Karl Radek: Die neue Regierung und das Vorparlament [Nach Bote der Russischen Revolution. Organ der ausländischen Vertretung des Zentralkomitees der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Russlands (Bolschewiki) Nr. 6, 20. Oktober 1917, S. 1-7] Der Umfall der kleinbürgerlichen Führer Wir stellten in der vorigen Nummer die Frage, wie es kommen konnte, dass nachdem die demokratische Konferenz mit 595 Stimmen gegen 493 die Koalition mit den Kadetten, dann sogar mit überwiegender Mehrheit die Idee der Koalition überhaupt abgelehnt hat, als Resultat derselben Konferenz ein Koalitionsministerium nicht nur mit den Kadetten, sondern sogar mit noch mehr rechts von ihnen stehenden Elementen zustande kommen konnte. Die Berichte der Petrograder Presse geben ein anschauliches Bild des Vorganges. Nachdem die Resultate der Abstimmung klar zeigten, dass selbst die vollkommen künstlich (zugunsten der kleinbürgerlich-opportunistischen Elemente) zusammengesetzte Versammlung sich gegen die Koalition mit den Kadetten aussprach, nachdem es also nur übrig blieb, zur Bildung der Regierungsgewalt ohne das kapitalistische Bürgertum zu schreiten, da erhob sich Zeretelli, der Führer der Menschewiki, stellte fest, dass die „Demokratie" gespalten ist und schlug Beratungen des Präsidiums über die Sachlage vor. Als Resultat der Beratungen des Präsidiums brachte Zeretelli eine Resolution ein, die vorerst die Verantwortung der zu bildenden Regierung vor einem zu bildenden Vorparlament feststellt, als Programm der Regierung die von Tschcheïdse im Namen aller demokratischen Organisationen in der Moskauer Beratung vorgelesenen Forderungen ankündigt. Für den Fall, dass sich die kapitalistischen Elemente bereit finden, dieses Programm und die Verantwortung der Regierung vor dem Vorparlament zu akzeptieren, und daraufhin mit ihnen zusammen eine Regierung gebildet werden sollte, sollen sie auch im Vorparlament eine Vertretung bekommen. Der Vorschlag Zeretellis bedeutete das vollkommene Fallenlassen der Beschlüsse der Konferenz. Die Konferenz hat bestimmte Klassen aus der Regierung ausgeschlossen, weil sie wusste, dass sie nicht imstande sind, das Programm der Demokratie und der sozialen Reformen durchzuführen. Miljukow hat das Friedensprogramm der russischen Revolution – Friede ohne Annexionen und Kontributionen auf Grund des Selbstbestimmungsrechtes – angenommen, um es – eingestandenermaßen – zu sabotieren Eine Koalition mit einer konterrevolutionären Partei auf Grund eines revolutionären Programms ist ein Betrug der Volksmassen, weil sich die kapitalistische Klasse niemals betrügen lässt. Sie hat als sozial herrschende Klasse ein viel mehr entwickeltes Klassenbewusstsein ab die Volksmassen. Der Vorschlag Zeretellis auf Bildung eines Vorparlamentes, das eine Miniatur der demokratischen Beratung sein sollte und dazu noch durch die Hereinziehung der kapitalistischen Elemente noch mehr zu Ungunsten der Demokratie umgestaltet werden sollte, war ein bewusster Schlag gegen die Sowjets, diese Organe der aktiven revolutionären Schichten. Und trotzdem stimmte die überwiegende Mehrheit der kleinbürgerlichen Demokratie für die Resolution. Sie wich feige zurück vor der Aufgabe, vor die sie der eherne Gang der Ereignisse stellt: vor der Aufgabe der Rettung Russlands zusammen mit der Arbeiterklasse und im Gegensatz zu der kapitalistischen Bourgeoisie. Die ganze Vergangenheit dieser von der Geschichte zum Tode verurteilten Klasse, das ganze Misstrauen der bürgerlichen Intelligenz in die Kräfte der Volksmassen, ihr Hass auf die revolutionäre Partei des Proletariats kam darin zum Ausdruck. Und in dieser Stunde der Gefahr zeigte es sich, dass selbst die sog. Menschewiki-Internationalisten Bein vom Beine, Fleisch vom Fleische der kleinbürgerlichen Demokratie sind. Sie protestieren gegen die sozialpatriotische Politik ihrer Partei und verbleiben