Leo Trotzki: Sitzung
der russischen, deutschen und österreichisch-ungarischen Delegationen (Politische Kommission) Sitzung am 31. Januar 1918 [Eigene Übersetzung nach Л. Троцкий. Сочинения. Том 17, часть 1. Москва-Ленинград, 1926, S. 76-78] [Czernin informiert, dass die ukrainische Delegation sich im Zusammenhang mit der bevorstehenden Diskussion der Frage der von den österreichisch-ungarischen Truppen besetzten Gebiete „als frei betrachtet, diese Fragen unabhängig zu diskutieren und zu lösen". Czernin bittet die russische Delegation, sich zu diesem Thema zu äußern.] Trotzki. Im Namen unserer Delegation und unserer Regierung protestiere ich kategorisch gegen die Forderungen der Kiewer Radadelegation, unabhängig und einseitig territoriale Fragen zu lösen. Zugleich, stelle ich fest, dass in der Sitzung, in der ich zum ersten Mal im Auftrag meiner Delegation in Gegenwart der Herren Delegierten aus Kiew die Notwendigkeit einer Vereinbarung über alle territoriale Fragen zwischen der Delegation der Kiewer Rada und unserer Delegation erklärte, die Herren Vertreter der Kiewer Rada keine Einwände gegen meine Aussage erhoben. Ich weiß nicht, wann und bei welchen Sitzungen die Herren Vertreter der Kiewer Rada ihr Recht erklärten, territoriale Fragen unabhängig zu lösen. Unser früherer Standpunkt wird heute durch die Teilnahme von zwei Vertretern des Allukrainischen Zentralen Exekutivkomitees in unserer Delegation noch bestärkt. Dies ist die formale Seite der Frage. Was die inhaltliche Frage anbelangt, denke ich auf der Grundlage der neuesten Informationen, insbesondere des Telegramms, das ich gerade erhalten habe, dass die Frage der Beteiligung der Kiewer Rada als unabhängige Delegation mehr auf die Vergangenheit als auf die Gegenwart und die Zukunft verweist. [Czernin fragt, ob die Ukraine laut der russischen Delegation das Recht habe, territoriale Fragen ohne eine vorläufige Vereinbarung „mit Petrograd" zu lösen.] Trotzki. Ich möchte Sie daran erinnern, dass als der Herr Vorsitzende der österreichisch-ungarischen Delegation in einer der Sitzungen, noch vor der Unterbrechung der Gespräche, mich fragte: Kann ich angeben, wo die strittigen und wo die unstrittigen Grenzen der Ukraine sind? Ich antwortete, dass solange die Grenzen zwischen der Ukrainischen Republik und der Russischen Föderation nicht mit Zustimmung beider Parteien festgelegt sind, alle territorialen Fragen einvernehmlich gelöst werden sollten. Es versteht sich von selbst, dass, wenn die Ukraine als eine völlig freie, von Russland unabhängige Republik besteht und bestehen würde, sie nach einer Abspaltung unabhängig alle Fragen ihrer staatlichen Existenz, einschließlich territorialer Fragen, lösen würde. Aber die ukrainische Regierung, die als Teil unserer Delegation vertreten ist und durch ihre Vertreter ihre Erklärung auf der nächsten Plenarsitzung verlesen wird, vertritt die Ansicht, dass die Ukraine Teil der Russischen Föderativen Republik gemäß der Entscheidung des letzter Allrussischer Sowjetkongress der Arbeiter-, Soldaten- und Bauerndeputierten ist. In diesem Sinne ist es notwendig, dass die Lösung der Frage nicht nur vom gegenwärtigen Stand der Dinge abhängt. Wenn früher das Abkommen zwischen uns und der ukrainischen Delegation notwendigerweise von den gegenwärtigen Verhältnissen bedingt war, so ist es um so notwendiger, im Zusammenhang mit der föderalen Struktur unserer Republik. [Kühlmann fragt nach dem Inhalt des vom Genossen Trotzki erwähnten Telegramms.] Trotzki. Das Telegramm informiert, dass die überwiegende Mehrheit der Kiewer Garnison auf die Seite der sowjetisch-ukrainischen Regierung übergegangen ist und dass die Frage des Fortbestandes der Rada eine Frage der nahen Zukunft ist.1 [Die endgültige Lösung des Problems wird auf die Plenarsitzung vom 1. Februar verschoben.] 1 Am 25. Januar wurde Kiew nach einem zehntägigen Kampf mit den Truppen der Zentralrada, von Sowjettruppen erobert. |
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