Heinrich Heine: Brief an Karl Marx in Paris Hamburg, 21. September 1844 [Nach Marx Engels Gesamtausgabe (MEGA). Dritte Abteilung. Briefwechsel, Band 1. Berlin 1975, S. 443 f.] Hamburg den 21 Sept. 1844. Liebster Marx! Ich leide wieder an meinem fatalen Augenübel, und nur mit Mühe kritzle ich Ihnen diese Zeilen. Indessen, was ich Ihnen wichtiges zu sagen, kann ich Ihnen Anfangs nächsten Monats mündlich sagen, denn ich bereite mich zur Abreise, beängstigt durch einen Wink von Oben – ich habe nicht Lust auf mich fahnden zu lassen, meine Beine haben kein Talent eiserne Ringe zu tragen, wie Weitling sie trug. Er zeigte mir die Spuren. Man vermutet bei mir größere Teilname am Vorwärts als ich mich deren rühmen kann, und ehrlich gestanden das Blatt beurkundet die größte Meisterschaft im Aufreizen und Kompromittieren. Was soll das geben, sogar Maurer ist debordiert! – Mündlich mehr hierüber. Wenn nur keine Perfidien in Paris ausgesponnen werden. Mein Buch ist gedruckt, wird aber erst in 10 bis 14 Tagen hier ausgegeben, damit nicht gleich Lärm geschlagen wird. Die Aushängebogen des politischen Teils, namentlich wo mein großes Gedicht, schicke ich Ihnen heute unter Kreuzkuvert, in dreifacher Absicht. Nämlich, erstens damit Sie sich damit amüsieren, zweitens damit [Sie] schon gleich Anstalten treffen können für das Buch in der deutschen Presse zu wirken, und drittens damit Sie, wenn Sie es ratsam erachten im Vorwärts das Beste aus dem neuen Gedichte abdrucken lassen können. lch glaube bis zu Ende des 16ten Kapitels des großen Gedichts, ist alles geeignet zum Wiederabdruck, nur müssen Sie Sorgen tragen dass die Partie worin Köln behandelt ist, nämlich die Kapitel 4, 5, 6 und 7 nicht getrennt gedruckt wird sondern in dieselbe Nummer kommt. Dasselbe ist der Fall mit der Partie, die den alten Rotbart betrifft, nämlich die Kapitel 14, 15 und 16 die zusammen in derselben Nummer abgedruckt werden müssen. Schreiben Sie, ich bitte, zu diesen Auszügen ein einleitendes Wort. Den Anfang des Buchs bringe ich Ihnen nach Paris mit, der nur aus Romanzen und Balladen besteht, die Ihrer Frau gefallen werden. (Sie herzlich von mir zu grüßen ist meine freundlichste Bitte; ich freue mich darauf, sie bald wieder zu sehen. Ich hoffe, der nächste Winter wird minder melancholisch für uns sein, wie der vorige.) Von dem großen Gedichte macht jetzt Campe noch einen besonderen Abdruck, worin die Zensur einige Stelle gestrichen, wozu ich aber eine Vorrede geschrieben, die sehr unumwunden; den Nationalen habe ich darum aufs Entschiedenste den Fedehandschuh zugeworfen. Ich schicke Ihnen dieselbe nachträglich, sobald sie gedruckt. Schreiben Sie doch an Hess (dessen Adresse ich nicht weiß) dass er am Rhein, sobald ihm mein Buch zu Gesicht kommt, Alles was er vermag in der Presse dafür tue, ehe die Bären drüber herfallen. Ich bitte nehmen Sie auch Jung in Anspruch für einen Hillfsartikel. – Für den Fall, dass Sie die requirierten Einleitungsworte zum Vorwärts mit Ihrem Namen unterzeichnen, können Sie sagen, dass ich Ihnen die frischen Bogen gleich zugesandt. Sie verstehen die Distinktion, warum ich in anderer Weise dieser Bemerkung gern überhoben wäre. – Ich bitte Sie, suchen Sie Weill zu sehen und ihm in meinem Namen zu sagen, dass ich seinen Brief, der an den unrechten Henri Heine (es gibt deren viele hier) geriet, erst dieser Tage erhielt. Ich werde ihn in 14 Tagen persönlich wiedersehen, er solle unterdessen keine Zeile über mich drucken lassen, am allerwenigsten in Bezug auf mein neues Gedicht. Ich würde ihm, wenn meine Augen es erlauben, vielleicht noch vor meiner Abreise schreiben. Freundliche Grüße an Bernays. – Ich bin froh, dass ich fortkomme. Meine Frau hab ich schon vorher nach Frankreich zu ihrer Mutter geschickt, die am Tode danieder liegt. – Leben Sie wohl, teurer Freund, und entschuldigen Sie mein verworrenes Gekritzel. Ich kann nicht überlesen was ich geschrieben – aber wir brauchen ja wenige Zeichen um uns zu verstehen! Herzinnigst H. Heine. |