Leo Trotzki: Zum 12. Jahrestag der Oktoberrevolution [Nach Sonntagsblatt der New Yorker Volkszeitung, 1. Dezember 1929, S. 6 f. und Fahne des Kommunismus. Zeitschrit der orthodoxen Marxisten-Leninisten, 3. Jahrgang Nr. 40 (3. November 1929), S. 309-311] Die Sowjetrepublik begeht den 12. Jahrestag der Oktoberrevolution zu einem Zeitpunkt, wo die größten Errungenschaften mit den größten Schwierigkeiten wetteifern, wobei die einen wie die andern gleichzeitig wachsen. Das ist das Wichtigste der heutigen Lage und ihr größtes Rätsel. Die Industrie machte und macht Eroberungen, vom Standpunkt des kapitalistischen Maßstabes nie dagewesene. Viel weniger bedeutende, aber immerhin unzweifelhafte Erfolge machte während der letzten Jahre auch die Landwirtschaft. Zu gleicher Zeit ist aber eine ganz paradoxe Erscheinung zu beachten: auf dem Markt herrscht grausamer Warenhunger, welcher trotz der Erfolge der Wirtschaft von einem Jahre zum andern weitergeht und zu gewissen Zeiten äußerste Zuspitzung erfährt. Es fehlt an den nötigsten Industriewaren trotz des raschen Wachstums der Industrie. Aber von besonders scharfem und direkt unerträglichem Charakter ist das Fehlen der landwirtschaftlichen Produkte, trotz des vorwiegend bäuerlichen Charakters des Landes. Was bedeuten diese Widersprüche? Da sind Gründe zweierlei Art. Gründe grundlegenden Charakters wurzeln in der objektiven Lage eines ökonomisch zurückgebliebenen Landes, welches – historische Dialektik – als erstes Land gezwungen war, zur Diktatur des Proletariats und zum sozialistischen Aufbau zu schreiten. Gründe zweiter Art wurzeln in der falschen Politik der Leitung, die unter dem Einfluss der Kleinbourgeoisie steht, die eine Konjunkturpolitik führt, die unfähig ist, rechtzeitig die Lage zu erkennen und am zweckmäßigsten die ökonomischen und politischen Ressourcen der Diktatur auszunutzen. Der Sowjetstaat zahlt keine Prozente für die alten Schulden. Er gibt nichts oder fast nichts aus für den Adel, die Bankiers, Fabrikanten usw. Diese zwei Umstände, besonders der zweite, schaffen einen großen Fond für die Industrialisierung des Landes. Die Vereinigung der Industrie und des Transports in den Händen eines Herrn – des Arbeiterstaates, die notwendige Bedingung der Planwirtschaft – hat unerschöpfliche Möglichkeiten einer zweckmäßigen Anwendung von Kräften und Mitteln und folglich auch der Beschleunigung des wirtschaftlichen Wachstums des Landes erschlossen. Das ist das gigantische Aktiv des Oktoberumsturzes. Die Passiva – nicht der Revolution selbst. sondern der Bedingungen, unter welchen sie vollzogen wurde – sind: das niedrige Niveau der kapitalistischen Entwicklung des zaristischen Russlands; die äußerste Rückständigkeit der Bauernwirtschaft; die kulturelle Rückständigkeit der Volksmassen; und endlich die isolierte Lage der Sowjetrepublik, die von der viel reicheren und mächtigeren kapitalistischen Welt umgeben ist. Die Notwendigkeit, alljährlich hundert Millionen von Rubeln für die Armee und Flotte auszuwerfen, ist das unmittelbarste und deutlichste Resultat der feindlichen Einkreisung. Ein anderes Resultat ist das Monopol des Außenhandels, welches sich der Sowjetrepublik genau so mächtig aufdrängt wie die Armee und Flotte. Eine Zurückziehung des Außenhandelsmonopols oder auch nur eine Schwächung desselben (Stalin unternahm ein Attentat auf das Monopol unter dem Einfluss Sokolnikows Ende 1922) würde nicht nur die Rückkehr Russlands auf den Weg des Kapitalismus bedeuten, sondern auch die Verwandlung Russlands in ein halb koloniales Land. Aber man darf nicht vergessen, dass das Außenhandelsmonopol die mechanische Ausschließung Russlands aus jener internationalen Arbeitsvermittlung bedeutet, auf Grund deren die kapitalistische Entwicklung Russlands sich vollzogen hat. Die unmittelbare