in ihr. Das bedeutet, dass ihr näher seid den Sozialpatrioten, als uns den revolutionären Sozialdemokraten! – erklärten wir ihnen immer. Nein, wir bleiben einstweilen in der menschewistischen Partei, um von ihr die Arbeitermasse zu trennen, erklärten sie und zwinkerten mit den Augen. In dem Moment der Entscheidung schlagen sie sich auf die Seite der von ihnen so lange bekämpften Koalitionspolitik. Sie sind weiterhin, erklären sie, gegen die Koalitionspolitik, aber da die Resolution die Verantwortung der Regierung und das Vorparlament enthält, stimmen sie für die Resolution im Ganzen. Es ist praktisch sehr gleichgültig, wie die paar Räsonneure um Martow sich entscheiden. Sie stellen keine Kraft dar und werden mit jedem Tag mehr zermahlen zwischen den Mühlsteinen des Klassenkampfes: nicht nur von den Arbeitern werden sie verlassen sondern selbst von führenden Männern, die, wie J. Larin, zu verstehen beginnen, dass es nur ein Hüben und Drüben gibt. Aber trotzdem ist die Abstimmung der Martowleute von symptomatischer Bedeutung: sie zeigt, wie tief die Abhängigkeit vom Bürgertum, die revolutionäre Skepsis in die Reihen der kleinbürgerlichen Demokratie eingedrungen ist. Selbst ihr äußerer linker Flügel, der sich theoretisch von ihr getrennt hat, spitzt den Mund in dem Moment, wo es zu pfeifen gilt, und bleibt schließlich bei der Bourgeoisie, d. h. geht gegen das Proletariat. Im Namen der bolschewistischen Vertretung auf der demokratischen Beratung und im vollem Einvernehmen mit dem Zentralkomitees der Partei las Genosse N. Rjasanow eine Erklärung vor in der gesagt wir, die Bolschewiki hätte bei der Schlussabstimmung den Saal verlassen, um den Massen zu zeigen: „dass sie in dem neuen Handel auf Kosten der Volksinteressen keinen Anteil annahmen". Weiter führt die Erklärung aus: „Was das Vorparlament oder die demokratische Beratung anbetrifft, so stellen wir fest: 1) ihre Zusammensetzung ist künstlich festgesetzt zu Ungunsten der Bauern, Soldaten und Arbeiter; 2) dass dank dieser Zusammensetzung die Organisatoren des Vorparlamentes als ihre Aufgabe nicht die Bildung einer demokratischen Macht, sondern die Suche – wie vorher – nach einem Kompromiss mit der Bourgeoisie, die durch die Kadettenpartei geleitet wird, ansehen, Mit noch größerem Nachdruck als bisher treten wir jetzt nach der Erfahrung der demokratischen Beratung für die Übergabe der ganzen Macht im Zentrum u. in den Orten an die Sowjets und wir fordern sie auf, in nächster Zeit einen allgemeinen Kongress vorzubereiten. Ins Vorparlament senden wir unsere Vertreter, um auf diesem neuen Boden der Kompromisse die Fahne des Proletariat zu entfalten, um alle Versuche des Techtelmechtels zu demaskieren, und den Sowjets die Bildung einer wirklich revolutionären Macht zu erleichtern die imstande sein wird in Wirklichkeit die schnelle Einberufung der Konstituierenden Versammlung zu garantieren." Eine analoge Erklärung gab in Namen der linken Soz. Rev. Ustinow ab. Der Verrat der kleinbürgerlichen Führer Nachdem die Zeretelli, Hotz, Awksentjew vor dem russischen Volke und der Weit feierlichst das Bekenntnis abgelegt haben, dass nach ihrer Überzeugung die Arbeiter- und Bauernmasse nicht imstande ist, sich gegen die Gefahren der kapitalistischen Konterrevolution ohne Hilfe des Kapitals zu verteidigen, d. h. nachdem sie die Unterwerfung unter das Kapital vor der Schlacht mit ihm proklamierten, gingen sie zur Sitzung in das Winter-Palais, wo ihrer nicht nur Herr Kerenski, sondern auch die Kadettenführer Nabokow und Andschenow, die Kandidaten auf den Ministerposten Tretjakow, Konowalow usw. warteten. Womit kamen die Führer der kleinbürgerlichen Demokratie? Sie brachten der Bourgeoisie den Verzicht auf eine antikapitalistische Regierung. Was forderten sie dafür? „Zwei Forderungen vereinigen die große Mehrheit der Demokratie: die des Programms und der Verantwortung