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Leipziger Volkszeitung 19030611 Aus der Wahlbewegung

Leipziger Volkszeitung: Aus der Wahlbewegung

[Leipziger Volkszeitung, 10. Jahrgang, Nr. 131 (Donnerstag, 11. Juni 1903), S. 3, Sp. 3, verglichen mit der Wiedergabe in Gesammelte Werke, Band 6, Berlin 2014, S. 486]

Im 17. Wahlkreise greift für unseren erkrankten Genossen Auer die Genossin Luxemburg in überaus wirksamer Weise in den Wahlkampf ein. Die Rednerin, deren Versammlungen namentlich von Frauen sehr zahlreich besucht sind, bespricht die politischen Verhältnisse so scharf, dass es selbst den überwachenden Beamten unheimlich wird. Am Sonnabend sprach unsere Genossin in Glauchau. Als sie die Pumpwirtschaft im Deutschen Reiche erläuterte und dabei bemerkte, dass das Steigen der Schulden unter dem jetzigen Kaiser besonders auffällig sei, fand es der Herr Überwachende für gut, den Vorsitzenden aufzufordern, die Rednerin zu veranlassen, den Kaiser aus dem Spiele zu lassen. Das gab Anlass zu einem kleinen Renkontre zwischen dem Überwachenden und der Referentin, aus welchem die Letztere als der beschlagenere Teil hervorging. Nicht so günstig verlief eine Versammlung am Sonntag in Mülsen-St. Niklas im Freien. Als die Referentin die Worte des Kaisers von der guten und gesicherten Existenz der deutschen Arbeiter zitierte, wurde ihr das Wort entzogen. Die Referentin erklärte, dazu liege gar kein Grund vor. Darauf wurde die Versammlung aufgelöst. Mit der Auflösung wurde nur erreicht, dass die Versammelten, die hier wie die Mauern dicht zusammenstanden, vom lebhaftesten Unwillen erfüllt auseinandergingen. Am Montag sprach die Genossin Luxemburg in Meerane. Zu gleicher Zeit tagte hier eine andere Versammlung, in der die Genossin Steinbach-Hamburg referierte. In beiden Versammlungen ernteten die Rednerinnen stürmischen Beifall.

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