Folge hiervon war – beim allgemeinen Anwachsen der Wirtschaft – das außerordentliche Zurückgehen des Außenhandels. Das rasche Anwachsen der Mittel für die Industrialisierung wird in bedeutendem Maße dadurch hervorgerufen, dass die Sowjetrepublik notwendigerweise das selbst hervorbringen muss. was das bürgerliche Russland unter viel günstigeren Bedingungen aus dem Ausland erhalten hat. Wenn in den andern Ländern das sozialistische Regime herrschen würde, so würde, natürlich, das Außenhandelsmonopol nicht nötig sein, und die Sowjetunion würde alle fehlenden Produkte aus den fortgeschritteneren Ländern unter viel günstigeren Bedingungen erhalten als sie das bürgerliche Russland erhalten hat. In der jetzigen Lage jedoch verlangt das Außenhandelsmonopol, das absolut notwendig ist zum Schutz der sozialistischen Grundlagen der Wirtschaft, gigantische Einlagen in die Industrie zur einfachen Selbsterhaltung des Landes. Hieraus erklärt sich, beim hohen Prozentsatz des allgemeinen Wachsens der Industrie, das chronische Fehlen der fertigen Industrieerzeugnisse. Der zerstückelte Charakter der Bauernwirtschaft, das Erbe der Vergangenheit, wurde durch den Oktoberumsturz noch stärker betont, soweit sein erstes Wort die demokratische Agrarrevolution war. Die Zersplitterung der Landwirtschaft würde auch in dem Fall dem sozialistischen Umbau der Landwirtschaft Russlands ernste Schwierigkeiten entgegenstellen, wenn auch das Proletariat der fortgeschritteneren Länder schon an der Macht stände. Umso größer sind die Schwierigkeiten jetzt, wo das Land der Oktoberrevolution ganz und gar sich selbst überlassen ist. Indessen führt das äußerst langsame Tempo des sozialistischen Umbaus des Dorfes seinerseits zu einer weiteren Zerstückelung der Bauernwirtschaften, und folglich auch zu einer Stärkung ihres Charakters als Konsument. Das ist einer der Gründe für das Fehlen von landwirtschaftlichen Produkten. Von nicht geringerer Bedeutung sind auch die hohen Preise auf den Industrieprodukten. Mit diesen Preisen muss die Industrie ihren Übergang von zurückgebliebenen zu höheren technischen Formen bezahlen und zu gleicher Zeit muss sie sich die immer wieder neuen Einlagen in die Industriezweige sichern, welche notwendig geworden sind als Folge des Außenhandelsmonopols. Mit andern Worten: das Dorf zahlt hohen Tribut zugunsten der sozialistischen Industrie. Das Bauerntum unterscheidet streng die Vollziehung der demokratischen Agrarrevolution durch die Bolschewiken und die Fundamentlegung der sozialistischen Revolution durch sie. Der Übergang der Ländereien der Gutsbesitzer und des Staates in den Besitz der Bauern – der demokratische Umsturz – hat ihnen durch die Befreiung von Landabgaben einen Vorteil von einer halben Milliarde Rubel gebracht. Aber die Bauern bezahlen, infolge der Schwere der Preise, zugunsten der staatlichen Industrie eine viel höhere Summe. Somit kommt die Bilanz der beiden Revolutionen, der demokratischen und der proletarischen, die im Oktober vereinigt sind, immer noch mit einem Minus von hundert Millionen Rubel für das Bauerntum heraus. Das ist eine unzweifelhafte und zugleich die wichtigste Tatsache für die Beurteilung nicht nur der ökonomischen, sondern auch der politischen Lage des Landes. Man muss es verstehen, dieser Tatsache gerade ins Gesicht zu sehen. Sie liegt den gespannten Verhältnissen zwischen den Bauern und der Sowjetregierung zugrunde. Das langsame Wachsen der Bauernwirtschaft, seine weitere Zerstückelung, die Schwere der landwirtschaftlichen und der Industriepreise, – mit einem Wort die wirtschaftlichen Schwierigkeiten des Dorfes schaffen günstige Bedingungen für das Wachsen des Kulakentums und für ihren Einfluss im Dorf, der unverhältnismäßig groß ist im Vergleich zu ihrer Zahl und zu den sich in ihren Händen