der Regierung. Andere Fragen in denen wir uns nicht einigen können, sind diesen untergeordnet. Die Regierung muss gebildet werden aus allen den Schichten, die fähig sind dieses Programm zu verwirklichen unter Verantwortung vor dem Vorparlament." Und diese Auffassung Zeretellis wurde dann zur Resolution der Mehrheit der demokratischen Versammlung erhoben. Das Aktionsprogramm Tschcheïdses aus der Moskauer Beratung und die Verantwortlichkeit der Regierung vor dem Parlament, das war alles, was die kleinbürgerliche Demokratie aus den Stürmen der Revolution rettete: das Aktionsprogramm Tschcheïdses – das die Gewerkschaften nicht unterzeichnen wollten, weil es opportunistisch ist – u. den Ruf, dass Kerenski, ihre eigene Kreatur, nicht auf eigene Faust wirtschafte! Sie traten freundlich in das Winterpalais ein mit den Worten Mephistos: Ihr Mann ist fort und lässt sie grüßen. Aber Herr Kerenski kümmerte sich nicht mehr um die Kunde von der Wiedererwachung der Koalition. Die hatte er in der Tasche. Er erklärte den verdutzten Wundermännern: wenn ihr die Kunst kennt, verscharrte Leichname auferstehen zu lassen, ja wenn ihr ihnen die Regierung über Lebende geben wollt, so kann ich eine noch größere: ich kann mein eigener Vater sein und wenn das Ende meines Lebens naht, mich in neuer Jugend herstellen Und weil ich das kann was brauch ich eure Kunststücke und eure Kontrolle? Ich kontrolliere mich selbst. Man glaube nicht, dass wir Späße treiben. Hier die Erklärung Kerenskis an die Zeretelli & Co: „Es ist notwendig die Idee der Einheit der Quelle der Macht zu schützen, die von der Revolution des 12. März stammt, wie die nationale Einheit und die Unabhängigkeit der Regierung von irgendwelchen Organisationen. Von diesen Standpunkt gehört die Ergänzung der Regierung allein ihr selbst. Von diesen Standpunkt ist jede Usurpation irgendwelcher Rechte des Volkes und die Lösung der grundsätzlichen Fragen bis zur konstituierenden Versammlung unerlaubt. In ihrer Tätigkeit nahm die Regierung immer nur die Programme in Betracht, die in ihrer eigenen Mitte ausgearbeitet waren, indem sie die Interessen aller Schichten kombinierte, die an der Unterstützung der republikanischen Gewalt interessiert sind. Ich halte die Publizierung neuer ausführlicher Deklarationen für eine müßige Arbeit. Die provisorische Regierung kehrte zurück zu ihrer eigenen Idee der Einberufung einer besonderen provisorischen Beratung, die selbstverständlich den Willen der Konstituierenden Versammlung nicht vorwegnehmen kann und keine Funktionen und Rechte eines wirklichen Parlamentes haben darf. Die Regierung kann nicht vor einer solchen Beratung verantwortlich sein. Deswegen gehört die Organisation wie die Zusammensetzung dieser Beratung zur Kompetenz der Regierung, die zur Beratung die Vertreter verschiedener Klassen heranziehen wird." So sprach Zar Alexander Fjodorowitsch Kerenski zu seinen Lakaien Zeretelli, Hotz, die ihn im Namen der demokratischen Beratung zu zähmen kamen. Und was antworteten die Vertreter der kleinbürgerlichen Demokratie auf diese Reitpeitschenhiebe ihrer eigenen Kreatur? Wiederholte vielleicht Zeretelli seine Worte aus der demokratischen Versammlung, Kerenski sei auf den Höhen, auf die ihn die Demokratie gestellt hat, vom Schwindel ergriffen? Unterbrach Zeretelli die Verhandlungen und erklärte er der demokratischen Beratung, ihre Resolution sei undurchführbar, weil ihr Mann, Kerenski selbst, sich wieder zum Diktator ernannt hat. Nein. Zeretelli sagte nichts von alldem und tat nichts von alldem. Er erklärte sich einverstanden mit der Auffassung Kerenskis von der Quelle der Macht, das heißt mit der faktischen Unabhängigkeit der Regierung von der revolutionären Demokratie, er forderte nur, dass diese Regierung im Kontakt und unter der Kontrolle der Demokratie arbeite. Das Vorparlament müsse das Recht haben, der Regierung Vertrauen und