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Leo Trotzki 19171207 Gespräch des Volkskommissars für Auswärtige Angelegenheiten mit dem Höchsten Oberkommandierenden

Leo Trotzki: Gespräch des Volkskommissars für Auswärtige

Angelegenheiten mit dem Höchsten Oberkommandierenden

(24. November, 15 Uhr)

[„Prawda" Nr. 200, 26. November/9. Dezember 1917. Eigene Übersetzung nach Л. Троцкий. Сочинения. Том 3, часть 2. Москва-Ленинград, 1925]

Ist der Höchste Oberkommandierende am Apparat? Genosse Höchster Oberkommandierender! Wir schlagen vor, dass Sie einen Vertreter des ukrainischen Stabs in Ihrem Stab akzeptieren.1 In ähnlicher Weise schlagen wir vor, einen Vertreter des Zentralsekretariats in die allrussische Friedensdelegation einzubeziehen. Was die Schaffung einer vereinigten ukrainischen Front aus dem heutigen Südwesten und Rumänien angeht, so muss dieses Thema offen bleiben, bis die Feststellung des Willens aller interessierten Regionen demokratisch ermittelt ist. Wir stimmen Ihrer Politik voll und ganz zu: behindern Sie nicht die Bewegung der ukrainischen Einheiten von Norden nach Süden, soweit dies von der allgemeinen Situation der Front und des Transports, hauptsächlich der Interessen der Ernährung der ganzen Armee, her zulässig ist. In diesen Angelegenheiten gehört die Entscheidung Ihnen und Ihren Mitarbeitern. Die ukrainische werktätige Masse muss in der Tat verstehen, dass die allrussische Sowjetregierung die Selbstbestimmung der Ukraine nicht behindern wird, unabhängig davon, in welcher Form sich diese Selbstbestimmung letztlich entwickelt hat und dass die Anerkennung der Volksrepublik Ukraine durch die russische Macht die vollständigste und aufrichtigste ist. Wir halten es aber für notwendig, nicht nur den russischen, sondern auch den ukrainischen werktätigen Massen offen den Widerspruch zwischen der sozialistischen Politik der Sowjetregierung und der bürgerlichen Politik der Zentralrada zu zeigen, die tatsächlich, vielleicht gegen den Willen eines Teils von ihr, die Regierung der besitzenden Klassen in der Ukraine wird. Der Rat der Volkskommissare will nicht seinen Willen dem ukrainischen Volk aufzwingen. Aber zur gleichen Zeit ist er bereit, mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln die Sowjets der ukrainischen Arbeiter, Soldaten und armer Bauern in ihrem Kampf gegen die bürgerliche Macht und die bürgerliche Politik der Zentralrada zu unterstützen. Was die Aussage des Kosakenarmee-Kommissars im Stab angeht, ist sie grob unbegründet und sollte entschieden zurückgewiesen werden.