befindlichen materiellen Mitteln. Der Getreideüberfluss, der hauptsächlich bei den Dorfspitzen zu finden ist, wird gebraucht, um die Dorfarmut an sich zu binden, für spekulativen Verkauf an die kleinbürgerlichen Elemente der Stadt und ist somit aus dem staatlichen Umsatz ausgeschlossen. Das Getreide reicht weder für den Export noch für die inneren Bedürfnisse. Der bis aufs Äußerste beschnittene Umfang des Exports führt zu der Notwendigkeit, sich nicht nur den Import der fertigen Erzeugnisse zu versagen, sondern auch bis aufs Äußerste den Import von Maschinen und Industrie-Rohstoffen zu beschneiden, was wiederum dazu zwingt, jeden Schritt der Industrialisierung mit einer außerordentlichen Anstrengung der wirtschaftlichen Mittel zu bezahlen. Das ist die grundlegende Erklärung dafür, warum, heim allgemeinen Aufschwung der Wirtschaft und des außerordentlichen raschen Tempo der Industrialisierung, die Sowjetrepublik aus dem Regime der "Schwänze'' nicht herauskommt, das das krasseste Argument gegen die Theorie des Sozialismus in einem Lande darstellt. Aber „Schwänze“ sind auch das Argument gegen die offizielle wirtschaftliche Praxis. Hier gehen wir von den objektiven Gründen zu den subjektiven über, d. h. zu der Politik der Leitung. Ohne Zweifel, auch die richtigste und weitsichtigste Leitung könnte nicht die Sowjetunion zum Aufbau des Sozialismus in nationalem Rahmen, die von der Weltwirtschaft durch das Monopol des Außenhandels abgegrenzt sind, führen. Wenn es sich erweisen würde, dass die proletarische Revolution in den fortgeschrittenen Ländern auf Jahrzehnte zurückgedrängt sein wird, so würde die Diktatur des Proletariats in der Sowjetrepublik als Opfer der wirtschaftlichen Widersprüche fallen, – entweder dieser allein oder in Verbindung mit einer militärischen Intervention. In der Sprache der Politik bedeutet das: Das Schicksal der Sowjetrepublik unter den weiter ober charakterisierten allgemeinen Bedingungen wird durch die innere wirtschaftliche Führung wie auch durch die Führung des revolutionären Kampfes des internationalen Proletariats bestimmt. Letzten Endes entscheidet dieser letzte Faktor. Eine richtige wirtschaftliche Führung in der Sowjetunion bedeutet eine solche Ausnutzung aller Quellen und Möglichkeiten, wobei das sozialistische Vorwärtsdrängen von einer echten und fühlbaren Verbesserung der läge der werktätigen Massen begleitet ist. Es geht jetzt, praktisch genommen, nicht darum, um die Weltwirtschaft zu „überholen" – eine phantastische Aufgabe – sondern darum, die industriellen Grundlagen der Diktatur zu befestigen und die Lage der Werktätigen zu verbessern, wobei die politische Vorbedingung der Diktatur, d h. das Bündnis des Proletariats mit dem nicht ausbeutenden Bauerntum gefestigt wird. Eine richtige Politik in der UdSSR muss unter den Bedingungen der Isolierung die Existenz der Diktatur, so weit als möglich ist, verlängern. Eine richtige Politik der Komintern muss den Sieg des Proletariats in den fortgeschrittenen lindern so nahe als möglich herbeiführen. An einem bestimmten Punkt müssen beide Linien einander treffen. Nur unter dieser Bedingung kann das jetzige widerspruchsvolle Sowjetregime – ohne Thermidor, ohne Konterrevolution und neuen Revolutionen – sich zur sozialistischen Gesellschaft entwickeln mit sich erweiternder Basis, die letzten Endes den ganzen Erdball umfassen muss. Die Zeit, die der wichtigste Faktor der Politik überhaupt ist, hat in der Frage des Schicksals der UdSSR entscheidenden Charakter. Indessen hat die jetzige Leitung seit 1923 alles getan, um Zeit zu verlieren. Die Jahre 1923, 24, 25 sind im Kampf gegen die sogenannte „Überindustrialisierung" vergangen, unter welchem Namen man die Forderung der Opposition, das Tempo der Industrieentwicklung zu beschleunigen, verstand; gegen die