließen werden. Schließen sie sich nicht sofort an, so wird die Erklärung zu einem mächtigen Werkzeug zur Einwirkung auf sie in der Folgezeit. Die Einflusssphäre der Erklärung wird zunehmen zugleich mit der Herausbildung der neuen Internationale. Nach einiger Zeit, sagen wir zwei Monaten, wird die Erklärung ersetzt werden durch das Manifest der neuen Internationale.

8. Es ist ganz klar, dass die norwegische Arbeiterpartei auf keinen Fall unsere Erklärung, die ihrer ganzen Politik widerspricht, annehmen kann. Aber das bedeutet durchaus nicht, dass wir auf jegliche Zusammenarbeit mit der Norwegischen Arbeiterpartei verzichten sollten. Man muss nur zur Grundlage des Verhältnisses zu ihr nicht das Programm der neuen Internationale machen, sondern die allgemeinen Methoden der Einheitsfront. So kann zum Beispiel im Kampfe um die Einberufung des Weltkongresses der Arbeiterorganisationen die NAP, wenn sie will, ihren Platz einnehmen.

9. Sollten die englische Unabhängige Arbeiterpartei, die schwedische Partei Kilboms und andere es ablehnen, unserer Erklärung heute beizutreten, so wären im gegebenen Stadium die Beziehungen zu ihnen Einheitsfrontbeziehungen, was natürlich den Beitritt dieser Organisationen zur neuen Internationale in einem späteren Stadium nicht ausschließt.

10. Die Leninbund zum Beispiel könnte sich unserer Erklärung angesichts der unversöhnlichen Meinungsverschiedenheit in der Frage des Charakters des Sowjetstaates und unsere Verpflichtungen in dieser Hinsicht nicht anschließen. Auf diesem Gebiet ein Zugeständnis an die Theorie des Gen. Urbahns vom „Staatskapitalismus" machen, hieße unsere ganze Erklärung wertlos machen und die Sprengung des Grundkerns der neuen Internationalen von innen vorbereiten.

11. Man kann sich hier nicht auf eine Beurteilung der anderen Organisationen zu Gruppen einlassen, die zur Pariser Konferenz hinzugezogen sind oder ihr zustreben. Einige von ihnen bieten überhaupt keiner Interesse dar, weder als revolutionäre Kader noch als Massenorganisationen betrachtet. So können die PUPisten nur jede Einigung kompromittieren, die sie lange Zeit in ihren Reihen dulden wollten. Doch diese zweitrangigen Fragen lösen sich mühelos von selbst, wenn man sich die richtige Grundlinie zu eigen gemacht hat.

12. Also, man kann anfangen mit der Erklärung der vier (und wenn auch nur drei) einander nächsten Organisationen. Es wäre falsch, zu versuchen, sich von Anfang an über den Text der Erklärung einig zu werden mit solchen Organisationen wie die englischen Unabhängigen Arbeiterpartei, Kilbom-Partei und den anderen; ein solches Verhalten würde nur zu zahllosen Sitzungen, Verbesserungen, Schwankungen führen – und die Initiative der fortgeschritteneren Organisationen würde sich in allgemeiner Formlosigkeit verlieren. Die wichtigste Regel der Strategie und Taktik ist: um über die Unentschlossenheit anderer Organisationen die Oberhand zu behalten, ist es nötig, dass die eigene Organisation Entschlossenheit aufweist. Um fremde Schwankungen zu besiegen, muss man aufhören, selbst zu schwanken. Wenn die ILP oder Kilboms Partei mit unserer Erklärung nicht in allem einverstanden sein werden, so mögen sie sich ihr mit bestimmten Einschränkungen, Ergänzungen, usw., unter eigener Unterschrift anschließen. Jeder fortgeschrittene Arbeiter wird in diesem Falle eine deutliche Landkarte unserer politischen Beziehungen vor sich haben. Etwas besseres können wir uns nichts wünschen. Diplomatie und Versteckspiel sind uns fremd. Der neue Internationale kann aufgebaut werden nur auf dem ehrlichen Aussprechen dessen was ist.

24. August 1933

G. Gurow

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