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1. Manifest des II. Weltkongresses der Kommunistischen Internationale

Manifest des II. Weltkongresses der Kommunistischen Internationale

(von Leo Trotzki)

1. Die internationalen Beziehungen nach Versailles.

Die Bourgeoisie der ganzen Welt gedenkt betrübt der vergangenen Tage. Alle Grundlagen der außen- und innenpolitischen Beziehungen sind umgestoßen oder erschüttert. Das Morgen” schwebt als schwarze Drohung über der Welt der Ausbeuter. Der imperialistische Krieg zerstörte endgültig das alte System der Bündnisse und gegenseitigen Sicherungen, das dem internationalen Gleichgewicht und dem bewaffneten Frieden zu Grunde lag. Der Versailler Frieden schuf kein neues Gleichgewicht als Ersatz.

Zuerst mussten Russland, dann Österreich-Ungarn und Deutschland als handelnde Personen von dem Welttheater abtreten. Die mächtigen Länder, die den ersten Platz im System der Weltverteiler einnahmen, erscheinen nun selbst als Beute der Diebe und Räuber. Dem siegreichen Imperialismus der Entente eröffnete sich ein neues unübersehbares Feld der kolonialen Ausbeutung, das unmittelbar hinter dem Rhein beginnt, ganz Zentral- und Osteuropa umfasst und sich weiter bis zum Stillen Ozean ausdehnt. Kann wohl der Kongo oder Syrien, Ägypten oder Mexiko irgend einen Vergleich mit den Steppen, Wäldern und Bergen Russlands und der qualifizierten Arbeitskraft Deutschlands aushalten? Das neue Kolonialprogramm der Sieger bestimmt sich von selbst: die Arbeiterrepublik in Russland umzustoßen, die russischen Rohstoffe zu rauben, zu ihrer Verarbeitung mit Hilfe der deutschen Kohle den deutschen Arbeiter zu zwingen, den bewaffneten deutschen Unternehmer in der Rolle des Aufsehers anzustellen, — um über die fertigen Produkte zu verfügen und damit den Profit einzustreichen. Das Programm, Europa” zu organisieren, das durch den deutschen Imperialismus im Augenblick seiner größten militärischen Erfolge aufgeworfen wurde, ging auf die Nachfolger über — auf die siegreiche Entente. Wenn die regierenden Männer der Entente die besiegten Banditen des Deutschen Reichs auf die Anklagebank setzen, so stehen diese in Wahrheit vor einem Gericht aus gleichen Verbrechern.

Aber auch im Lager der Sieger selbst gibt es Besiegte. Berauscht von ihrem Chauvinismus und ihren Siegen, die sie für andere erfocht, fühlte sich die Bourgeoisie Frankreichs als die Besiegerin Europas. Eigentlich befand sich Frankreich seit Beginn seiner Existenz niemals in einer solchen sklavischen Abhängigkeit von stärkeren Staaten (England und Nordamerika) wie jetzt, Frankreich schreibt Belgien ein bestimmtes ökonomisches und militärisches Programm vor, verwandelt den schwächeren Verbündeten in eine unterjochte Provinz; aber gegenüber England spielt Frankreich selbst die Rolle Belgiens nur in etwas größerem Maßstäbe.

Die englischen Imperialisten gestatten von Zeit zu Zeit den französischen Wucherern, in den ihnen angewiesenen Grenzen des Kontinents selbst zu schalten und zu walten. Sie lenken auf diesem Wege die schärfste Empörung der Werktätigen Europas und selbst Englands von sich auf Frankreich ab. Die Macht des ausgebluteten und zerwühlten Frankreich hat einen trügerischen, beinahe lächerlichen Charakter, der auch dem Gehirn der französischen Sozialpatrioten von Tag zu Tag klarer wird.

Noch mehr fiel die Weltgeltung Italiens. Ohne Kohle, ohne Brot, ohne Rohstoffe, durch den Krieg vollkommen aus dem inneren Gleichgewicht geschleudert, ist die Bourgeoisie Italiens, abgesehen von allem persönlichen bösen Willen, unfähig, ihre Rechte auf Diebstahl und Vergewaltigung auch nur in den ihr von England angewiesenen kolonialen Winkeln voll zu verwirklichen.

Japan, durch feudal verhüllte kapitalistische Gegensätze zerrissen, steht vor der tiefsten revolutionären Krisis, die schon jetzt, ungeachtet der günstigsten internationalen Umstände, seinen imperialistischen Anlauf aufhält.

Es verbleiben also nur zwei wirkliche Weltstaaten: das sind Großbritannien und die Vereinigten Staaten.

Der englische Imperialismus befreite sich von der asiatischen Nebenbuhlerschaft des Zarismus und von der drohenden Konkurrenz Deutschlands. Die Seemacht Großbritanniens erreichte den Höhepunkt. Sie umschlingt die Kontinente mit der Kette der ihr unterworfenen Völker. Indem Großbritannien seine Hand auf Finnland, Estland und Litauen legt, nimmt es Schweden und Norwegen den letzten Rest von Unabhängigkeit und verwandelt das Baltische Meer in ein britisches Gewässer. Nichts widersteht ihm in der Nordsee. Durch Kapland, Ägypten, Indien, Persien, Afghanistan verwandelt es den Indischen Ozean in ein britisches Meer. Indem England über die Ozeane herrscht, kontrolliert es das Festland. — Seine weltgebietende Rolle wird begrenzt durch die amerikanische Dollarrepublik und die russische Räterepublik.

Der Weltkrieg warf die Vereinigten Staaten endgültig aus dem kontinentalen Konservatismus. Das Programm des die Flügel entfaltenden nationalen Kapitalismus: Amerika den Amerikanern" (Monroedoktrin), wurde abgelöst durch das Programm des Imperialismus: Die ganze Welt den Amerikanern" Von der Handels-, Industrie- und Börsenausbeutung des Krieges, von der neutralen Profitmacherei auf Kosten des europäischen Blutes ging Amerika zur Einmischung in den Krieg über, spielte eine entscheidende Rolle bei der Zertrümmerung Deutschland und steckte seine Hände in alle Fragen der europäischen und Weltpolitik.

Unter der Flagge des „Völkerbunds” machten die Vereinigten Staaten den Versuch, ihre Erfahrung mit der föderativen Vereinigung großer Bevölkerungsmassen verschiedenen Stammes auf die andere Seite des Ozeans auszudehnen, an ihren goldenen Triumphwagen auch die Völker Europas und anderer Erdteile zu spannen und sie der Regierung von Washington zu unterwerfen. Der Völkerbund sollte eigentlich eine Weltmonopolfirma Yankee und Co.” werden.

Der Präsident der Vereinigten Staaten, der große Prophet der Gemeinplätze, stieg mit seinen 14 Punkten in den Händen vom Berge Sinai, um Europa zu erobern. Die Börsenwölfe, Minister, Geschäftemacher der Bourgeoisie täuschten sich nicht eine Minute lang über den Sinn der neuen Offenbarung. Dagegen gerieten die europäischen Sozialisten” mit kautskyanischem Zittern in einen Zustand religiöser Verzückung und umtanzten wie König David die heilige Bundeslade Wilsons.

Beim Übergang zu praktischen Fragen wurde dem amerikanischen Apostel klar, dass ungeachtet des vorzüglichen Dollarkurses der erste Platz auf allen die Völker vereinigenden und trennenden Seewegen wie früher Großbritannien gehört; denn es hat eine stärkere Flotte, längere Kabel und die alte Erfahrung der Weltausplünderung. Außerdem stieß Wilson auf seinem Wege auf die Sowjetrepublik und den Kommunismus. Der beleidigte amerikanische Messias sagte sich vom Völkerbund los, die England in eine seiner diplomatischen Kanzleien verwandelte, und drehte Europa den Rücken.

Es wäre jedoch kindisch, anzunehmen, dass sich der von England beim ersten Angriff abgeschlagene amerikanische Imperialismus wieder in das Gehäuse der Monroedoktrin einkapseln wird. Nein, die Vereinigten Staaten, die immer gewaltsamer fortfahren den amerikanischen Kontinent zu unterwerfen, die die Länder Zentral- und Südamerikas in ihre Kolonien verwandeln, beabsichtigen, durch ihre beiden herrschenden Parteien, die Demokraten und Republikaner, als Gegengewicht zum englischen Völkerbund ihren eigenen Bund, d. h. einen Bund mit Nordamerika als Zentrum des Weltsystems zu schaffen. Um die Sache richtig anzugreifen, beabsichtigen sie ihre Kriegsflotte im Laufe der nächsten 3-5 Jahre mächtiger als die englische auszubauen. Damit ist das imperialistische England vor die Frage gestellt: Sein oder Nichtsein? Parallel mit der wahnsinnigen Konkurrenz dieser beiden Giganten auf dem Gebiete des Schiffbaues geht der nicht weniger tolle Kampf um das Petroleummonopol.

Frankreich, das gerechnet hatte, die Rolle eines Schiedsrichters zwischen England und den Vereinigten Staaten zu spielen, sieht sich als Trabant zweiten Ranges in die britische Planetenbahn hineingezogen. Es erblickt im Völkerbund einen unerträglichen Zaum und sucht einen Ausweg in der Entfachung des Gegensatzes zwischen England und Nordamerika.

So arbeiten gewaltige Kräfte an der Vorbereitung eines neuen Weltzweikampfes.

Das im Kriege aufgeworfene Programm der Befreiung der kleinen Völker führte zur vollkommenen Zertrümmerung und Versklavung der siegreichen wie besiegten Balkanvölker und zur Balkanisierung eines bedeutenden Teiles Europas. Die imperialistischen Interessen drängten die Sieger zur Schaffung einzelner kleiner Nationalstaaten aus dem Bestande der von ihnen zertrümmerten Großmächte. Hier ist nicht im Entferntesten von dem so genannten nationalen Prinzip die Rede: Der Imperialismus besteht in der Überwindung des nationalen Rahmens, sogar der Großmächte. Die neuen bürgerlichen Kleinstaaten sind nur Nebenprodukte des Imperialismus. Der Imperialismus schuf sich als zeitweilige Stütze eine Kette kleinerer Nationalstaaten, die offen unterdrückt oder offiziell protegiert werden, in Wirklichkeit aber Vasallen sind: Österreich, Ungarn, Polen, Jugoslawien, Böhmen, Finnland, Estland, Lettland, Litauen, Armenien, Georgien und andere. Er herrscht über sie mit Hilfe der Banken, Eisenbahnen, der Kohlenmonopole und verdammt sie zu unerträglichen wirtschaftlichen und nationalen Schwierigkeiten. endlosen Konflikten und blutigen Zusammenstößen.