Planwirtschaft und gegen das wirtschaftliche Voraussehen überhaupt. Die Beschleunigung des Industrialisierungstempo ging empirisch, stoßartig vor sich, wobei grob niedergerissen wurde, was die Kosten des Aufbaus vergrößerte und die Lage der arbeitenden Massen verschlechterte. Schon vor sechs Jahren forderte die Opposition die Ausarbeitung eines Fünfjahresplanes Damals fand diese Forderung Hohn, ganz im Sinn eines kleinen Hausherrn, der große Aufgaben und große Perspektiven fürchtet. Wir nannten das Menschewismus in der Ökonomie. Noch April 1927 behauptete Stalin z.B., dass die Hydrostation am Dnjepr für uns so wenig nötig sei wie das Grammophon für den Bauern, und er verneinte zugleich die Abhängigkeit des Tempos unseres wirtschaftlichen Entwicklung von der Entwicklung der Welt. Der Fünfjahresplan erschien mit einer Verspätung von fünf Jahren. Die Fehler, die Umbauten, die Verbesserungen der letzten Jahre gingen ohne einen allgemeinen Plan vor sich, und aus diesem Grunde allein hat die Leitung etwas gelernt. Man muss hierbei daran erinnern, dass der erste Entwurf eines Fünfjahresplanes, fertig gestellt im Jahre 1927, voll und ganz vom Geist der wirtschaftlichen Feigheit durchdrungen war. Dieser Entwurf wurde in der Plattform der Opposition einer unerbittlichen Kritik unterzogen. Nur unter dem Einfluss unserer Kritik, die sich auf die lebendigen Forderungen der wirtschaftlichen Entwicklung stützte, wurde der Fünfjahresplan im Laufe des Jahres von Anfang bis zu Ende umgeändert. Alle Gründe gegen die „Überindustrialisierung" wurden plötzlich verworfen. Der Apparat, der im Laufe einiger Jahre im Sinne des wirtschaftlichen Menschewismus gearbeitet hatte, erhielt den Befehl, alles das als Ketzerei anzuerkennen, was gestern als heilig galt, und umgekehrt, diejenigen Ketzereien, die gestern noch „Trotzkismus" genannt wurden, heute in offizielle Zahlen zu verwandeln. Der Apparat – Kommunisten und Spezialisten – war für diese Aufgabe absolut nicht vorbereitet: er war im direkten entgegengesetzten Sinne erzogen. Die ersten Versuche eines Widerstandes oder schüchterne Forderungen von Erklärungen begegneten sofort einer strengen Strafe. Wie soll's denn auch anders sein? Erklärungen würden bedeuten, dass man aufdecken muss, dass die Leitung ihr theoretischen Vorbedingungen verloren hat und ideell bankrott ist: Der Apparat fügte sich auch diesmal stillschweigend. Dem Leiter der Planarbeit wird folgende Formel zugeschrieben: "lieber stehen (d. h. auftreten) für ein hohes Tempo der Entwicklung, als sitzen (im Gefängnis) – für ein niedriges.“ Wenn der neue Plan unter der Knute ausgearbeitet worden ist. so ist es nicht schwer, sich vorzustellen, auf welche Widerstände er bei seiner Durchführung stoßen wird von Seiten jenes selben Apparates, von dessen Bestand neun Zehntel rechter sind als die offiziellen Rechten. Der linke Flügel, aus dessen Plattform die Grundideen des neuen Fünfjahresplanes abgeschrieben worden sind, verbleibt indessen auch weiterhin unter dem Hagel der Repressalien und Verleumdungen. Der Apparat lebt in der Erwartung neuer Änderungen und eines neuen Umschwunges, ohne sich sogar zu entschließen, den Verband der Dorfarmut zu Hilfe zu rufen. Die Partei wird jedes Mal vor vollendeter Tatsache gestellt. Der Apparat glaubt ihr nicht und fürchtet sie. Unter diesen Bedingungen sieht niemand in dem neuen Fünfjahresplan einen durchdachten und irgendwie gesicherten linken Kurs. Niemand als nur das Häufchen der Kapitulanten. Dasselbe muss man auch von der Politik der Komintern sagen. Von dem Bündnis mit Tschiang Kai-schek, von der Theorie des „Blocks der vier Klassen" von der Losung der Arbeiter-Bauernparteien, von der Freundschaft mit dem Generalrat, die den Generalstreik erdrosselte, ist die Komintern in 24 Stunden zu der Losung