Exekutivkomitee der Kommunistischen Internationale 19200518 An die Proletarier aller Länder!

Exekutivkomitee der Kommunistischen Internationale:

An die Proletarier aller Länder!

[Manifest, Richtlinien, Beschlüsse des Ersten Kongresses. Aufrufe und offene Schreiben des Exekutivkomitees bis zum Zweiten Kongress. Hamburg 1920, S. 274-278]

Arbeiter aller Länder! Von neuem wird im Osten Blut vergossen, von neuem werden riesige Gebiete durch Kriegsoperationen verheert, von neuem sind die werktätigen Massen Russlands, die nach Frieden lechzen, die danach begehren, an der Wiederherstellung und dem Wiederaufbau ihres Landes zu arbeiten, gezwungen, nach den Waffen zu greifen. Der Krieg des kapitalistischen und gutsherrlichen Polen gegen Sowjetrussland unterbricht die friedliche aufbauende Arbeit, an die die Arbeiter und Bauern Russlands gegangen sind, nachdem sie ihr Land, ihre Fabriken, ihre Freiheit gegen Koltschak, Denikin und Judenitsch behauptet haben.

Wer ist der Urheber dieser Verbrechen? Ihr wisst, dass die Sowjetregierung die Unabhängigkeit der polnischen Republik vom ersten Tage ihrer Entstehung anerkannt hat. Ihr wisst, dass die Sowjetregierung zu wiederholten Malen der polnischen Regierung Friedensvorschläge gemacht hat. Ihr wisst, dass die Sowjetregierung, um das Blut der russischen und polnischen Arbeiter zu schonen, bereit war zu Zugeständnissen territorialen und ökonomischen Charakters, dass sie in der festen Überzeugung, dass die polnischen Arbeiter, die Verbündeten das russischen Proletariats, früher oder später die Macht ergreifen und jede Ungerechtigkeit beseitigen werden, bereit war, den polnischen regierenden Klassen vorläufig sogar Territorien abzutreten, die ihrer Bevölkerung nach nicht zu Polen gehören. Ihr wisst, dass sie bereit war, Friedensverhandlungen nicht nur in Warschau zu führen, sondern sogar in London oder Paris, den Hauptstädten der Regierungen, die mit den polnischen Gutsbesitzern und Kapitalisten verbunden sind. Polen hat auf den Vorschlag Sowjetrusslands, einen allgemeinen Waffenstillstand abzuschließen und in Friedensverhandlungen einzutreten, mit einem verräterischen Angriff auf die Ukraine geantwortet, einem Angriff unter der Fahne der Wiederherstellung der Macht Petljuras, eines Abenteurers, der sich der Reihe nach den verbündeten Kapitalisten und dem deutschen Imperialismus verkauft hat und der, zu wiederholten Malen von den Arbeitern und Bauern der Ukraine gestürzt, sich jetzt den polnischen Gutsbesitzern, den uralten Unterdrückern des ukrainischen Volkes, zur Verfügung gestellt hat. Polen führt diesen Krieg, um das Land des ukrainischen Bauern zu rauben und es den polnischen Gutsbesitzern zu übergeben. Polen kämpft, um Sowjetrussland, das durch die Überfälle des verbündeten Kapitals ruiniert ist, eine ungeheure Kontribution aufzuerlegen.

Aber Urheber dieses Krieges sind nicht nur die polnischen Gutsbesitzer und Kapitalisten. Urheber sind gleichzeitig auch die Regierungen der Entente. Sie sind es, die das weißgardistische Polen bewaffnet haben und es bewaffnen. Während sie mit Sowjetrussland die Verhandlungen über den Handel fortsetzen, haben sie zu gleicher Zeit die Hoffnung nicht aufgegeben, dass sie die Macht der Arbeiter und Bauern Russlands brechen werden. Mit Hilfe des Handels mit Sowjetrussland hoffen sie dieses von innen zu zersetzen. Aber zugleich gewinnt unter ihnen die Hoffnung Oberhand, dass es ihnen gelingen werde, im Augenblick, wenn wieder irgendwelche gegenrevolutionäre Kräfte gegen das Arbeiter- und Bauernrussland auftreten, das russische Proletariat und die russische Bauernschaft ins Joch zu spannen. Die französischen Kapitalisten haben nach Polen nicht nur eine ungeheure Menge Waffen geschickt, sondern auch 600 Offiziere (mit dem General Henri an der Spitze), die den polnischen Offizieren helfen sollen, Sowjetrussland zu zertrümmern. Die englische Regierung könnte durch einen Druck auf Polen, durch ein festes Wort: „Genug der Kriege, genug der Verheerungen, die ganze Welt braucht Russland als Kornkammer und Rohstoffquelle“ – diesem Kriege Einhalt gebieten, aber die Regierung Lloyd Georges, die der Sowjetregierung Noten schickt, in denen sie an ihre Humanität appelliert und Amnestie für die russischen Gegenrevolutionäre in Archangelsk und in der Krim fordert, hat nicht einmal daran gedacht, Polen zu sagen, dass genug Blut und Tränen geflossen seien. Die polnischen Banditen haben der Regierung Lloyd Georges versprochen, ihr aus der von ihnen besetzten Ukraine die nötige Menge Korn und Rohstoffe zu liefern, und das hat dazu genügt, dass die Regierung Englands, die heuchlerisch die Verhandlungen über den Handel mit Sowjetrussland fortsetzt, dem weißen Polen in seinem Kampfe gegen Sowjetrussland freie Hand lässt. Die italienische Regierung Nittis, die aus Furcht vor den revolutionären Massen beständig ihren Freundschaftsgefühlen für Russland Ausdruck gibt, hat es nicht nur nicht gewagt, offen gegen den Krieg des weißgardistischen Polen zu protestieren, sondern schickt ihm über Österreich Waffen. Von der amerikanischen Regierung ganz zu schweigen. Amerikanische Flieger werfen Bomben auf die ukrainischen Städte. Die Urheber dieses Krieges sind die Regierungen aller Länder, die in größerem oder kleinerem Maße die polnischen Usurpatoren und Räuber unterstützen.