Misstrauen auszudrücken. Kerenski erklärt auf diese Bitten des kaukasischen Marquis Posa um Freiheit der Meinungsäußerung trocken, die Regierung werde das Programm vertreten, das sie in Moskau vertreten hat, d. h. das Programm, das sie zusammen mit den Sawinkow und anderen Kornilowleuten ausgearbeitet hat. Der Vertreter der Moskauer Industriellen Tretjakow stellte alle Punkte über dem i, damit ja nicht Zeretelli und die seinen versuchen, sich unwissend zu stellen: „Das was Kerenski gesagt hat, ist annehmbar für die Klasse, die ich vertrete. Aber der Standpunkt Kerenskis ist nicht der der demokratischen Beratung. Diese hat sich gegen die Koalition ausgesprochen. Weiter: Kerenski sagt, man könne ohne Programm auskommen, während die Beratung auf dem Programm Tschcheïdses besteht. In der Frage, des Vorparlamentes gibt es auch keine Einheit. Die Meinungsunterschiede in dieser Frage beginnen bei der Organisation des Vorparlamentes und sie enden bei seinen Funktionen. Zwischen den Standpunkte Kerenskis, der von den kapitalistischen (zensowyje) Elementen geteilt wird, und der Auffassung der demokratischen Beratung gähnt ein Abgrund." Die Herrn Sozialpatrioten begannen über den Abgrund zu hüpfen. Der Soz. Rev. Rudnew erklärte, dass das Vorparlament nur ein Mittel der Rückendeckung für die Regierung sein wird. Was braucht man über die formelle Seite zu tüfteln – erklärte Awksentjew. Gwosdjew erklärte, dass es eigentlich blödsinnig sei, irgend welches Regierungsprogramm aufzustellen: „die einzige Aufgabe“ – erklärte dieser zur Blüte des Menschewismus gehörende Kandidat auf das Amt des Arbeitsministers – „ist die Rettung des Staates und der Kampf gegen die Anarchie". Hotz erklärte, dass das Vorparlament nur einen Schatten des Vollzugsausschusses der Sowjets darstellen wird, aber trotzdem muss man es bilden, um den Bürgerkrieg zu vermeiden. Schließlich erklärte Tschcheïdse, dass es ihm schon übel wird von den vielen Worten". Das war ein Schmerzensruf. Die Führer der kleinbürgerlichen Demokratie waren schon bereit der Bourgeoisie die Stiefel zu putzen, sie baten nur, man solle ihnen doch erlassen, das in aller Ausführlichkeit zu deklarieren. Schließlich als die Bürgerlichen nicht nachließen würgte Zeretelli seine Zustimmung zu der formellen Unabhängigkeit der Regierung von dem Vorparlament hervor. Die erste Hauptforderung der demokratischen Beratung wurde durch ihre Vertreter somit fallen gelassen. Jetzt kam die Reihe auf das Programm Tschcheïdse. Punkt pro Punkt wurde es seines Inhaltes beraubt. Bei der Besprechung des Steuerprogramms wurde zwar die Vermögenssteuer zur Beschaffung irgendwelcher Mittel für die leere Staatskasse akzeptiert, aber der Hinweis auf ihre Hohe rausgeworfen. Bei der Besprechung des Agrarprogramms erklärten die Kadetten und die Moskauer Industriellen es für absolut unakzeptabel, dass der Grund und Boden gemäß dem Programm Tschcheïdse in die Verwaltung der Bauernkomitees übergehe. „Die Vertreter der Demokratie verzichteten darauf" – heißt es im offiziellen Bericht. Die Forderung der Wahl der Regierungskommissare durch die Bevölkerung wurde fallen gelassen. Gegen das Selbstbestimmungsrecht der Russland bewohnenden Völker wandten sich die Kadetten ultimativ. „Schließlich wurde dieser Punkt folgenderweise formuliert: Es wird die Notwendigkeit der Herausgabe einer Regierungsdeklaration anerkannt, die die Anerkennung des Selbstbestimmungsrechtes auf den Grundlagen, die von der Konstituierenden Versammlung ausgearbeitet werden, ausspricht". Der objektive Betrug, den die kleinbürgerliche Politik darstellt, verwandelte sich hier in den bewussten, subjektiven. Die Tschcheïdse, Zeretelli, Hotz streuen Sand in die Augen der Masse, deren Interessen sie verraten. Möge jetzt jemand einwenden, dass der Titel des Artikels Lenins, den wir an der zweiten Stelle bringen, auch nur um ein Jota übertreibt, dass