übergegangen; keinerlei Übereinkommen mit den Reformisten, Kampf gegen den Sozialfaschismus um die Eroberung der Straße. Der neue scharfe Zickzack ist auf der Theorie der „dritten Periode" aufgebaut, die anscheinend speziell angepasst ist, Illusionen zu säen, Abenteuer zu begünstigen und den neuen Umschwung – nach rechts vorzubereiten. Der 12. Jahrestag der Oktoberrevolution trifft somit die Sowjetrepublik und die Internationale unter den größten Schwierigkeiten und Widersprüchen, welche die Richtigkeit der marxistischen Theorie der sozialistischen Revolution beweist. Zusammen mit Lenin sind wir in die Oktoberrevolution, eingetreten mit dem tiefen Bewusstsein, dass der Umsturz in Russland keinen selbständigen und endgültigen Charakter tragen kann. Wir waren der Meinung, dass dieser Umsturz nur das erste Glied der Weltrevolution ist, wobei das Schicksal dieses Gliedes entschieden wird durch das Schicksal der ganzen Kette. Wir bleiben auf dieser Position auch jetzt. Die Erfolge des sozialistischen Aufbaus wachsen zusammen mit seinen Widersprüchen, und die Erfolge würden unweigerlich von den Widersprüchen übergeschluckt worden sein, – wenn nicht die Sowjetrepublik weiterhin durch die Erfolge der internationalen Revolution unterstützt worden wäre. Der Anschluss aus der Partei und die wütenden Verfolgungen des revolutionären Flügels in der Sowjetrepublik sind ein krasser politischer Ausdruck der Widersprüche der isolierten proletarischen Revolution in einem zurückgebliebenen Land. Wie paradox auch die Tatsache ist, dass die Bessedowski – und ihrer sind viele – zuerst die Rakowskis ausschließen und dann bei passender Gelegenheit zu den Wei0en übergehen, – so bleibt doch diese Tatsache gesetzmäßig. Spinoza lehrte: „Nicht lachen, nicht weinen, aber begreifen." Begreifen, um auch weiter für die Oktoberrevolution zu kämpfen. Das 13. Jahr wird ein Jahr der Zuspitzung der Widersprüche sein. Die entkräftete und erstickte Partei kann überrascht werden. Bei der ersten großen Schwierigkeit werden die Bessedowski aller Waffenarten das Haupt erheben Der zentristische Apparat wird zeigen, dass er ein Apparat ist – und weiter nichts. Der proletarisch Kern wird eine Leitung nötig haben. Diese Leitung wird nun die im Kampf erprobte kommunistische Linke geben können. Wir empfangen das 13. Jahr in der Verbannung, in den Gefängnissen, im Exil, aber wir empfangen es ohne den geringsten Pessimismus. Das Prinzip der proletarischen Diktatur ist in der Geschichte fest verankert. Es zeigte die gigantische Macht der jungen revolutionären Klasse, die von der Partei geführt wird, welche weiß, was sie will, und welche es versteht, ihren Willen mit dem Gang der objektiven Entwicklung in Einklang zu bringen. Diese zwölf Jahre haben gezeigt, dass die Arbeiterklasse sogar eines zurückgebliebenen Landes nicht nur ohne Bankiers, Gutsbesitzer und Kapitalisten auskommen kann, sondern dass sie auch fähig ist, der Industrie eine viel raschere Entwicklung zu geben als sie unter der Herrschaft der Ausbeuter gekannt hat. Diese zwölf Jahre haben gezeigt, dass eine zentralisierte Planwirtschaft unermessliche Vorteile vor der kapitalistischen Anarchie hat, wenn sie auch dargestellt ist durch mächtige Trusts, die sich bekämpfen All diese Eroberungen, all diese Beispiele, all diese Lehren sind unerschütterlich. Sie sind in das Bewusstsein und in die Praxis der Arbeiterklasse der Welt für immer eingegangen. Wir bereuen nichts und sagen uns von nichts los. Wir leben von den Ideen und Stimmungen, die uns in den Tagen des Oktobers 1917 bewegt haben. Über die zeitweiligen Schwierigkeiten hinweg schauen wir vorwärts. Wie auch die Windungen des Stromes sein mögen, er fließt doch zum Ozean Konstantinopel, 17. Oktober 1929 |
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