Arbeiter aller Länder! Sowjetrussland wird mit den schamlosen Banditen des polnischen Imperialismus ebenso fertig werden, wie es mit Judenitsch, Koltschak und Denikin fertig geworden ist, die von Euren Regierungen unterstützt wurden. Nach einigen leichten Siegen in der Ukraine werden die Polen den Zorn der Arbeiter- und Bauernmassen ganz Russlands und den Zorn sogar der parteilosen Kreise fühlen müssen, die endlich gelernt haben, in der Sowjetregierung den Beschützer der Unabhängigkeit des großen Landes zu sehen. Aber es handelt sich darum, wie lange dieser Krieg dauern wird, wie viel Verheerungen er noch mit sich bringen wird, wie viel Wunden er noch dem russischen werktätigen Volke schlagen wird. Von Euch, Arbeiter aller Länder hängt es ab, dass dieser Krieg in der kürzesten Frist mit der Zerschmetterung der polnischen Kapitalisten und Gutsbesitzer endet.

Arbeiter der Munitionsfabriken Frankreichs, Englands, Italiens und Amerikas! Erzeugt nicht eine einzige Patrone, nicht ein Gewehr, nicht eine Kanone für Polen.

Transportarbeiter, Eisenbahner, Hafenarbeiter und Matrosen! Schickt für Polen weder Ausrüstung noch Lebensmittel ab, denn alles dies dient dem Kriege gegen das Arbeiter- und Bauernrussland.

Arbeiter aller verbündeten Länder! Auf die Straßen hinaus! Veranstaltet Demonstrationen und Ausstände unter der Losung: „Nieder mit der Unterstützung des weißgardistischen Polen! Die Verbündeten müssen ihren Hund – die polnischen Kapitalisten und Gutsbesitzer – an die Kette legen und mit Sowjetrussland einen ehrlichen Frieden schließen“.

Arbeiter Deutschlands und Österreichs! Ihr wisst, dass Sowjetrussland der Grundpfeiler der Weltrevolution ist, die allein Euch vom Joch Eurer eigenen Kapitalisten und von der Schlinge befreien kann, die der Frieden von Versailles und St.-Germain Euch um den Hals geworfen. Deutsche Eisenbahner! Keine Züge aus Frankreich nach Polen durchlassen! Deutsche Hafenarbeiter in Danzig! Die für Polen bestimmten Schiffe nicht ausladen! Österreichische Eisenbahner! Nicht ein Zug aus Italien darf nach Polen durchgelassen werden.

Arbeiter Rumäniens, Finnlands und Lettlands! Eure weißen Regierungen, die durch Geheimverträge mit den polnischen Gutsbesitzern in Verbindung stehen, können auch Euch in diesen Krieg hineinziehen. Seid auf der Hut, strengt alle Kräfte an, um dieses nicht zuzulassen.

Arbeiter Polens! Euch, die ihr durch dreißigjährigen Kampf mit dem russischen Proletariat verbunden seid, braucht man nicht viel über Eure Pflicht zu sagen; Ihr erfüllt sie im Lauf des ganzen Krieges, den Eure Kapitalisten und Gutsbesitzer mit dem Arbeiter- und Bauernrussland führen, dadurch, dass ihr im Namen des Friedens mit Sowjetrussland Demonstrationen und Ausstände veranstaltet und in Eurem Kampfe Tausende Opfer bringt. Mit Stolz sieht auf Euch die Dritte Internationale, zu deren Gründer Eure ruhmvollen Führer Rosa Luxemburg und Jan Tyszko zählen; die Dritte Internationale ist überzeugt, dass ihr jetzt alle Kräfte anspannen werdet, um den Armeen des weißen Polen in den Rücken zu fallen und gemeinsam mit den Arbeitern Russlands den Sieg über die polnischen Gutsbesitzer und Kapitalisten davonzutragen. Ihr wisst, dass Sowjetrussland Polen nicht Unterdrückung bringt, sondern nationale Freiheit, Befreiung von den Ketten des verbündeten Kapitals, Hilfe im Kampf gegen die eigenen Kapitalisten. Der Sieg des Arbeiter- und Bauernrussland wird der Sieg des polnischen Proletariats, des Bruders und Verbündeten der russischen Arbeiter und Bauern sein. Zum Angriff, polnische Arbeiter! Unser letzter Kampf beginnt, der Tag ist nahe, andern wir die Richter sein werden.

Nieder mit den polnischen Gutsbesitzern und Kapitalisten! Es lebe das Sowjetrussland der Arbeiter und Bauern! Nieder mit dem Kriege! Es lebe der Frieden zwischen den werktätigen Massen Polens und Russlands! Nieder mit dem verbrecherischen Spiel der verbündeten Regierungen! Es lebe die internationale Revolution des Proletariats!

Das Exekutivkomitee der Kommunistischen Internationale.

18. Mal 1920

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