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Georg Jung 18440626 Brief an Karl Marx

Georg Jung: Brief an Karl Marx

in Paris

Köln, 26. Juni 1844

[Nach Marx Engels Gesamtausgabe (MEGA). Dritte Abteilung. Briefwechsel, Band 1. Berlin 1975, S. 432 f.]

Lieber Freund,

Die 100 Exemplare sind leider von der Badischen Regierung auf dem Dampfschiffe konfisziert worden. – Es geschieht mir aber schon recht, warum musste ich auch dem leichtsinnigen Renard vertrauen. –

Er versicherte mir es sei nichts leichter als die Beschaffung dieser Bücher, er besorge den ganzen Fröbelschen Verlag nach Köln. – Ich glaube der Kerl verspräche auf Verlangen den Mond nach Köln zu spedieren. – Das Geld werde ich Ihnen dieser Tage übermachen. – Wenn Sie noch einige Exemplare haben etwa 20–30 so senden Sie dieselben an jemand in Lüttich oder Verviers, ich werde dann selbst hingehen, sie holen, und in Rock und Hosentaschen herüber schmuggeln. –

Die Schlesischen Unruhen werden Sie ebenso überrascht haben wie uns. – Sie sind ein glänzendes Zeugnis von der Richtigkeit Ihrer Konstruktion der deutschen Gegenwart und Zukunft in der Einleitung zur Rechtsphilosophie in den Jahrb. – Besonders wahr erzeigt sich Ihre Behauptung, dass, da kein System, keine besondere Klasse zu besonderer Herrschaft gelange, auch die Reibung, der Kampf ein weit geringerer sei. – Überall Sympathie für die Weber, die Rebellen, und wer hie und da ihren Aufstand in den Zeitungen verdächtigt und mit brutalen Worten behandelt, das ist kein Kapitalist, kein bourgeois, sondern höchstens ein übereifriger Regierungsmann, der es noch nicht fassen kann, dass Königl. Preuss. Bajonette Widerstand fanden. – In der Köln. Zeitung finden Sie jetzt mehr Kommunismus als weiland in der Rheinischen, ja sie eröffnet eine Subskription für die Hinterbliebenen der bei den jüngsten unglücklichen Ereignissen gefallenen Schlesischen Weber, also für die Familien von Rebellen der gefährlichsten Art. – Noch mehr, – man gibt auf dem guten, soliden Casino dem Hr. v. Gerlach ein Abschiedsdiner (auch eine gute Geschichte. Die Regierung gibt dem armen Bedienten den Zug nach Düsseldorf, die Rhein. Zeit. und Gott weiß was noch, schuld, und schickt ihn nun gegen seinen Wunsch, in der Zeitung aber nach seinem Wunsch nach Erfurt, – und nun bekommt der Mann wie ein schlechtes Buch das verboten wird, auf einmal Wert beim Publikum!) Zugegen sind die reichsten Kaufleute, höchsten Beamten, und man sammelt 100 Taler für die Hinterbliebenen der Rebellen! –

Angesichts solcher Tatsachen ist das, was bei Ihnen vor wenigen Monaten noch eine kühne, gänzlich neue Aufstellung war, schon fast zur Gewissheit des Gemeinplatzes geworden. – Der einzige der beim Diner sich opponierte, war der kleine Industrielle, der Merkens, ich weiß nicht, soll man ihn deshalb dümmer oder gescheiter wie die andern nennen. – NB. Bei dem Diner war keiner von uns, kein Radikaler, sondern [la]uter höchst anständige, gesetzte Leu[te.]

Eine sehr gute Wirksamkeit übt hie[r] und besonders in Westfalen, der früher etwas oberflächliche und arrogante Dr. Grün aus. – Sein Sprecher bereitet jede Erscheinung der Zeit, besonders aber den Sozialismus, für den Hausmannsverstand der Bürger zu, wozu der Grün ein überraschendes Talent entwickelt, und einer sehr milden Zensur sich erfreut. – Wer hätte es gedacht, die langweiligen, systemlosen, und meistenteils ganz oberflächlichen Schreibereien von Du Mont und Grün etc. wirken glaube ich mehr als die Rhein. Zeit. – Alle Tage Pauperismus, Sozialismus etc., der hat da einen Fetzen gepackt, der da, – endlich glaubt's der deutsche Philister, was man ihm so, ohne ihn zu erschrecken täglich vorsummt; – ja am Ende würde er auch teilen, wenn man ihm ein paar Jahre alle Tage sagt: es sei notwendig. Grüßen Sie Ihre Frau, sowie Herweghs.

Ihr

G. Jung.

Köln d. 26. Juni 1844

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