Ludwig Feuerbach: Brief an Arnold Ruge [erschienen in: Ein Briefwechsel von 1843 Briefe von Karl Marx, Arnold Ruge, Michail Alexandrowitsch Bakunin und Ludwig Feuerbach Zusammengestellt und redigiert von Arnold Ruge. Deutsch-Französische Jahrbücher. Lfg.1/2. 1844, S. 35, Nach Marx Engels Gesamtausgabe (MEGA). Erste Abteilung. Werke – Artikel - Entwürfe, Band 2. Berlin 1982, S. 485] Bruckberg, im Juni 1843. Die Briefe und literarischen Pläne, die sie mir mitteilen, haben mir viel zu Denken gegeben. Meine Einsamkeit bedarf dergleichen, versäumen Sie nicht, Ihre Sendungen zu wiederholen. Der Untergang der deutschen Jahrbücher erinnert mich an den Untergang Polens. Die Anstrengungen weniger Menschen waren umsonst in dem allgemeinen Sumpf eines verfaulten Volkslebens. Wir kommen in Deutschland so bald auf keinen grünen Zweig. Es ist Alles in Grund und Boden hinein verdorben, das eine auf diese, das andre auf jene Weise. Neue Menschen brauchten wir. Aber sie kommen diesmal nicht, wie bei der Völkerwanderung aus den Sümpfen und Wäldern, aus unsern Lenden müssen wir sie erzeugen. Und dem neuen Geschlecht muss die neue Welt zugeführt werden in Gedanken und im Gedicht. Alles ist von Grund aus zu erschöpfen. Eine Riesenarbeit vieler vereinten Kräfte. Kein Faden soll am alten Regiments ganz bleiben. Neue Liebe, neues Leben, sagt Göthe; neue Lehre, neues Leben heißt es bei uns. Der Kopf ist nicht immer voraus; er ist das mobilste und schwerfälligste Ding zugleich. Im Kopfe entspringt das Neue, aber im Kopf haftet auch am längsten das Alte. Dem Kopf ergeben sich mit Freuden Hände und Füße. Also vor allen Dingen den Kopf gesäubert und purgiert. Der Kopf ist Theoretiker, ist Philosoph. Er muss nur das herbe Joch der Praxis, in das wir ihn herunterziehen, tragen und menschlich in dieser Welt auf den Schultern tätiger Menschen hausen lernen. Dies ist nur ein Unterschied der Lebensart. Was ist Theorie, was Praxis? Worin besteht ihr Unterschied? Theoretisch ist, was nur noch in meinem Kopfe steckt, praktisch was in vielen Köpfen spukt. Was viele Köpfe eint, macht Masse, macht sich breit und damit Platz in der Welt. Lässt sich ein neues Organ für das neue Prinzip schaffen, so ist das eine Praxis, die nicht versäumt werden darf. |