Kaledin führte das Kriegsrecht in der Don-Region ein. Die Bergarbeiter des Donez-Beckens stehen unter dem Joch des Kaledin-Regimes. In Rostow am Don installierte Kaledin, unterstützt von den Kadetten, Maschinengewehre auf den Dächern und terrorisierte die Stadt. In den Händen unserer gerichtlichen Untersuchungskommission gibt es Dokumente, die zweifellos Kaledins engste Verbindung zur monarchistischen Verschwörung Purischkewitschs bestätigen. In Anbetracht dieser Tatsachen hat die Sowjetregierung Maßnahmen ergriffen, um den kriminellen Aktionen der Kalediner und Kornilowisten ein Ende zu bereiten, die die durch den Krieg ruinierten und erschöpften werktätigen Kosaken täuschen und sie gegen ihre Brüder, die Soldaten, Arbeiter und Bauern ganz Russlands, stellen. Auf die gleiche Weise ergreifen wir im Ural Maßnahmen, um der konterrevolutionären Revolte Dutows ein Ende zu machen, eines Mitglied der Kosakenregierung, die sich auf die finanzielle Unterstützung der kadettischen Bourgeoisie stützte, die Garnison von Orenburg entwaffnete, das Exekutiv-, das militärische Revolutions- und Streikkomitees verhaftete, und abscheuliche Gewalt gegen revolutionäre Staatsbürger beging und auch Frauen nicht verschonte. Wir haben befohlen, keine Verhandlungen mit konterrevolutionären Verschwörern aufzunehmen, die im Interesse des Kosakenadels und der Bourgeoisie Hand in Hand mit Rodsjanko und Miljukow versuchen, im Ural und dann im gesamten Russland Blut zu vergießen. Wir bitten, den Kosaken klarzumachen, dass der Rat der Volkskommissare streng unterscheidet zwischen Kosakenoffizieren, Großgrundbesitzern und bürgerlichen Führern, die mit der gesamten russischen Konterrevolution zusammen sind, einerseits und den werktätigen Kosaken andererseits, denen zu helfen die Sowjetmacht mit allen dem Staat zur Verfügung stehenden Mitteln bereit ist. Die Sowjetregierung will ohne Einmischung in die Selbstverwaltung der Kosaken, ihre Sitten und Gebräuche zugleich den Aufstand der Kalediner, Kornilows und Dutows rücksichtslos zerschmettern, die mit den Volksfeinden – den Kadetten – zusammen sind, die wieder versuchen, um den Hals von Arbeitern, Soldaten, Bauern und Kosaken eine Schlinge zu werfen. Deshalb schlagen wir vor, Genosse Höchster Oberkommandierender, sofort nach Moskau, Rostow am Don und Orenburg solche Truppen zu bewegen, die ohne Schwächung unserer Frontlinie mächtig genug wären, um die konterrevolutionäre Meuterei der Kosakengenerale und der Kadettenbourgeoisie in der kürzest möglichen Zeit vom Angesicht der Erde zu wischen. Wir warten auf eine Antwort.

Volkskommissar Trotzki.

Die Frage der Kosakentruppen an der Front ist im Zusammenhang mit dem ausgesetzten Plan Duchonins über die Konzentration großer Kosakentruppen und ihrer Überführung an den Don, den Ural und den Fernen Osten akut. Staffeln sind an Stationen ohne Futter und Nahrung stationiert. Es ist unzweckmäßig, sie in das tiefe Landesinnere Russlands zu bringen, sie angesichts der äußerst feindseligen Haltung ihnen gegenüber an der Front zu lassen, ebenfalls. Darüber hinaus ist die Richtung der Rostower Staffeln mit der territorialen Verletzung der Grenzen der Ukraine verbunden. Das einzige, was getan werden kann, ist, diese Teile in der Frontzone zu lassen, während sie sich überall anständig betragen. Und gestern Abend bat eine Delegation, einen Appell für einen glimpflicheren Umgang der Truppen ihnen gegenüber zu machen. Was tun mit dem Kosakenkommissar, der die Erklärung abgegeben hat, und den Kommissaren in den Einheiten? Wie geht man mit der Bildung nationaler muslimischer, moldawischer, armenischer und polnischer Truppen um? Im Hinblick auf Letztere ist die Frage seit gestern eskaliert. Die Delegation akzeptiert meine Anweisungen, sie in einem bestimmten Gebiet zu konzentrieren und zu isolieren, aber die Regierungsorgane sind durch und durch bürgerlich. Während sie auf dem Standpunkt der Unabhängigkeit Polens stehen, lassen sie die Demokratisierung der Legionen nicht zu; in Verbindung mit meiner Ankunft und der Verbreitung des Dekrets über den Boden ist eine starke agrarische, rein klassenmäßige und antipolnische Bewegung entstanden2, die sich in einigen Fällen in ein Flüchtlingspogrom verwandelt. Es ist notwendig, eine prinzipielle Entscheidung über die Bildung nationaler Truppen zu treffen. An der Westfront wird die Frage abhängig von der Befragung der Soldaten selbst entschieden.