Welche ungeheuerliche Ironie der Geschichte ist die Tatsache, dass die Wiederaufrichtung Polens, die zu dem Programm der revolutionären Demokratie und zum ersten Auftreten des internationalen Proletariats gehört, vom Imperialismus verwirklicht wurde, um der Revolution entgegen zu wirken, dass das demokratische Polen”, dessen Vorkämpfer auf den Barrikaden ganz Europas starben, jetzt die Rolle des schmutzigsten und blutigsten Werkzeuges in den räuberischen Händen der englisch- französischen Bande gegen die erste proletarische Republik der Welt spielt.

Neben Polen liefert die demokratische” Tschechoslowakei, die sich dem französischen Kapital verkauft hat, weißgardistische Abteilungen gegen Sowjetrussland und Sowjetungarn.

Der heldenhafte Versuch des ungarischen Proletariats, sich aus dem staatlichen und wirtschaftlichen Chaos Mitteleuropas den Weg zur Sowjetföderation zu bahnen, — den einzigen Weg der Rettung — wurde von der vereinigten kapitalistischen Reaktion zu einem Zeitpunkte erstickt, als das von seinen Parteien betrogene Proletariat der stärksten Staaten Europas sich noch unfähig erwies, seine Pflicht gegen das sozialistische Ungarn und gegen sich selbst zu erfüllen.

Die Sowjetregierung Budapests wurde unter Mitwirkung der Sozialverräter gestürzt, die nach 31/2-tägigem Besitz der Macht von dem zügellosen konterrevolutionären Gesindel beiseite geworfen würden, dessen blutige Verbrechen die Koltschaks, Denikins, Wrangels und anderer Agenten der Entente noch übertreffen. Aber sogar das vorübergehend unterdrückte Sowjetungarn winkt den Werktätigen Mitteleuropas wie ein Leuchtturm.

Das türkische Volk will sich nicht jenem niederträchtigen Frieden fügen, den die Londoner Tyrannei ausgearbeitet hat. Zur Verwirklichung seiner Bedingungen hat England Griechenland bewaffnet und auf die Türkei gehetzt. Dadurch werden die Balkanhalbinsel und Vorderasien, die Türkei sowohl als Griechenland, der endgültigen Verwüstung und gegenseitigen Vernichtung überliefert.

Im Kampfe der Entente mit der Türkei spielte Armenien dieselbe Programmrolle wie Belgien im Kampfe mit Deutschland, wie Serbien im Kampfe mit Österreich-Ungarn. Nachdem Armenien geschaffen war — ohne Grenze und ohne Existenzmöglichkeit — verzichtete Wilson auf das armenische Mandat, das der Völkerbund” ihm anbot: der Boden Armeniens birgt weder Petroleum noch Platin. Das befreite” Armenien ist jetzt weniger beschützt als je zuvor.

Fast jeder der neu geschaffenen nationalen Staaten hat seine Irredenta, d. h. sein inneres nationales Geschwür.

Gleichzeitig erreichte der nationale Kampf in den Besitzungen der Siegerländer seine höchste Spannung. Die englische Bourgeoisie, die die Völker von vier Weltteilen bevormunden will, erweist sich unfähig, die irische Frage vor ihrer Nase zu lösen.

Noch drohender steht die nationale Frage in den Kolonien; Ägypten, Indien, Persien werden von Aufständen erschüttert. Von den führenden Proletariern Europas und Amerikas eignen sich die Werktätigen der Kolonien die Losung der Sowjetföderation an.

Das offizielle, staatliche, nationale, zivilisierte bürgerliche Europa gleicht in dem Zustande, in dem es aus dem Kriege und dem Versailler Frieden hervorging, einem Irrenhause. Die künstlich zersplitterten kleinen Staaten, die wirtschaftlich in ihren Grenzen ersticken, zerfleischen sich und führen Krieg um Häfen, Provinzen, nichtige Städtchen. Sie suchen die Protektion der größeren Staaten, deren Gegensätze immer wieder von Tag zu Tag wachsen. Italien steht Frankreich feindlich gegenüber und ist geneigt, Deutschland gegen Frankreich zu unterstützen, falls Deutschland fähig wäre, das Haupt zu erheben. Frankreich ist vergiftet durch den Neid auf England und, um seine Renten zu erhalten, ist es bereit, Europa von neuem an allen vier Ecken anzuzünden. England hält mit Hilfe Frankreichs Europa im Zustand der chaotischen Kraftlosigkeit und erlangt dadurch Handlungsfreiheit für Weltoperationen, die gegen Amerika gerichtet sind. Die Vereinigten Staaten gestatten Japan, sich in Ostsibirien festzubeißen, um sich zu gleicher Zeit bis zum Jahre 1925 das Übergewicht über die britische Flotte zu sichern, falls England sich nicht vorher entschließt, mit ihnen seine Kräfte zu messen.

Gemäß diesem Bild der Weltverhältnisse sagt das Militärorakel der französischen Bourgeoisie, General Foch voraus, dass der zukünftige Krieg mit den technischen Mitteln beginnt, mit denen der vergangene aufgehört hat, d. h. mit Flugzeugen und Tanks, mit Maschinengewehren und Mitrailleusen an Stelle von Handwaffen, mit Granaten an Stelle von Bajonetten.

Arbeiter und Bauern Europas, Amerikas, Asiens, Afrikas und Australiens, Ihr habt 10 Millionen Tote, 20 Millionen Verwundete und Krüppel geopfert! Jetzt wisst Ihr wenigstens, was Ihr um diesen Preis erlangt habt!

2. Die wirtschaftliche Lage.

Inzwischen geht die Verheerung der Menschheit ihren Gang.

Der Krieg zerstörte diejenigen weltwirtschaftlichen Beziehungen, deren Entwicklung eine der wichtigsten Errungenschaften des Kapitalismus war. Vom Jahre 1914 an waren England, Frankreich und Italien von Zentraleuropa und dem Nahen Osten, vom Jahre 1917 an von Russland abgeschnitten.

Im Laufe einiger Kriegsjahre wurde alles das vernichtet, was in einer Reihe von Generationen geschaffen worden war, wurde die menschliche Arbeit auf ein Minimum herabgedrückt und auf den Gebieten, wo es notwendig gewesen wäre, den vorhandenen Vorräten an Rohmaterial die Form von Konsumtionsgegenständen zu geben, wurden diese hauptsächlich in Waffen und Zerstörungsmaterial verwandelt.

Auf den Hauptwirtschaftsgebieten, wo der Mensch in unmittelbaren Kampf mit der Kargheit und der Zähigkeit der Natur tritt, wo er dem Erdinnern Brennstoffe und Rohmaterialien abzwingt, hat die Arbeit mehr und mehr aufgehört. Die Siege der Entente und der Versailler Frieden haben den wirtschaftlichen Zerfall und die wirtschaftliche Zerstörung nicht aufgehalten, sondern nur das Äußere ihrer Wege und Formen geändert. Die Blockade Sowjetrusslands und die künstliche Entfachung des Bürgerkrieges in seinen fruchtbaren Randgebieten fügte und fügt auch jetzt noch dem Wohlstand der ganzen Menschheit ungeheuren Schaden zu. Bei geringster technischer Unterstützung könnte Russland dank der Räteform der Wirtschaft Europa zweimal oder dreimal mehr Nahrungsmittel und Rohmaterialien geben, als das zaristische Russland geliefert hat. Anstatt dessen zwingt der englisch-französische Imperialismus die Arbeiterrepublik, alle ihre Kräfte für ihre Verteidigung zu verwenden. Um die russischen Arbeiter des Brennstoffes zu berauben, hielt England Baku in seinen Krallen, obgleich es für den eigenen Bedarf nur einen verschwindend kleinen Teil der Beute ausführen konnte. Das reiche Steinkohlengebiet des Don wurde zeitweilig von den weißgardistischen Banden der Entente zerstört. Die französischen Instrukteure und Sappeure haben in der Zerstörung der russischen Brücken und Eisenbahnen nicht wenig geleistet. Japan bestiehlt und verwüstet gegenwärtig Ostsibirien.

Die deutsche Technik und die hohe Produktivität der deutschen Arbeit, diese wichtigen Faktoren zur Erneuerung der Weltwirtschaft, werden nach dem Versailler Frieden noch mehr als während der Kriegszeit in ihren Wirkungen aufgehoben. Die Entente steht vor unlösbaren Widersprüchen. Um die Zahlung zu erzwingen, muss man eine Arbeitsmöglichkeit schaffen, die wiederum die Existenzmöglichkeit voraussetzt. Dem zertrümmerten, zerstückelten, erschöpften Deutschland die Existenzmöglichkeit schaffen, heißt aber, ihm die Möglichkeit des Widerstandes geben. Die Angst vor der deutschen Revanche diktiert Fochs Politik: das ununterbrochene Anziehen des militärischen Schraubstockes, um die Wiedergeburt Deutschlands zu hindern. Alle haben Mangel, alle haben Bedarf. Nicht nur die deutsche, sondern auch die französische und englische Handelsbilanz zeigen stark passiven Charakter. Die französische Staatsschuld ist auf 300 Milliarden Franken gestiegen, wobei nach der Bestätigung des reaktionären französischen Senators Gaudin de Villaine ein Drittel dieser Summe auf Ausraubung, Diebstahl und Verwüstung zurückzuführen sind.

Die in Frankreich zur Wiederherstellung der durch den Krieg zerstörten Gebiete vollführten Arbeiten sind Tropfen im Meere der Verheerung. Der Mangel an Heizmaterial, Rohmaterialien und Arbeitskräften bildet unüberwindbare Hindernisse.

Frankreich benötigt Geld, es braucht Kohle. Auf die unzählbaren Gräber des Militärfriedhofs hinweisend, verlangt der französische Bourgeois seine Prozente. Deutschland soll zahlen.

General Foch hat doch noch Schwarze zur Besetzung deutscher Städte! Russland soll zahlen! Um dem russischen Volk diesen Gedanken einzuimpfen, verschwendet die französische Regierung zur Verwüstung Russlands Milliarden, die zur Wiedergeburt Frankreichs gesammelt wurden.

Die internationale Finanzverständigung, die die Steuerlast Frankreichs auf dem Wege einer mehr oder weniger vollen Annullierung der Kriegsschulden erleichtern sollte, fand nicht statt: die Vereinigten Staaten zeigten nicht die geringste Neigung, Europa 10 Milliarden Pfund Sterling zu schenken.