die Führer der kleinbürgerlichen Demokratie keine Schwindler, ja keine Helden des Schwindels sind. So wenn sie auf Proteste der Kadetten hin einwilligen, dass Schritte, die auf Einführung der Autonomie hinzielen, unterbleiben sollen, wogegen bei der Regierung in Komitee zu bilden ist, das … Material zur Beleuchtung der nationalen Frage sammeln soll. Bei der Besprechung der Rolle des Vorparlamentes wurde die formelle Verantwortung der Regierung „fast ohne Debatten" abgelehnt; die Herrn kleinbürgerlichen Demokraten forderten – moralisch wie sie immer sind – die Anerkennung der moralischen Verantwortung der Regierung. Aber die Kadetten antworteten Ihnen: über Moral wird nicht abgestimmt. „Die Vertreter der Demokratie machten nach langen Debatten Zugeständnisse in diesen Punkte. Es wurde keine Verantwortung der Regierung vor dem Parlament festgesetzt." Zum Schluss forderten die Zeretelli & Co., die Auflösung der Duma. Irgend was wollten sie doch bringen. Auch diese ihre Forderung wurde abgelehnt. Von den Forderungen der Demokratischen Beratung ist nichts geblieben, Sie hat verzichtet darauf, eine Regierung aus Vertretern des Proletariats und des Kleinbürgertums zu bilden Sie hat sich der kapitalistischen Bourgeoisie ausgeliefert. Und das Kapital nahm sie bei der Gurgel, stellte ihr den Fuß auf die Brust und entriss ihr alles. Es ging nach allen Regeln des Klassenkampfes zu. Pardon wurde nicht gegeben. Über die Deklaration der neuen oktobristisch-Kadetten-Menschewiki-Soz.-Rev.-Regierung auch ein Wort zu verlieren, erübrigt sich nach dieser ihrer Vorgeschichte vollkommen. Wir wollen nur zwei Pressestimmen zitieren, Die Rabotschaja Gaseta, das Organ der Menschewiki schreibt, die „Deklaration der Regierung stehe auf dem Boden der demokratischen Platform des 14. August (der Erklärung Tschcheïdse); man müsse als einen gro0en Sieg der Demokratie die große Anzahl wesentlicher Zugeständnisse seitens der bürgerlichen Elemente anerkennen." Die Rjetsch aber höhnt am gleichen Tage: „Die Demokratie braucht Worte. Dieses geflügelte Wort ist erbarmungslos, aber wahr. Es sind Ihnen Worte nötig. Geschriebene oder ausgesprochene. Es ist ihnen ein Laut nötig, die äußere Form. Nur die, die es nach Worten gelüstet, können sich mit ihnen begnügen … Es ist selbstverständlich, dass der größere Teil der versprochenen Reformen einstweilen auf dem Papier bleiben wird – ohne den Willen der Konstituierenden Versammlung vorwegzunehmen." Vor neuen entscheidenden Kämpfen „Das Vorparlament bedeutete eine Rückendeckung der Regierung" – erklärte Awksentjew, der Führer des rechten Flügels der Soz.-Rev.. „Es ist nur ein Schatten des Vollzugsausschusses der Sowjets" – erklärte sein Gesinnungsgenosse Hotz. Aber wenn es dem Vollzugsausschuss der Sowjets bisher nicht gelungen ist, nicht nur der Regierung, sondern sich selbst den Rücken zu decken – er steht doch vor dem Übergang an die Bolschewiki –, so wird es desto weniger seinem Schatten gelingen. Pallas Athene hüllt ihre Schützlinge in den männermordenden Schlachten unter Trojas Mauern in den Mantel von Schatten und Nebel, um sie vor dem todbringenden Speer zu retten. Homer bezeugt, dass es ihr gelingt. Aber die Awksentjews sind keine Götter und der Sturm der Revolution zerzaust ihre Schatten und Nebel und die Arbeiter und Bauernmassen sehen, wer sich hinter ihnen verbirgt: die geschworenen Feinde der plebejischen, notleidenden Massen. Das Vorparlament, das dem Trug dienen sollte, wurde schon in der erster Sitzung in ein Instrument der Aufklärung der Massen verwandelt. Als Zeretelli aus der Beratung, in der die Regierung gebildet wurde, zurückkehrte, legten die Bolschewiki nach einen wuchtigen Protest gegen die verräterische Politik eine Resolution vor, in der die Regierung aufgefordert wird, sofort die Todesstrafe aufzuheben und die Duma aufzulösen. Die rechten Menschewiki und Soz.