Ich gebe genaue Antworten auf alle Fragen.

Krylenko.

Fragen Sie die ukrainische Rada, ob sie sich verpflichtet sieht, im Kampf gegen Kaledin zu helfen, oder beabsichtigt, das Vorrücken unserer Staffeln an den Don als Verletzung ihrer territorialen Rechte zu betrachten. Die Antwort wird in der allgemeinen Information veröffentlicht. Die ganze Armee, einschließlich der Ukrainer, sollte wissen, dass die Sicherung des Donez-Beckens vor der Kaledin-Anarchie eine Frage auf Leben und Tod für die Revolution ist. In Bezug auf die Bildung nationaler Regimenter schlagen wir vor, dass keine politischen Hindernisse geschaffen werden und dass nur die Beschränkungen, die sich jetzt aus der Situation an der Front ergeben, erklärt werden, und jeder der interessierten Parteien die Ursache der Schwierigkeiten erklärt wird. Bei nationalen Regimentern ist es notwendig, eine starke und zuverlässige Verbindung in Gestalt von energischen und taktvollen Kommissaren herzustellen. Es ist notwendig, Maßnahmen zu ergreifen, um die sofortige Übersetzung aller Erlasse, Aufrufe und Befehle in die Sprache jedes nationalen Teils zu gewährleisten. In den von der Bourgeoisie angeführten nationalen Truppen ist es notwendig, sozialistische Zellen zu schaffen und enge Beziehungen zu unseren Truppen und Komitees herzustellen. Hier hofft die Bourgeoisie, dass die nationalen Truppen gegen uns sind, aber wir haben keinen Zweifel daran, dass Aufklärung über die Sowjetpolitik in nationalen und wirtschaftlichen Fragen und in der Frage von Krieg und Frieden den Boden unter den Füßen der Bourgeoisie wegziehen wird.

Ich wiederhole noch einmal die Notwendigkeit, die dringendsten Maßnahmen zu ergreifen, um die Rebellen von Ural und Don zu unterdrücken. Die lokalen und angrenzenden Garnisonen mobilisierten alle Kräfte, aber sie allein reichen nicht aus. Je früher diesem letzten Versuch des bürgerlichen und Großgrundbesitzer-Russlands der Kopf abgeschlagen wird, um so weniger Opfer wird es erfordern. Es wäre wünschenswert, dass in einem besonderen Befehl der Armee die Rolle der Kadettenpartei erklärt wird, die einerseits in die Konstituierende Versammlung kriecht, und andererseits den Kosakenaufstand im Hinterland anheizt. Die ganze Armee muss verstehen, dass der Sieg der Miljukows, Rodsjankos, Kaledins und so weiter die endgültige Versklavung des Volkes durch ihre eigene und die ausländische bürgerliche Oligarchie und die weitere Verlängerung des Krieges bedeuten würde. Das lebenswichtige Interesse jedes Soldaten ist die frühe Unterdrückung der Meuterei der Kadetten und Kosaken, deren direkte Aufgabe ist, die Waffenstillstands- und Friedensgespräche zum Platzen zu bringen.

Trotzki.

Ich möchte wissen, wie ich mit den Kosaken-Kommissaren beim Stab umgehen muss und welche Teile die Eingabe gemacht haben?

Krylenko.


Sie müssen dieses Problem selbst lösen, je nach den örtlichen Bedingungen, aber so, dass die schwankenden Elemente verstehen, dass die Sowjetbehörden nicht mit den Kaledin-Agenten scherzen werden, während diese das letzte Banditenmesser gegen die Revolution einsetzen.

Trotzki.

1 Leider wurden die Namen dieser Vertreter noch nicht festgestellt.

2 „In der Ukraine und in Weißrussland waren Gutsbesitzer, Kapitalist, Advokat, Journalist – Großrusse, Pole, Jude, Ausländer; die Landbevölkerung hingegen bestand durchweg aus Ukrainern und Weißrussen.” (Trotzki, Geschichte der russischen Revolution) [der Übersetzer]

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