Die Ausgabe von Papiergeld geht in immer wachsendem Ausmaß fort. In der Zeit, wo sich in Sowjetrussland das Anwachsen des Papiergeldes und seine Entwertung bei der gleichzeitigen Entwicklung der vergesellschafteten, planmäßigen Verteilung der Produkte und der sich fortwährend vergrößernden Naturalisierung des Arbeitslohnes nur als das Resultat des Absterbens der Waren-Geld-Wirtschaft erklärt, zeugt das Anwachsen der Masse des gedruckten Papiergeldes in den kapitalistischen Staaten von der Vertiefung des wirtschaftlichen Chaos und dem unvermeidlichen Zusammenbruch.

Die Konferenz der Entente reist von einem Ort zum anderen, sucht in allen europäischen Kurorten Inspiration. Alle strecken ihre Hände aus und fordern Zinsen je nach der Zahl der im Kriege Getöteten. Diese pilgernde Börse von Leichnamen, die alle vierzehn Tage aufs neue die Frage entscheidet, ob Frankreich 50 oder 55 Prozent von jener Kontribution, die Deutschland nicht zahlen kann, erhalten soll, bildet die Krone der verheißenen Neuorganisation Europas.

Der Kapitalismus wurde im Verlauf des Krieges von Grund auf umgebildet. Die planmäßige Auspressung des Mehrwertes im Produktionsprozess — die Grundlage der Profitwirtschaft —scheint eine zu wenig lockende Beschäftigung für die Herren Bourgeois zu sein, die sich daran gewöhnt haben, im Verlauf von ein paar Tagen ihr Kapital durch Spekulation, internationale Räuberei zu verdoppeln und zu verzehnfachen.

Der Bourgeois hat einige Vorurteile, die ihm hinderlich waren, abgestreift, und einige Fertigkeiten erworben, die er nicht hatte. Der Krieg lehrte ihn die Hungerblockade gegen ganze Länder, das Luftbombardement und die Niederbrennung von Städten und Dörfern, die zweckmäßige Verbreitung von Cholerabazillen, die Versendung von Dynamit in Diplomatenkoffern, die Fälschung von Kreditscheinen der Gegner, die Bestechung, Spionage und Schmuggelei in einem früher nie dagewesenen Maßstäbe. Die Methoden der Kriegführung blieben auch nach Friedensschluss für den Handel bestehen. Die Großhandelsoperationen fließen gegenwärtig mit der Tätigkeit des Staates zusammen, der als Welträuberbande auftritt, die mit allen Gewaltmitteln ausgerüstet ist.

Je enger die Weltbasis der Produktion wird, desto brutaler und verschwenderischer werden die Methoden der Aneignung. Raub! Das ist das letzte Wort der Politik des Kapitals, die den Freihandel und den Schutzzoll ablöste. Der Überfall der rumänischen Raubmörder auf Ungarn, von wo sie Lokomotiven und Edelsteine wegführten, ist das Symbol der wirtschaftlichen Philosophie Lloyd Georges und Millerands. In ihrer inneren ökonomischen Politik taumelt die Bourgeoisie verzweifelt zwischen dem Programm weiterer Nationalisierungen, Regulierungen und Kontrollen einerseits und den Protesten gegen die während der Kriegszeit entstandene staatliche Einmischung anderseits hin und her. Das französische Parlament beschäftigt sich mit der Quadratur des Zirkels: die Bildung des Einheitlichen Kommandos" auf den Eisenbahnlinien der Republik ohne Verletzung der privatkapitalistischen Interessen der Eisenbahngesellschaften. Zur selben Zeit führt die kapitalistische Presse Frankreichs einen boshaften Kampf gegen den alles verschlingenden Staat (Etatismus), der den privaten Tatendrang einengt. Die durch den Staat während des Krieges zerrütteten Eisenbahnen in Amerika verfielen nach Aufhebung der staatlichen Kontrolle in einen noch trostloseren Zustand. Trotzdem verspricht im gleichen Moment die republikanische Partei in ihrem Wahlprogramm, das wirtschaftliche Leben von der willkürlichen Einmischung des Staates zu befreien. Der Führer der amerikanischen Trade-Unionisten, Samuel Gompers, der alte Kettenhund des Kapitals, führt den Kampf gegen die Nationalisierung der Eisenbahnen, den in Amerika, in Frankreich und in anderen Ländern die Einfaltspinsel und Scharlatane des Reformismus als Allerweltsheilmittel fordern. In der Tat wirken die vereinzelten gewaltsamen Eingriffe des Staates in die Wirtschaft nur mit der Spekulation zusammen und bringen ein noch größeres Chaos in die kapitalistische Wirtschaft der Zerfallsepoche. Die Übergabe der wichtigsten Zweige der Produktion und des Transportes aus den Händen einzelner Trusts in die Hände der Nation”, d. h. des bürgerlichen Staates, des mächtigsten kapitalistischen Raubtrusts, heißt das Übel nicht beseitigen, sondern dasselbe nur verallgemeinern. Der Preissturz und die Verbesserung der Valuta sind nur oberflächliche und vorübergehende Erscheinungen auf der Grundlage der dauernden Zerstörung. Die Preisschwankungen heben die grundlegenden Tatsachen nicht auf: Mangel an Rohstoffen und die Verminderung der Produktivität der Arbeit. Die die furchtbare Anspannung des Krieges überlebenden Arbeitermassen sind unfähig, in dem früheren Tempo und unter den früheren Bedingungen zu arbeiten. Die in wenigen Stunden vollbrachte Vernichtung so vieler Werte, deren Schaffung Jahre gekostet hat, der freche Tanz der Milliarden in den Händen der Finanzclique, die auf den Knochen der Ruinen immer höher steigt —dieser Anschauungsunterricht der Geschichte ist wenig geeignet, in der Arbeiterklasse die automatische Disziplin der Lohnarbeit aufrecht zu erhalten. Die bürgerlichen Wirtschaftstheoretiker und Publizisten sprechen von einer Faulheitswelle”, die sich über Europa stürzt und die wirtschaftliche Zukunft unterwühlt. Die Betriebsleiter suchen abzuhelfen, indem sie den qualifizierten Arbeitern einige Privilegien gewähren. Umsonst! Zur Wiedergeburt und weiteren Hebung der Produktivität der Arbeit muss die Arbeiterklasse die Gewissheit haben, dass jeder Hammerschlag ihr eigenes Wohlergehen und ihr eigenes Bildungsniveau erhöht und sie nicht mehr der Gefahr der erneuten gegenseitigen Vernichtung aussetzt. Diese Gewissheit kann ihr nur die soziale Revolution geben.

Das Steigen der Preise für Lebensmittel ist ein mächtiger Faktor der revolutionären Entwicklung in allen Ländern. Die Bourgeoisie Frankreichs, Italiens, Deutschlands und anderer Länder versucht, durch kleine Almosen die Not der Teuerung zu lindern und das Wachsen der Streiks abzuwehren. Um den Agrariern einen Teil der Produktionskosten der Arbeitskraft zu bezahlen, unternimmt der verschuldete Staat zweifelhafte Spekulationen; er bestiehlt sich selbst, um den Zeitpunkt der Auflösung hinauszuschieben. Selbst wenn gewisse Teile der Arbeiterklasse gegenwärtig besser leben, als sie vor dem Kriege lebten, so steht das in keinem Zusammenhang mit dem wirklichen ökonomischen Zustand der kapitalistischen Länder. Dieses vorübergehende Resultat wird erreicht auf dem Wege gewissenloser Anleihen bei der Zukunft, die mit allen ihren katastrophalen Mängeln und Nöten heranschleicht.

Aber die Vereinigten Staaten? Amerika ist die Hoffnung des Menschengeschlechts” — so wiederholt der französische Bourgeois durch den Mund Millerands die Phrase Turgots in der Hoffnung auf den Erlass der Schulden, die er selbst aber niemandem erlässt. Aber die Vereinigten Staaten sind unfähig, Europa aus der wirtschaftlichen Sackgasse herauszuführen. Im Laufe der letzten sechs Jahre haben auch sie ihre Rohstoffvorräte erschöpft.

Die Anpassung des amerikanischen Kapitalismus an die Ansprüche des Weltkrieges verengerte seine industrielle Grundlage. Die Auswanderung aus Europa kam zum Stillstand. Der Rückstrom zog aus der amerikanischen Industrie viele Hunderttausend Deutsche, Italiener, Polen, Serben, Tschechen, die teils mobilisiert, teils durch das Trugbild eines wieder zugänglichen Vaterlandes angezogen wurden. Mangel an Rohstoffen und Arbeitskräften lastet auf der überseeischen Republik und erzeugt eine tiefe ökonomische Krise, auf dessen Grundlage das amerikanische Proletariat in eine neue revolutionäre Phase eintritt. Amerika wird rasch europäisiert”.

Von den Nachwirkungen des letzten Krieges und der Blockade wurden auch die neutralen Länder nicht verschont: ähnlich der Flüssigkeit in verbundenen Röhren wird die Wirtschaft der untereinander verbundenen kapitalistischen Staaten, der großen und kleinen, der kämpfenden und neutralen, der siegreichen und besiegten, auf ein und dasselbe Niveau — der Not, des Hungers und des Aussterbens — herabgedrückt.

Die Schweiz lebt von der Hand in den Mund, und jedes unvorhergesehene Ereignis droht sie aus dem Gleichgewicht zu werfen. in Skandinavien löst der übermäßige Zustrom von Gold nicht die Probleme der Verpflegung: Kohle muss stückweise von England mit dem Hut in der Hand erbettelt werden. Ungeachtet des Hungers in Europa erlebt die norwegische Fischerei eine nie zuvor gesehene Krise.

Spanien, aus dem Frankreich Leute, Pferde und Nahrungsmittel herausgezogen hat, kommt aus seinem schwierigen Verpflegungszustand, der stürmische Streiks und Straßenunruhen der hungernden Massen zur Folge hat, nicht heraus.