-Rev. erklären, das würde die erst geschlossene Koalition sprengen. Trotzki bestätigt ihnen, dass es eben der Zweck der Resolution ist, entweder die Koalition zu sprengen oder den Massen zu zeigen, dass sie für sie die Beibehaltung der Todesstrafe bedeutet. Leben für das Kapital, Tod den revolutionären Arbeitern und Soldaten – das ist die Koalition. Die Rechten Menschewiki und Soz.-Rev. gehen durch dieses kaudinische Joch hindurch. Sie lehnen die bolschewistische Resolution ab. Da werden sie von den Linken Soz.-Rev. vor eine neue Probe gestellt. Diese bringen eine Resolution ein, die von der Regierung fordert, sie solle bis zum Zusammentritt der Konstituierenden Versammlung den Grund und Boden den Bauernkomitees zur Verwaltung übergeben. „Wir wollen sehen ob der Vorsitzende des Bauerndelegiertenrates Awksentjew dagegen stimmt, dass Grund und Boden sofort an die Bauern übergeht" ruft man von den Rängen, der Linken Soz.-Rev. Die Resolution wird abgelehnt. Die Zentrum der Soz.-Rev. unter Leitung Tschernows stimmt mit der Linken. Die Resolution Dans, die die neue Regierung anerkennt, aber ihre Verantwortung vor dem Vorparlament fordert, eine Resolution, die den Gipfel des Betrugs darstellt, weil die Hotz und Zeretelli eben in den Verhandlungen mit Kerenski und den Kadetten selbst auf die moralische Verantwortung der Regierung verzichtet haben wird mit 109 Stimmen gegen 75 angenommen. Das Vorparlament ist schon diskreditiert, bevor es zu leben begann. Dies zu tun, ist die einzige Aufgabe der Linken in ihm. In der bolschewistischen Partei bestanden Meinungsunterschiede darüber ob man ins Vorparlament gehen soll. Trotzki, wahrscheinlich, auch Lenin, waren dagegen, die Mehrheit der Parteivertretung war dafür, aber sie stellte der Teilnahme der Bolschewiki an den Verhandlungen als einziges Ziel, die Politik der Regierung und der sie unterstützenden Parteien zu demaskieren. Die aus 66 Mitgliedern bestehende bolschewistische Fraktion – es gehören ihr unter anderen Kamenew, Stalin (guter Kenner der Nationalitätenfrage), Miljutin, Bucharin Bogoljepow (junge tüchtige Volkswirtschafter), Nagin, der Vorsitzende des Moskauer Sowjet, Pjatakow, ein tüchtiger Kenner der Nationalitätenfrage, Micha Tschakaja, einer der Gründer der kaukasischen Sozialdemokratie und Lehrer Tschcheïdses, Saweljew, der Leiter der theoretischen Revue der Partei; von den unserer Partei neu angeschlossenen Gruppen ist Gen. Trotzki, Rjasanow, der Vorsitzende der allrussischen Gewerkschaftskommission, Uritzki, das frühere Mitglied des sog. Organisationskomitees, Sokolnikow, der Redakteur des Pariser Nasche Slowo, seine Redaktionskollegen Manuilski und Losowski zu nennen; Genosse Leschtschinski und Dzierżyński vertreten die beiden Teile der Sozialdemokratie Russisch-Polens, Stuczka, die lettische Sozialdemokratie – wird diese Aufgabe ganz gewiss erfüllen. Es ist die Aufgabe der Massen auf das Urteil die Exekution folgen zu lassen. Die Haltung der Massen in der Provinz wie in Petrograd, lässt annehmen, dass sie nicht lange auf sich warten lassen wird. „Die Volksmassen gehen immer mehr links, die Regierung immer mehr rechts! Was bedeutet das? Sie haben es immer dem Zarismus erklärt, Bürger Kerenski! Es bedeutet eine neue Revolution" – schreibt im Zentralorgan der Bolschewiki Grigori Sinowjew Die Rjetsch fordert die Verhaftung Trotzkis und der anderen Sowjetführer, weil sie offen die neue Revolution predigen. Die Regierung soll nur den Weg betreten. Sie wird nicht nur die Führer des Petrograder, Moskauer, des all-kaukasischen, der finnischen, Kronstädter, Oddessaer, Jekaterinburger, Donetzer. Kiewer, Baku, Revaler, sibirischen Sowjets. die alle auf unserem Boden stehen, arretieren müssen, sie wird mit den hinter ihnen stehenden Arbeiter- und Soldatenmassen zu tun haben. Also sie mag als erste schießen. |
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