Leo Trotzki: Bericht auf der außerordentlichen Sitzung des Petrograder Sowjets über die Beseitigung der Provisorischen Regierung (25. Oktober) [„Rabotschij Putj" Nr. 46, 26. Oktober/8. November 1917. Eigene Übersetzung nach Л. Троцкий. Сочинения. Том 3, часть 2. Москва-Ленинград, 1925, verglichen mit Leon Trotsky Speaks. New York 1972, S. 71-73] I Ich erkläre im Namen des Militärischen Revolutionskomitees, dass die Provisorische Regierung nicht mehr existiert. (Beifall.) Einige Minister1 wurden verhaftet. ("Bravo!"). Andere werden in den nächsten Tagen oder Stunden verhaftet. (Beifall.) Die revolutionäre Garnison, die dem Militärischen Revolutionskomitee zur Verfügung steht, löste die Sitzung des Vorparlaments auf. (Lauter Beifall. Ausruf: „Es lebe das Militärische Revolutionskomitee!") Man sagte uns, dass der Aufstand der Garnison im jetzigen Moment ein Pogrom verursachen und die Revolution in Blutströmen ertränken würde. Bisher ist alles ohne Blutvergießen abgegangen. Wir kennen keine Opfer. Ich kenne in der Geschichte keine Beispiele für revolutionäre Bewegungen, an denen so große Massen beteiligt waren, die so unblutig verliefen. Die Macht der Provisorischen Regierung unter Kerenskis Leitung war tot und wartete auf einen Schwung mit dem Besen der Geschichte, der sie wegfegen sollte. Wir müssen den Heroismus und die Selbstaufopferung der Petrograder Soldaten und Arbeiter betonen. Wir waren die ganze Nacht wach und sahen am Telefonkabel, wie die Abteilungen der revolutionären Soldaten und die Arbeitergarden leise ihre Arbeit erledigten. Der Spießbürger schlief friedlich und wusste nicht, dass zu dieser Zeit eine Macht durch eine andere ersetzt wurde. Die Eisenbahnstationen, Post, Telegraph, Petrograder Telegraphenagentur, Staatsbank sind besetzt. (lärmender Beifall.) Der Winterpalais ist noch nicht erobert, aber sein Schicksal wird in den nächsten Minuten entschieden. (Beifall.) Der Petrograder Sowjet der Arbeiter- und Soldatendeputierten hat das Recht, stolz auf die Soldaten und Arbeiter zu sein, auf die er sich stützt, die er in die Schlacht geführt und zu einem glorreichen Sieg geführt hat. Eine Eigenschaft der bürgerlichen und kleinbürgerlichen Regierungen besteht darin, die Massen zu täuschen. Zur Zeit werden wir, die Sowjets der Soldaten-, Arbeiter- und Bauerndeputierten, eine beispiellose Erfahrung in der Geschichte machen. die Erzeugung einer Macht, die keine anderen Ziele als die Bedürfnisse von Soldaten, Arbeitern und Bauern kennt. Der Staat muss das Werkzeug der Massen im Kampf um ihre Befreiung von Sklaverei sein. Die Arbeit kann nicht ohne die Einflussnahme der Sowjets ablaufen. Die besten Kräfte der bürgerlichen Wissenschaft werden verstehen, dass die von den Sowjets der Arbeiter, der Abgeordneten von Soldaten und Bauern geschaffenen Bedingungen die besten für ihre Arbeit sind. Es ist notwendig, die Kontrolle über die Produktion zu erlangen. Bauern, Arbeiter und Soldaten müssen das Gefühl haben, dass die Volkswirtschaft ihre Wirtschaft ist. Das ist das Grundprinzip der Machtbildung. Die Einführung des universellen Arbeitsdienstes gehört zu den unmittelbaren Aufgaben einer wirklich revolutionären Macht. Genosse Trotzki berichtet, dass auf der Tagesordnung der Bericht des Militärischen Revolutionskomitees und ein Bericht über die Aufgaben der Sowjetmacht stehen. Redner zur zweiten Frage wird Genosse Lenin sein. (Unaufhörlicher Beifall.) Genosse Trotzki berichtet, dass die in politischen Angelegenheiten Gefangenen freigelassen wurden und einige von ihnen bereits als revolutionäre Kommissare tätig sind. Genosse Sinowjew – berichtet Genosse Trotzki – wird auch Gast der heutigen Sitzung des Petrograder Sowjets sein. Im Namen des Petrograder Sowjets wurde nachts nach ganz Russland ein Telegramm über die Lage der Dinge geschickt. Radiotelegramme über den Fall der alten Macht und die bevorstehende Bildung eines neuen wurden an die aktive Armee geschickt. Die ersten Schritte der neuen Regierung sollten die folgenden sein: ein sofortiger Waffenstillstand an allen Fronten, die Landübertragung in die Hände der Bauern, die früheste Einberufung einer echten demokratischen Konstituierenden Versammlung. Der Aufenthaltsort des ehemaligen Ministerpräsidenten Kerenski ist unbekannt, aber wir glauben, dass er bald allen bekannt sein wird. Auf die Frage, wie sich die Front auf zu den Ereignisse verhält, antwortet Genosse Trotzki: Wir konnten nur Telegramme senden. Es gibt noch keine Antwort, aber wir haben oft Vertreter der Front gehört, die uns vorwarfen, bis heute keine entscheidenden Schritte unternommen zu haben. „In unserer Mitte befindet sich Wladimir Iljitsch Lenin, der aufgrund einer Reihe von Bedingungen noch nicht in unserer Mitte erscheinen konnte.“ Trotzki charakterisiert die Rolle des Genossen Lenin in der Geschichte der revolutionären Bewegung in Russland und verkündet: „Es lebe der Genosse Lenin, der zu uns zurückgekehrt ist!" II2 Eine der unmittelbaren Aufgaben des Militärischen Revolutionskomitees ist die Entsendung einer Delegation an die Front, um die Front mit der Revolution in Petrograd vertraut zu machen. Der Petrograder Sowjet sollte Kommissare aus seiner Mitte auswählen, um sie an die Front zu schicken. Das Militärische Revolutionskomitee, seine Mitglieder, können jetzt nicht berichten, weil sie immer mit dringender Arbeit beschäftigt sind. Ich kann berichten, dass gerade ein Telegramm eingegangen ist, dass Truppen von der Front nach Petrograd ziehen. Die Entsendung von Kommissaren ist notwendig; unsererseits wäre es ein Verbrechen, keine revolutionären Kommissare ins ganze Land zu schicken, um die breiten Massen über das Geschehen zu informieren. (Stimme: „Sie nehmen den Willen des Allrussischen Sowjetkongresses vorweg.") - Der Wille des Allrussischen Sowjetkongresses ist durch die große Tatsache des Aufstandes der Petrograder Arbeiter und Soldaten in der heutigen Nacht vorweggenommen. Jetzt können wir nur unseren Sieg ausbauen. 1 Von den Ministern wurden verhaftet: Prokopowitsch, Kischkin, Rutenberg, Paltschinski, Bernatzki, Konowalow, Maslow, Salazkin, Gwosdjew, Maliantowitsch, Nikitin, Werderewski und Tereschtschenko. 2 Dieser Auszug ist ein Bericht über die zweite Rede des Genossen Trotzki auf derselben Sitzung. |
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