Die Bourgeoisie rechnet fest auf das platte Land. Ihre Wirtschaftstheoretiker stellen fest, dass der Wohlstand der Bauernschaft außerordentlich gestiegen ist. Das ist eine Illusion. Gewiss — die Bauern, die ihre Produkte auf den Markt brachten, hatten in allen Ländern in den Kriegszeiten mehr oder weniger gute Tage. Sie verkauften ihre Produkte zu hohen Preisen und bezahlten mit billigem Geld ihre Schulden, die sie in Zeiten gemacht hatten, in denen das Geld teuer gewesen war. Darin besteht ihr Gewinn. Aber ihre Wirtschaft ist im Krieg zurückgegangen und verödet. Es fehlt ihnen an gewerblichen Produkten, und deren Preise steigen im gleichen Verhältnis, wie das Geld billiger wird. Die Forderungen des Staatsfiskus werden immer ungeheuerlicher und drohen den Bauern samt seinen Produkten und seinem Land zu verschlingen. So geriet die Kleinbauernschaft nach einer Periode der Hebung des Wohlstandes in um so unerträglichere Schwierigkeiten. Ihre Unzufriedenheit mit den Ergebnissen des Krieges wird immer mehr wachsen, und als stehendes Heer bereitet sie der Bourgeoisie nicht wenig unangenehme Überraschungen. Die wirtschaftliche Wiederherstellung Europas, von der seine Minister reden, ist eine Lüge. Europa geht zu Grunde und mit ihm die ganze kapitalistische Welt.

Auf dem Boden des Kapitalismus gibt es keine Rettung. Die Politik des Imperialismus führt nicht zur Aufhebung der Not, sondern zu ihrer Verschärfung durch Ausplünderung der vorhandenen Vorräte.

Die Frage der Heiz- und Rohstoffversorgung ist eine internationale Frage, die nur auf der Grundlage der planmäßigen allgemeinen sozialistischen Produktion gelöst werden kann.

Man muss die Staatsschulden annullieren, man muss die Arbeit und ihre Früchte von dem ungeheuerlichen Tribut an die Weltplutokratie befreien, muss die Plutokratie stürzen. Man muss die Grenzschranken der Staaten beseitigen, die die Weltwirtschaft zerstückeln. Der Oberste Wirtschaftsrat der Imperialisten der Entente muss dem Obersten Wirtschaftsrat des Weltproletariats zwecks zentralisierter Ausnutzung aller wirtschaftlichen Quellen der Menschheit Platz machen.

Man muss den Imperialismus töten, damit das Menschengeschlecht weiterleben kann.

3. Die bürgerliche Ordnung nach dem Kriege

Alle Kräfte der Besitzenden sind auf zwei Fragen konzentriert: sich im internationalen Kampfe zu behaupten und das Proletariat nicht zum Herren im Lande werden zu lassen. In diesen Aufgaben haben die früheren politischen Gruppierungen der Bourgeoisie ihre Kräfte verzehrt. Nicht nur in Russland, wo die Fahne der Kadettenpartei in der entscheidensten Kampfperiode zur Fahne aller Besitzenden gegen die Revolution der Arbeiter und Bauern wurde, sondern auch in den Ländern mit einer älteren und höheren politischen Kultur sind die früheren Programme, welche die verschiedenen Schichten der Bourgeoisie trennten, noch vor dem revolutionären Angriff des Proletariats spurlos verschwunden..

Lloyd George tritt als Herold der Vereinigung der Konservativen, Unionisten und Liberalen zum gemeinsamen Kampf gegen die aufstrebende Macht der Arbeiterklasse auf. An die oberste Spitze stellt der alte Demagoge den Segen der heiligen Kirche als der elektrischen Zentralstation, die mit ihrem Strom alle Parteien der besitzenden Klassen gleichmäßig versorgt.

In Frankreich erscheint die vor kurzem noch so lebhafte Epoche des Antiklerikalismus als vorsintflutliches Gespenst. Die Radikalen, die Royalisten und die Katholiken bilden jetzt einen Block der nationalen Ordnung gegen das sich erhebende Proletariat. Indem sie mit allen Kräften der Reaktion die Hand reicht, unterstützt die französische Regierung den erzreaktionären Wrangel und erneuert mit dem Vatikan die diplomatischen Beziehungen.

Der Anhänger der Neutralität und Deutschenfreund Giolitti übernimmt das Ruder des italienischen Staates als gemeinsamer Führer der Interventionisten, der Neutralisten, der Klerikalen und der Mazzinisten. Er ist bereit zum Lavieren in untergeordneten Fragen der äußeren und inneren Politik, um einen desto schonungsloseren Schlag gegen den Angriff der revolutionären Proletarier in Stadt und Land zu führen. Mit Recht betrachtet sich die Regierung Giolitti als der letzte ernste Einsatz der italienischen Bourgeoisie.

Die Politik aller deutschen Regierungen und Regierungsparteien nach dem Sturz der Hohenzollern bestand darin, gemeinsam mit den herrschenden Klassen der Entente eine Atmosphäre des Hasses gegen den Bolschewismus, d. h. gegen die proletarische Revolution zu erzeugen.

Während der englisch-französische Shylock immer brutaler das deutsche Volk würgt, bittet die deutsche Bourgeoisie ohne Unterschied der Parteien ihren Feind, die Schlinge soweit zu lockern, dass sie mit eigenen Händen die Vorhut des deutschen Proletariats erdrosseln kann. Darin gipfeln die periodischen Beratungen und Konventionen über Entwaffnung und Auslieferung des Kriegsmaterials.

In Amerika hat sich die Grenzlinie zwischen Republikanern und Demokraten vollständig verwischt. Diese mächtigen politischen Organisationen von Ausbeutern, die bisher dem geschlossenen Kreis amerikanischer Verhältnisse angepasst waren, offenbarten ihre vollkommene Inhaltslosigkeit, als die amerikanische Bourgeoisie in die Arena des Weltraubes trat.

Noch niemals haben sich die Intrigen einzelner Führer und Cliquen sowohl in der Opposition als auch in den Ministerien durch eine derartige zynische Offenheit ausgezeichnet, wie eben jetzt. Aber gleichzeitig bilden alle Führer, Cliquen, bürgerlichen Parteien eine gemeinsame Front gegen das revolutionäre Proletariat.

Während die sozialdemokratischen Philister fortfahren, den Weg der Demokratie dem gewaltsamen Wege der Diktatur gegenüberzustellen, werden die letzten Reste der Demokratie in allen Staaten der Welt niedergetreten und vernichtet.

Nach dem Kriege, in dem die Volksvertretungen die Rolle einer machtlosen, aber lärmenden patriotischen Kulisse für die herrschenden imperialistischen Cliquen gespielt haben, verfielen die Parlamente in einen Zustand völliger Kraftlosigkeit. Alle ernsten Fragen werden außerhalb der Parlamente entschieden. Daran ändern auch die äußerliche Erweiterung der Parlamentsrechte, die die Jongleure des Imperialismus so feierlich in Italien und anderen Ländern proklamiert haben, nichts. Die tatsächlichen Herren und Lenker der Staatenschicksale —wie Lord Rothschild und Lord Weir, Morgan und Rockefeller, Snyder und Lusher, Hugo Stinnes und Felix Deutsch, Rizello und Agnelli — die Gold-, Kohlen-, Petroleum- und Metallkönige — sind hinter den Kulissen tätig und entsenden in die Parlamente zur Leitung der parlamentarischen Arbeit Beauftragte niederen Grades. Das am meisten durch seine lügenhafte Rhetorik und zynische Bestechlichkeit diskreditierte französische Parlament, das sich an der Prozedur mehrmaliger Lesungen nichtiger Gesetzesvorlagen ergötzt, erfährt plötzlich, dass vier Milliarden, die es für die verwüsteten Gebiete Frankreichs bestimmt hatte, von Clemenceau für ganz andere Zwecke, vorwiegend zu weiterer Verwüstung russischer Gebiete, verausgabt worden sind.

Die erdrückende Mehrheit der Abgeordneten des scheinbar allmächtigen englischen Parlaments weiß von den wirklichen Absichten Lloyd Georges-Curzons gegenüber Sowjetrussland und sogar Frankreich nur wenig mehr als die indischen alten Weiber in den Dörfern Bengalens wissen.

In den Vereinigten Staaten ist das Parlament der gehorsame oder brummende Chor des Präsidenten, der seinerseits nur der Diener der Wahlmaschine ist, d. h. des politischen Apparats der Trusts, und zwar jetzt nach dem Kriege in unverhältnismäßig höherem Masse als früher.

Der verspätete deutsche Parlamentarismus, eine Fehlgeburt der bürgerlichen Revolution, die selbst eine Fehlgeburt der Geschichte ist, leidet in seinem Säuglingsstadium schon an allen Krankheiten eines alten kraftlosen Kretins. Der Reichstag der Republik Eberts, der allerdemokratischste” Reichstag in der Welt, ist nicht nur vor dem Marschallstab Fochs machtlos, sondern auch vor den Börsenmanövern seiner Stinnes, wie auch vor den militärischen Verschwörungen seiner Offiziersclique. Die deutsche parlamentarische Demokratie ist ein leerer Raum zwischen zwei Diktaturen.

Im Bestande der Bourgeoisie selbst gingen während des Krieges tief greifende Veränderungen vor sich. Auf dem Grunde der allgemeinen Verelendung der ganzen Welt machte die Konzentration des Kapitals mit einem Male einen großen Sprung vorwärts. Handelshäuser traten in den Vordergrund, die früher durchaus im Schatten standen. Solidität, Sicherheit, Neigung zu vernünftigen Kompromissen, Beachtung eines gewissen Scheins sowohl in der Ausbeutung wie im Genuss ihrer Früchte - all das ist von den Wogen der imperialistischen Sintflut hinweggespült.

In den Vordergrund drängten sich neue Besitzende: Kriegslieferanten, widerwärtige Spekulanten, Parvenüs, internationale Abenteurer, Schieber, Verbrecher in Brillanten, zügelloses, luxuslüsternes Gesindel, das bereit ist zu den letzten Rohheiten gegen die proletarische Revolution, die ihm selbst nichts anderes bringen kann als die würgende Schlinge.

Die gegenwärtige Ordnung als Herrschaft der Reichen steht in all ihrer Nacktheit vor den Massen. In Amerika, Frankreich, England ist der Luxus nach dem Krieg bis zur perversen Ekstase gesteigert. Das von internationalen patriotischen Parasiten vollgepresste Paris gleicht nach den Worten des Temps” einem Babylon am Vorabend der Katastrophe.

Dieser Bourgeoisie passen sich die Politik, das Gericht, die Presse, die Kunst und die Kirche an. Alle Schranken sind gefallen. Wilson, Clemenceau, Millerand, Lloyd George, Churchill scheuen nicht zurück vor dem frechsten Betrug, vor der gröbsten Lüge und gehen ruhig zu neuen verbrecherischen Taten über, wenn sie ihrer Ehrlosigkeit überführt werden. Die klassischen Regeln der politischen Tücke des alten Machiavelli sind unschuldige Aphorismen eines provinzialen Einfaltspinsels im Vergleich mit den Grundsätzen, von denen sich die jetzigen bürgerlichen Regierungen leiten lassen. Das Gericht, das früher von der Demokratie mit Flittergold bedeckt wurde, um sein bürgerliches Wesen zu verbergen, wurde jetzt ein offenes Organ der Klassenverhöhnung und der konterrevolutionären Provokation. Die Richter der dritten Republik zuckten nicht mit der Wimper, als sie den Mörder Jaurès freisprachen. Die Gerichte Deutschlands, das sich als sozialistische Republik” ausgerufen hat, ermutigen die Mörder Liebknechts, Rosa Luxemburgs und anderer Märtyrer des Proletariats zu weiteren Taten. Die Tribunale der bürgerlichen Demokratie verwandelten sich in Organe für die feierliche Legalisierung aller Verbrechen des weißen Terrors,

Die bürgerliche Presse trägt offen den Stempel der Käuflichkeit als Fabrikmarke an der Stirn. Die führenden Zeitungen der Weltbourgeoisie sind ungeheure Fabriken der Lüge, Verleumdung und geistigen Vergiftung.

Die Stimmungen der Bourgeoisie springen ebenso nervös um, wie die Preise auf ihrem Markt. In den ersten Monaten nach Beendigung des Krieges fieberte die internationale Bourgeoisie, besonders die französische, aus Furcht vor dem andringenden Kommunismus. Den Grad der unmittelbaren Gefahr maß sie an dem Umfang der von ihr verübten blutigen Verbrechen. Aber sie hat den ersten Ansturm ausgehalten. Die sozialistischen Parteien und die Gewerkschaften der II. Internationale, die durch die Ketten der gemeinsamen Schuld an sie gefesselt sind, leisteten ihr den letzten Dienst, indem sie den ersten, zornigen Schlag der Arbeitenden auffingen. Um den Preis des vollkommenen Zusammenbruches der II. Internationale erhielt die Bourgeoisie einen Aufschub. Die von Clemenceau durchgeführten gegenrevolutionären Parlamentswahlen, einige Monate unbeständigen Gleichgewichtes, die Misserfolge des Maistreiks genügten, um der französischen Bourgeoisie den Glauben an die Unerschütterlichkeit ihres Regimes einzuflößen. ihr Klassenhochmut erreichte dieselbe Höhe, die früher ihre Furcht erreicht hatte.

Die Drohung ist das einzige Argument der Bourgeoisie geworden. Sie glaubt nicht an Phrasen und fordert Taten, wie Verhaftungen, Ausweisungen, Konfiskationen, Erschießungen. Die bürgerlichen Minister und Parlamentarier suchen der Bourgeoisie zu imponieren, indem sie sich als stahlharte Leute aufspielen. Lloyd George rät trocken den deutschen Ministern an, ihre Kommunisten nach dem Beispiel Frankreichs vom Jahre 1871 einfach niederzuknallen. Irgendein beliebiger drittklassiger Beamter darf auf den stürmischen Beifall der Kammer rechnen, wenn sein dürftiger Bericht mit einer Drohung gegen die Arbeiter endet.

In einer Zeit, in welcher sich der offizielle Staatsapparat immer offener in eine Organisation zur blutigen Unterdrückung der Werktätigen verwandelt, bilden sich gleichzeitig und handeln auf seinen Befehl und auf seine Verfügung verschiedene private gegenrevolutionäre Organisationen für gewaltsame Sprengung von Streiks, für provokatorische Handlungen, für künstlich inszenierte Prozesse, für die Zerstörung revolutionärer Organisationen, für die Aufhebung kommunistischer Einrichtungen, für Pogroms und Brandstiftungen, für den Mord revolutionärer Führer und für andere ähnliche Maßnahmen zum Schutze des Privateigentums und der Demokratie.

Die Söhnchen der Großgrundbesitzer und der Großbourgeoisie, die aus dem Geleise geratenen Kleinbürger und alle deklassierten Elemente, unter ihnen an erster Stelle die bürgerlichen und adligen Flüchtlinge aus Sowjetrussland, bilden das unerschöpfliche Reservoir für die freiwilligen Abteilungen der Konterrevolution. An ihrer Spitze steht das aus der Schule des imperialistischen Gemetzels hervorgegangene Offizierskorps. Einige 20.000 Berufsoffiziere aus der Armee der Hohenzollern bilden, besonders nach dem Kapp-Lüttwitz-Putsch, einen festen gegenrevolutionären Kern, den die deutsche Demokratie aufzulösen nicht die Kraft hat, den nur der Hammer der Proletarierdiktatur zerschmettern kann. Diese zentralisierte Organisation von Terroristen des alten Regimes wird durch weißgardistische Freikorps auf den Besitzungen der Junker ergänzt.

in den Vereinigten Staaten stellen solche Verbände, wie der Volksbund für innere Sicherheit (National Security League) oder die Ritter der Freiheit (Knights of Liberty) die Stoßbataillone des Kapitals dar, an deren äußerster Flanke echte Räuberbanden in Gestalt von Spionageagenturen (Detective agencies) tätig sind.

In Frankreich stellt die Bürgerliga” (Ligue Civique) eine vornehme Organisation von Streikbrechern dar, während in derselben Zeit die reformistische Konföderation der Arbeit” für vogelfrei erklärt wird.

Die Offiziershorde des weißen Ungarn, die neben der von England unterstützten Regierung der konterrevolutionären Henker besteht, zeigte dem Proletariat der ganzen Welt, wie jene Zivilisation und jene Humanität aussieht, die Wilson und Lloyd George der Sowjetmacht und der revolutionären Gewalt gegenüberstellen.

Die demokratischen” Regierungen Finnlands, Georgiens, Lettlands und Estlands erschöpfen ihre Kräfte, um das herrliche ungarische Beispiel nachzuahmen. In Barcelona hat die Polizei eine geheime Mörderbande zu ihrer Verfügung. Und so geht es weiter und ist es überall. Auch in dem vernichteten und verwüsteten Bulgarien bilden die beschäftigungslosen Offiziere geheime Verbände, die sich vorbereiten, bei der ersten Gelegenheit ihren Patriotismus auf den Schädeln der bulgarischen Arbeiter zu beweisen.

Das Programm der Milderung der Gegensätze, der Arbeitsgemeinschaft der Klassen, der parlamentarischen Reformen, der stufenweisen Sozialisierung, der nationalen Einheit stellt sich im Lichte der bürgerlichen Ordnung, wie sie aus dem Weltkrieg hervorging, dar als eine tragische Narretei.

Die Bourgeoisie entsagte entschlossen einer Aussöhnung mit dem Proletariat durch Reformen. Sie demoralisiert die verschwindend kleine Oberschicht durch kleine Gaben und zwingt die große Masse durch Eisen und Blut zum Gehorsam.

Es gibt keine einzige ernste Frage, die jetzt durch Abstimmung entschieden werden könnte. Von der Demokratie blieb nur die Erinnerung an sie in den Köpfen der Reformisten übrig. Die Staatsorganisation entwickelt sich immer mehr zu ihrer ursprünglichen Grundlage zurück, zu Abteilungen bewaffneter Leute. Die Bourgeoisie zählt nicht mehr die Stimmen, sie rechnet nur mit der Anzahl der Gewehre, Maschinengewehre und Geschütze, die sie zur Verfügung haben wird, wenn die Frage der Macht und des Eigentums auf des Messers Schneide steht.

Es gibt keinen Platz mehr für die Arbeitsgemeinschaft noch für Vermittlung! Rettung gibt nur der Sturz der Bourgeoisie. Das aber vermag nur der Aufstand des Proletariats.

4. Sowjetrussland.

Inmitten der zügellosen Elemente des Chauvinismus, der Habsucht und der Vernichtung offenbart nur das Prinzip des Kommunismus Lebensfähigkeit und schöpferische Kraft. Obgleich sich die Sowjetmacht zuerst in dem Lande Europas befestigte, das am meisten zurückgeblieben und ruiniert und von einem Heerhaufen mächtiger Feinde umringt war, hat sich die Sowjetmacht nicht nur im Kampfe mit ungeheuren, nie erlebten Hindernissen gehalten, sondern in der Tat die großen Entwicklungsmöglichkeiten gezeigt, die im Kommunismus verborgen sind. Die Entwicklung und Befestigung der Sowjetmacht in Russland erscheint als die wichtigste historische Tatsache seit der Gründung der Kommunistischen Internationale.

In der Schaffung eines Heeres pflegte die nach Klassen aufgebaute Gesellschaft die stärkste Prüfung des wirtschaftlichen und staatlichen Aufbaues zu erblicken. Nach der Kraft oder Schwäche der Armee beurteilt man die Kraft oder Schwäche der Wirtschaft und des Staates.

Mitten im Feuer schuf die Sowjetgewalt eine große bewaffnete Macht. Die Rote Armee offenbarte ihr unbestreitbares Übergewicht sowohl im Kampfe mit dem alten bürgerlichen und monarchistischen Russland, das den Imperialismus mit Hilfe der Weißen Armee Koltschaks, Denikins, Judenitschs, Wrangels u. a. wiederherzustellen versuchte, als auch im Kampfe mit den nationalen Armeen jener Demokratien”, die der Weltimperialismus zu seinem Gebrauch aufstellt (Finnland, Estland, Lettland, Polen).

Auf wirtschaftlichem Gebiet vollbrachte die Sowjetmacht die größte Leistung schon dadurch, dass sie die Werkzeuge der Ausbeutung den Händen der Bourgeoisie entwand und sie in Mittel der planmäßigen Wirtschaft verwandelte. Mitten im Kampfgetöse, auf unendlichen Fronten ließ die Sowjetmacht nicht eine Möglichkeit des wirtschaftlichen und kulturellen Aufbaues aus den Augen. In der Zeit zwischen der Vernichtung Denikins und dem räuberischen Überfall Polens ging die Sowjetregierung an die umfassende Organisation der Arbeitspflicht, an die genauere Erfassung und bessere Verwendung der Produktionskräfte und -mittel, an die Heranziehung von Teilen der Armee zur wirtschaftlichen Arbeit und vor allem an die Wiederherstellung des Transportwesens.

Nur das Monopol des sozialistischen Staates auf die Hauptnahrungsmittel, verbunden mit einem unbarmherzigen Kampf gegen die Spekulation, rettete die russischen Städte vom Hungertode und gab die Möglichkeit, die Rote Armee zu verpflegen. Nur die staatliche Vereinigung der einzelnen Betriebe, Fabriken und der im Privatbesitz befindlichen Eisenbahnen und Schiffe sicherte die Produktions- und Transportmöglichkeit.

Die Zentralisation der Industrie und des Transportes in den Händen des Staates führte zur Vergesellschaftung der Technik selbst durch ihre Normalisierung. Die Festsetzung einer Minimalzahl von Lokomotiv-, Waggon-, Schiffstypen, die zur Erzeugung und Reparatur zugelassen werden, und die periodische Reglementierung der Maschinenteile zwecks massenhafter Erzeugung von Typen sind nur auf sozialistischer Grundlage möglich. Sie bieten auf dem Wege des weiteren wirtschaftlichen Fortschrittes in produktiver Hinsicht unermessliche Vorteile. Der wissenschaftlichen Organisation der Industrie und der Anwendung der Methoden des Taylorsystems — ohne seine kapitalistischen, ausbeuterischen Züge — stellen sich in Sowjetrussland keine Hindernisse mehr entgegen, außer denjenigen, welche die imperialistische Gewalt von außen schafft.

In der Zeit, wo die nationalen Interessen sich mit den Anmaßungen des Imperialismus kreuzen und in der ganzen Welt eine Quelle ununterbrochener Konflikte, Aufstände und Kriege bilden, bewies das sozialistische Russland, dass der Arbeiterstaat fähig ist, die nationalen mit den wirtschaftlichen Bedürfnissen schmerzlos zu verbinden, indem sie jene vom Chauvinismus reinigt und diese vom Imperialismus befreit. Der Sozialismus will alle Gebiete, alle Kreise, alle Nationalitäten im einheitlichen Wirtschaftsplan vereinigen. Der wirtschaftliche Zentralismus, der sowohl von der Ausbeutung einer Klasse durch die andere, als auch einer Nation durch die andere befreit und deshalb gleich vorteilhaft für alle ist, verträgt sich ohne Schaden mit der wirklichen Freiheit der nationalen Entwicklung.

Aus der Erfahrung Sowjetrusslands überzeugen sich die Völker Zentraleuropas, des südöstlichen Balkans, der englischen Besitzungen, alle unterdrückten Nationen und Stämme — die Ägypter und Türken, Inder und Perser, Irländer und Bulgaren — davon, dass die kameradschaftliche Arbeitsgemeinschaft aller nationalen Teile der Menschheit nur durch den Bund der Sowjetrepubliken zu verwirklichen ist.

Die Revolution schuf in Russland die erste proletarische Macht. In den drei Jahren seines Bestehens veränderten sich seine Grenzen ununterbrochen. Sie zogen sich unter dem äußeren militärischen Druck des Weltimperialismus zusammen; sie dehnten sich aus, wenn der Druck schwächer wurde.

Der Kampf für Sowjetrussland ist verschmolzen mit dem Kampfe gegen den Weltimperialismus. Die Frage Sowjetrussland” wurde der Prüfstein für alle Organisationen der Arbeiterklasse. Der zweite niederträchtigste Verrat der deutschen Sozialdemokraten nach dem 4. August 1914 bestand darin, dass sie, an der Spitze des deutschen Staates stehend, bei dem Imperialismus des Westens Schutz suchten, statt ein Bündnis mit der Revolution im Osten anzustreben. Sowjetdeutschland im Bunde mit Sowjetrussland wären stärker als alle kapitalistischen Staaten zusammengenommen!

Die Sache Sowjetrusslands wurde von der Kommunistischen Internationale zu ihrer eigenen gemacht. Das internationale Proletariat wird das Schwert nicht niederlegen, solange Sowjetrussland nicht ein Glied in der Föderation der Räterepubliken der ganzen Welt bildet.

5. Die proletarische Revolution und die Kommunistische Internationale

Der Bürgerkrieg steht in der ganzen Welt auf der Tagesordnung. Seine Fahne ist die Sowjetmacht.

Der Kapitalismus hat ungeheure Massen der Menschheit proletarisiert. Der Imperialismus bringt diese Massen aus dem Gleichgewicht und setzt sie in revolutionäre Bewegung. Der Begriff Masse selbst hat sich in den letzten Jahren geändert. Das, was in der Periode des Parlamentarismus und der Trade-Unions zur Masse gerechnet wurde, verwandelte sich jetzt in die Oberschichten. Millionen und Abermillionen, die früher außerhalb des politischen Lebens standen, verwandeln sich jetzt in eine revolutionäre Masse. Der Krieg hat alle auf die Beine gebracht, hat die politische Aufmerksamkeit selbst der rückständigsten Schichten erregt, hat bei ihnen Illusionen und Hoffnungen erweckt und hat sie betrogen.

Die zünftige Abgeschlossenheit der Arbeit und verhältnismäßige Stabilität der Lebenshaltung in den Oberschichten des Proletariats, die stumpfe und teilnahmslose Hoffnungslosigkeit In den unteren Schichten, diese sozialen Grundlagen der alten Form der Arbeiterbewegung gehören unwiderruflich der Vergangenheit an. Neue Millionen sind in den Kampf hineingezogen worden. Die Frauen, die Väter und Männer verloren haben und gezwungen sind, sie durch ihre Arbeit zu ersetzen, ergossen sich in breitem Strome in die Bewegung. Die arbeitende Jugend, die unter dem Blitz und Donner des Weltkrieges heranwuchs, fühlt in der Revolution ihr heimisches Element. Der Kampf hat in verschiedenen Ländern verschiedene Etappen durchgemacht. Aber das ist der letzte Kampf. — Die Wellen der Bewegung ergießen sich nicht selten in überlebte Organisationsformen, denen sie vorübergehend neues Leben geben. Alte Schlagworte, halbverwischte Losungen tauchen hin und wieder an der Oberfläche des Stromes auf. Viel Irrtum, Unklarheit, Vorurteile und Illusionen sitzen noch in den Köpfen. Aber die Bewegung als Ganzes besitzt tief revolutionären Charakter. Sie ist umfassend und unaufhaltsam. Sie dehnt sich aus, festigt sich, reinigt sich und stößt den alten Plunder ab. Sie hört nicht eher auf, bis das Weltproletariat zur Herrschaft gelangt sein wird.

Die Grundform dieser Bewegung ist der Streik. Seine einfachste und mächtigste Ursache ist die Preissteigerung der Gebrauchsgegenstände. Der Streik entsteht nicht selten aus vereinzelten örtlichen Konflikten. Er bricht aus als ungeduldiger Widerhall der Massen auf die parlamentarische Balgerei der Sozialisten. Er vermengt wirtschaftliche Losungen mit politischen. Er wird geboren aus dem Solidaritätsgefühl mit den Unterdrückten im eigenen und im fremden Lande. In ihm sind nicht selten Splitter von Reformismus mit Losungen des sozialrevolutionären Programms enthalten. Er beruhigt sich, wird eingestellt, von neuem geboren, erschüttert die Produktion, hält den Staatsapparat in Spannung, bringt die Bourgeoisie außen Fassung und benutzt jeden Anlass, um Sowjetrussland seinen Gruß zu senden. Die Vorahnung trügt die Ausbeuter nicht. Dieser chaotische Streik ist in der Tat nur ein sozialrevolutionäres Signal und eine Mobilisierung des internationalen Proletariats.

Die große Abhängigkeit jedes Landes vom anderen, die während des Krieges so katastrophal zutage trat, gibt jenen Arbeitszweigen besondere Bedeutung, die ein Land mit dem anderen verbinden und schiebt die Eisenbahn —‚ im Allgemeinen die Transportarbeiter wie auf den ersten Platz vor. Die Transportproletarier hatten Gelegenheit, einen Teil ihrer Kraft in dem Boykott Weiß-Ungarns und Weiß-Polens zu offenbaren. Der Streik und der Boykott, die Methoden, die von der Arbeiterklasse bei der Morgenröte ihres gewerkschaftlichen Kampfes angewandt wurden, d. h. noch bevor sie den Parlamentarismus auszunützen begann, erhalten jetzt unerhörten Spielraum und eine neue drohende Bedeutung, gleich der Artillerievorbereitung zum letzten Angriff.

Die ganze wachsende Hilflosigkeit der einzelnen Person vor dem Ansturm der historischen Ereignisse stößt nicht nur neue Schichten von Arbeitern und Arbeiterinnen, sondern auch Angestellte, Beamte, die kleinbürgerliche Intelligenz in die Reihen der Berufsorganisationen. Bevor der Gang der proletarischen Revolution die Schaffung von Sowjets erzwingt, die sofort über allen alten Arbeiterorganisationen stehen, sammeln sich die Arbeitenden in traditionellen Gewerkschaften, dulden zeitweilig ihre alte Form, ihr offizielles Programm, ihre leitende Spitze; aber sie tragen in diese Organisationen den wachsenden revolutionären Impuls der ungeheuren Millionenmassen.

Die untersten Schichten — die landwirtschaftlichen Proletarier, die Landarbeiter — erheben das Haupt. In Italien, Deutschland und anderen Ländern beobachtet man ein großartiges Anwachsen der revolutionären Bewegung der landwirtschaftlichen Arbeiter und deren brüderliche Annäherung zum Stadtproletariat.

Das Verhältnis der ärmsten Schichten der Bauernschaft zum Sozialismus ändert sich. Wenn das Liebäugeln der parlamentarischen Reformisten mit dem Eigentumsaberglauben des Bauern fruchtlos blieb, so bringt die wirklich revolutionäre Bewegung des Proletariats, sein unversöhnlicher Kampf gegen die Unterdrücker einen Abglanz der Hoffnung in die Seele des rückständigsten, an die Erde geketteten, zu Grunde gerichteten Bauern hervor.

Der Ozean der menschlichen Not und geistigen Finsternis ist bodenlos. Unter jeder sich erhebenden Schicht zeigt sich eine neue, die auch schon im Begriff steht, sich zu erheben. Aber die Vorhut darf nicht eine große Gefolgschaft abwarten, um in den Kampf einzutreten. Die Erweckungsarbeit, die Erhebung und die Erziehung seiner rückständigsten Schichten wird die Arbeiterklasse erst nach Eroberung der Macht durchführen.

Es erwachten die Arbeitenden der kolonialen und halb-kolonialen Länder. In den unabsehbaren Gebieten Indiens, Ägyptens und Persiens, über die der gigantische Polyp des englischen Imperialismus sich legte, in diesem unermesslichen menschlichen Ozean vollzieht sich eine ununterbrochene innere Arbeit, die hohe Wellen wirft und in der City die Aktien und die Herzen erzittern macht.

In der Bewegung der kolonialen Völker verbindet sich das soziale Element in ganz verschiedenen Formen mit dem nationalen; aber beide Tendenzen sind gegen den Imperialismus gerichtet. Der Weg von den ersten Kindesschritten bis zu den ausgereiften Formen des Kampfes wird in den Kolonien und in den zurückgebliebenen Ländern im Allgemeinen unter dem Druck des modernen Imperialismus und unter der Leitung des revolutionären Proletariats in beschleunigtem Marsche zurückgelegt.

Die vielversprechende Annäherung der moslemischen und nicht moslemischen Völker, die durch gemeinsame Ketten der britischen und fremdländischen Herrschaft im Allgemeinen aneinander geschmiedet sind, die innere Reinigung der Bewegung, die Aufhebung des Einflusses der Geistlichkeit und der chauvinistischen Reaktion, der gleichzeitige Kampf gegen die fremden Unterdrücker und gegen die eigenen Machthaber, feudalen Geistlichen und Wucherer verwandeln die wachsende Armee des kolonialen Aufstandes in eine mächtige historische Kraft, in eine mächtige Reserve des Weltproletariats. Die Parias erheben sich, ihr erwachter Gedanke zieht sie heiß zu Sowjetrussland, zu den Barrikadenkämpfern auf den Straßen der deutschen Städte, zu dem entflammten Streikkampf in Großbritannien, zur Kommunistischen Internationale hin.

Der Sozialist, der direkt oder indirekt die bevorzugte Lage der einen Nation auf Kosten der anderen unterstützt, der sich mit der kolonialen Sklaverei aussöhnt, der rechtliche Unterschiede zwischen Leuten verschiedener Rassen und Hautfarben macht, der der Bourgeoisie des Stammlandes hilft, ihre Herrschaft über die Kolonien zu bewahren, statt der Sache des bewaffneten Aufstandes der Kolonien zu helfen, der britische Sozialist, der nicht mit allen Mitteln den Aufstand gegen die Londoner Plutokratie in Irland, Ägypten und Indien unterstützt, — ein solcher Sozialist verdient, wenn nicht die Kugel, so doch das Schandmal, und kein Mandat und kein Vertrauen des Proletariats.

Außerdem stößt das Proletariat in seinen internationalen revolutionären Aktionen weniger auf die halbzerstörten Linien der Drahtverhaue, die sich noch in vielen Gegenden vom Kriege her bewahrt haben, als auf den Egoismus, Konservatismus, die Starrköpfigkeit und Verräterei der alten Partei und Berufsorganisationen, die sich auf seinem Rücken in der vorhergehenden Epoche erhoben haben.

Die Führer der alten Gewerkschaften handeln mit allen Mitteln den revolutionären Kämpfen der arbeitenden Massen entgegen, hemmen sie, oder wenn es anders nicht möglich ist, nehmen sie die Streiks in ihre Hände, um sie dann durch dunkle Machenschaften hinter den Kulissen desto sicherer abzuwürgen.

Der historische Verrat der internationalen Sozialdemokratie hat in der Geschichte der Unterdrückung und des Kampfes nicht seinesgleichen. Das hat sich am klarsten und schrecklichsten in Deutschland gezeigt. Der Zusammenbruch des deutschen Imperialismus vollzog sich zugleich mit dem Zusammenbruch des kapitalistischen Wirtschaftssystems. Außen dem Proletariat gab es keine andere Klasse, die auf die regierende Macht hätte Anspruch erheben können. Die Entwicklung der Technik, die zahlenmäßige Stärke und kulturelle Höhe der deutschen Arbeiterklasse waren ein sicherer Bürge für den Erfolg des sozialistischen Umsturzes. Aber der Verwirklichung dieser Aufgabe stemmte sich die deutsche Sozialdemokratie entgegen. Durch verwickelte Manöver, worin sich Schlauheit mit Stumpfsinn paart, wurde die Energie des Proletariats vom natürlichen und notwendigen Ziel, der Eroberung der Macht abgelenkt. — Im Verlauf von Jahrzehnten hat die Sozialdemokratie das Vertrauen der Massen gewonnen, um damit im entscheidenden Augenblick, in dem das Schicksal der bürgerlichen Gesellschaft auf dem Spiele stand, ihre ganze Autorität den Unterdrückern zur Verfügung zu stellen.

Der Verrat des Liberalismus und der Zusammenbruch der bürgerlichen Demokratie erwiesen sich als minder wichtige Episoden im Vergleich zum ungeheuren Verrat der sozialistischen Parteien. Selbst die Rolle der Kirche, die elektrische Station der Konservativen, wie sie Lloyd George bezeichnet, tritt vor der antisozialistischen Rolle der II. Internationale in den Hintergrund.

Die Sozialdemokratie begründete ihren Verrat während des Krieges mit der Losung der nationalen Verteidigung. Ihre konterrevolutionäre Politik nach Friedensschluss verdeckt sie mit der Losung — Demokratie. Die nationale Verteidigung und Demokratie ist die triumphierende Formel der Kapitulation des Proletariats vor dem Willen der Bourgeoisie.

Aber der Fall ist damit nicht beendet. Ihre Politik, die dem Schutz der kapitalistischen Ordnung dient, führt die sich im Gefolge der Bourgeoisie befindende Sozialdemokratie notgedrungen dazu, öffentlich die nationale Verteidigung” und die Demokratie” mit Füßen zu treten. Scheidemann und Ebert lecken die Hand des französischen Imperialismus; sie suchen seine Unterstützung gegen die Räterevolution. Noske wird zur Verkörperung des weißen Terrors der bürgerlichen Konterrevolution. Albert Thomas verwandelt sich in den bezahlten Agenten des Völkerbunds, dieser schmutzigen Agentur des Imperialismus. Vandervelde ‚ diese schönrednerische fleischgewordene Oberflächlichkeit der II. Internationale, deren Haupt er war, ist königlicher Minister, Helfershelfer des klerikalen Delacroix, der Schützer der belgischen katholischen Pfaffen und der Advokat der kapitalistischen Gräuel an den Kongonegern geworden. Henderson, der die großen Männer der Bourgeoisie nachäfft und bald den königlichen Minister, bald seiner Majestät alleruntertänigste Arbeiteropposition spielt, Tom Shaw, der von der Räteregierung einen strikten Beweis dafür verlangt, dass in der Londoner Regierung Räuber, Diebe und Lügner sitzen — was sind diese Herrschaften anders als ausgesprochene Feinde der Arbeiterklasse.

Renner und Seitz, Nemec und Tusa, Troelstra, Branting, Daschinski und Tschcheidse, jeder von ihnen überträgt den schmachvollen Schiffbruch der II. Internationale in die Sprache seiner kläglichen Spitzbubenstreiche. Endlich hat Kautsky, der frühere Marxist und Theoretiker der II. Internationale, sich in einen murmelnden Winkeladvokaten der gelben Presse aller Länder verwandelt.

Unter dem Druck der Massen wechseln die gewandteren Elemente des alten Sozialismus, ohne ihr Wesen zu ändern, ihren Anstrich und ihre Haut; sie brechen oder drohen zu brechen mit der II. Internationale und schrecken dabei vor jeder wirklichen revolutionären und Massenaktion und sogar vor einer ernstlichen Vorbereitung zur Aktion zurück.

Um diese Maskerade zu kennzeichnen und zugleich zu brandmarken, genügt es, darauf hinzuweisen, dass die Polnische Sozialistische Partei, deren Führer Daschinski und deren Patron Pilsudski ist, die Partei des kleinbürgerlichen Zynismus und des chauvinistischen Fanatismus, ebenfalls ihren Austritt aus der II. Internationale erklärt hat.

Die führende parlamentarische Clique der Französischen Sozialistischen Partei, die jetzt gegen das Budget und gegen den Versailler Vertrag stimmt, bleibt ihrem Wesen nach eine der Hauptstützen der bürgerlichen Republik. Ihre oppositionellen Gesten gehen nicht weiter als nötig, um von Zeit zu Zeit halbwegs das Vertrauen der allerkonservativsten Schichten des Proletariats wiederherzustellen.

In den Grundfragen des Klassenkampfes stumpft der französische parlamentarische Sozialismus wie früher den Willen der Arbeiterklasse ab, indem er ihr beibringt, dass der jetzige Moment für die Ergreifung der Macht ungeeignet sei, da Frankreich äußerst erschöpft sei, ebenso wie er gestern ungünstig war wegen des Krieges, wie auch am Vorabend des Krieges der industrielle Aufschwung und vor ihm die Industriekrise hinderlich waren. In gleicher Linie mit dem parlamentarischen Sozialismus und keinen Zoll höher steht der geschwätzige und lügnerische Syndikalismus von Jouhaux und Konsorten.

Die Schaffung einer starken, durch den Geist der Einheit und Disziplin zusammengeschweißten kommunistischen Partei ist für das französische Proletariat eine Frage über Leben und Tod.

In Streiks und Aufständen wird ein neues Geschlecht deutscher Arbeiter erzogen und gestählt. Sie bezahlen ihre Erfahrungen mit um so größeren Opfern, je länger in der Unabhängigen Sozialistischen Partei Deutschlands der Einfluss der sozialdemokratischen Staatsretter und Routiniers aufrecht erhalten wird, die immer nach der Sozialdemokratie zur Zeit Bebels zurückschauen, die den Charakter der heutigen revolutionären Epoche nicht verstehen, den Bürgerkrieg und den revolutionären Terror beiseite schieben, im Kielwasser der Ereignisse segeln und auf das Wunder hoffen, das ihrem Bankerott abhelfen soll. Die Partei Rosa Luxemburgs und Karl Liebknechts lehrt die deutschen Arbeiter in der Hitze des Gefechts den rechten Weg finden.

Der Beharrungstrieb bei den Spitzen der englischen Arbeiterbewegung ist so groß, dass dort nicht einmal die Notwendigkeit einer Änderung der Bewaffnung gefühlt wird. Die Führer der britischen Arbeiterpartei bemühen sich unentwegt, in den Reihen der II. Internationale zu bleiben. In einer Zeit, in der der Gang der Ereignisse in den letzten Jahren die Starrheit des wirtschaftlichen Lebens auch in dem konservativen England über den Haufen warf und die Massen für ein revolutionäres Programm so empfänglich, wie nur möglich gemacht hat, bleibt die offizielle Maschine der bürgerlichen Nation — die königliche Gewalt, das Haus der Lords, das Unterhaus, die Kirche, die Trade Unions, die Arbeiterpartei, Georg V, der Erzbischof von Canterbury und Henderson — all das bleibt unerschüttert als mächtiger automatischer Hemmschuh jeder Entwicklung. Die proletarischen Unterschichten können diesem offiziellen Kopf nur eine von der Routine und dem Sektierertum gleich freie, mit den Massenorganisationen eng verbundene kommunistische Partei entgegenstellen.

In Italien, wo sogar die Bourgeoisie selbst offen anerkennt, dass der Schlüssel zu den ferneren Schicksalen des Landes in den Händen der Sozialistischen Partei liegt, besteht die Politik des rechten von Turati geführten Flügels darin, die machtvoll sich entwickelnde Revolution des Proletariats in das Bett parlamentarischer Reformen abzuleiten. Diese innere Sabotage stellt augenblicklich die höchste Gefahr dar.

Proletarier Italiens, denkt an Ungarn, dessen Beispiel der Geschichte angehört, als drohende Warnung, dass im Kampf um die Macht und nach seiner Ergreifung das Proletariat sich fest auf seine eigenen Füße stellen muss, indem es alle überlebten und schwankenden Elemente ausmerzt und mit schonungsloser Hand alle Versuche des Verrats aburteilt!

Die kriegerischen Erschütterungen, die als Folge die schwere Wirtschaftskrise hinterlassen haben, eröffnen ein neues Kapitel in der Arbeiterbewegung der Vereinigten Staaten, wie der anderen Länder auf dem amerikanischen Kontinent. Das Ende des Flittergolds und der Lüge des Wilsonismus ist zugleich das Ende des amerikanischen Sozialismus, der eine Mischung von pazifistischen Illusionen mit jahrmarktschreierischer Geschäftigkeit darstellt und friedlich den Trade-Unionismus des Herrn Gompers von links her ergänzt. Die engste Zusammenschweißung der revolutionären proletarischen Parteien und Organisationen des amerikanischen Kontinents — von der Halbinsel Alaska bis zum Kap Horn — in eine innig verbundene amerikanische Sektion der Kommunistischen Internationale, die dem mächtigen Feinde, dem Imperialismus der Vereinigten Staaten, entgegensteht — das ist eine Aufgabe, die erfüllt werden muss und erfüllt werden wird im Kampfe mit allen Kräften, die vom Dollar zu seinem Schutze mobilisiert werden.

Regierungs- und Halbregierungssozialisten der verschiedenen Länder bringen viele Vorwände, die Kommunisten zu beschuldigen, dass diese durch ihre unversöhnliche Taktik das Auftreten der Konterrevolution hervorrufen und dadurch helfen, ihre Reihen fester zu schließen. Diese politische Beschuldigung ist nichts anderes als eine verspätete Wiederholung der Klagen des Liberalismus. Namentlich der letztere behauptete, dass der selbständige Kampf des Proletariats die Besitzenden in das Lager der Reaktion treibt. Das ist unzweifelhaft richtig. Wenn die Arbeiterklasse keine Eingriffe in die Grundlagen ihrer Herrschaft versuchte, brauchte die Bourgeoisie keine Repressalien. Der Begriff der Konterrevolution selbst würde nicht existieren, wenn die Geschichte nicht die Revolution kennen würde. Wenn die Erhebungen des Proletariats unvermeidlich den Zusammenschluss der Bourgeoisie zum Selbstschutz und Gegenangriff nach sich ziehen, so beweist diese Tatsache nur, dass die Revolution der Kampf zweier unversöhnlichen Klassen ist, der nur mit dem endgültigen Siege einer von den beiden enden kann.

Mit Verachtung verwirft der Kommunismus die Politik, die darauf hinausläuft, die Massen im Zustande der Untätigkeit zu erhalten, indem man sie mit der Knute Konterrevolution” zurückschreckt. Dem Zerfall und Chaos der kapitalistischen Welt, die mit Anspannung ihrer letzten Kräfte die menschliche Kultur zu vernichten droht, stellt die Kommunistische Internationale entgegen den vereinigten Kampf des internationalen Proletariats, die Vernichtung jeglichen Privateigentums an den Produktionsmitteln und die Umgestaltung der nationalen und Weltwirtschaft auf der Grundlage eines einheitlichen Wirtschaftsplanes, der durch die solidarische Gemeinschaft der Erzeuger aufgestellt und durchgeführt wird.

Unter dem Banner: Diktatur des Proletariats und des Sowjetsystems, das Millionen von Werktätigen aller Erdteile vereinigt, — reinigt, erweitert und formiert die Kommunistische Internationale im Feuer des Gefechts ihre eigenen Reihen. Die Kommunistische Internationale ist die Partei des revolutionären Aufstandes des internationalen Proletariats. Sie schließt alle die Gruppen und Organisationen aus, die in offener und versteckter Form das Proletariat einschläfern, demoralisieren oder schwächen; sie treibt das Proletariat an, sich den Götzen Legalität, Demokratie, nationale Verteidigung u. a., welche die Diktatur der Bourgeoisie verdecken, nicht zu beugen. Die Kommunistische Internationale kann ebenso in ihre Reihen die Organisationen nicht aufnehmen, die zwar in ihrem Programm die Diktatur des Proletariats anerkennen, aber dennoch eine Politik führen, die mit einer friedlichen Lösung der geschichtlichen Krisis rechnet. Die bloße Anerkennung des Rätesystems löst keine Fragen. Die Organisation der Räteregierung besitzt keine wundertätige Kraft. Die revolutionäre Kraft liegt im Proletariat selbst. Es ist unbedingt notwendig, dass es sich zum Aufstand und zur Erkämpfung der Macht erhebt; nur dann kann die Räteorganisation ihre Vorzüge an den Tag bringen als eine unvergleichliche Waffe in der Hand des Proletariats. Die Kommunistische Internationale fordert die Verjagung aller der Führer aus den Reihen der Arbeiterbewegung, die durch direkte oder indirekte Zusammenarbeit mit der Bourgeoisie verbunden sind, die auf direktem oder indirektem Wege der Bourgeoisie politisch irgendwelche Beihilfe leisteten. Wir brauchen Führer, die keine andere Beziehung zur Bourgeoisie haben, als tödlichen Hass, die das Proletariat zu unermüdlichem Kampfe rufen und leiten, die bereit sind, eine Armee Aufständischer in den Kampf zu führen, die nicht auf halbem Wege zurückschrecken, und die, was auch kommen mag, nicht ablassen, schonungslos diejenigen zu bestrafen, die den Versuch machen sollten, sie zurückzuhalten. Die Kommunistische Internationale ist die internationale Partei des proletarischen Aufstandes und der proletarischen Diktatur. Sie hat keine anderen Ziele und Aufgaben, als die der ganzen arbeitenden Klasse. Die Anmaßungen der kleinen Sekten, von denen jede nach ihrem eigenen Muster die arbeitende Klasse zu retten sucht, liegen dem Geist der Kommunistischen Internationale fern und sind ihrem Geiste feindlich. Sie gibt keine universalen Rezepte noch Beschwörungen, sie stützt sich auf die Welterfahrungen der Arbeiterklasse in Vergangenheit und Gegenwart, reinigt diese Erfahrung von ihren Fehlern und Abweichungen, verallgemeinert ihre Ergebnisse, anerkennt und übernimmt nur die Formeln, die als Formeln der Massenaktion erscheinen.

Berufsorganisationen, ökonomischer und politischer Streik, Boykott, parlamentarische und kommunale Wahlen, Parlamentstribüne, legale und illegale Agitation, geheime Stützpunkte in der Armee, Arbeit in Konsumvereinen, Barrikaden —keine einzige von der Entwicklung der Arbeiterbewegung geschaffene Form der Organisation oder des Kampfes verwirft die Kommunistische Internationale, und nicht eine einzige Form wird von ihr als Allheilmittel betrachtet.

Das Rätesystem ist kein abstraktes Prinzip, das die Kommunisten dem Prinzip des Parlamentarismus entgegenstellen. Das Rätesystem ist ein Klassenapparat, der im Kampfe und durch den Kampf den Parlamentarismus beseitigen muss und ihn ersetzen soll. Indem die Kommunistische Internationale einen unbarmherzigen Kampf gegen den Reformismus in den Gewerkschaften, gegen den parlamentarischen Kretinismus und das Strebertum in den Parlamenten führt, verurteilt die Kommunistische Internationale die sektiererischen Aufforderungen, die Reihen der viele Millionen umfassenden Gewerkschaften zu verlassen oder den parlamentarischen und Kommunalinstitutionen den Rücken zu kehren. Die Kommunisten trennen sich in keiner Weise von den Massen, die von den Reformisten und Patrioten betrogen und verraten werden. Aber sie führen mit den Reformisten einen unversöhnlichen Kampf auf dem Boden der Massenorganisationen und Institutionen, die von der bürgerlichen Gesellschaft geschaffen wurden, um durch diesen Kampf die bürgerliche Gesellschaft um so sicherer und schneller niederzuwerfen.

Zu der Zeit, als unter dem Schutze der II. Internationale die Methoden der Klassenorganisation und Kämpfe beinahe ausschließlich legale waren, befanden sie sich letzten Endes unter Kontrolle und Führung der Bourgeoisie, deren reformistische Agenten die revolutionäre Klasse zügelten. Die Kommunistische Internationale entreißt die Zügel den Händen der Bourgeoisie, erobert alle Organisationen, vereinigt sie unter revolutionärer Führung und stellt durch sie vor das Proletariat das einzige Ziel: die Erkämpfung der Macht zur Vernichtung des bürgerlichen Staates und zur Errichtung der kommunistischen Gesellschaft.

In seiner ganzen Arbeit, als Führer revolutionärer Aufstände, als Organisator unterirdischer Gruppen, als Sekretär der Gewerkschaften, als Agitator auf Massenversammlungen oder Abgeordneter, als Genossenschaftler oder Barrikadenkämpfer, bleibt der Kommunist er selbst, das disziplinierte Mitglied der Kommunistischen Partei, ihr rücksichtsloser Kämpfer, der Todfeind der kapitalistischen Gesellschaft, ihrer ökonomischen Grundlage, ihrer staatlichen Formen, ihrer demokratischen Lüge, ihrer Religion, ihrer Moral; er ist der aufopferndste Soldat der proletarischen Revolution und der rastlose Verkünder der neuen Gesellschaft.

Arbeiter und Arbeiterinnen! Es gibt auf der Erde nur ein Banner, das wert ist, dass unter ihm gekämpft und gestorben wird: dies Banner ist die Kommunistische Internationale.

Moskau, im August 1920

Der II. Weltkongress der Kommunistischen Internationale.

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