Karl Marx: Erwiderung auf eine Kritik des Pastors von Erpel Bemerkung der Redaktion der „Rheinischen Zeitung [Rheinische Zeitung Nr. 52, 21. Februar 1843. Nach Marx Engels Gesamtausgabe (MEGA). Erste Abteilung. Werke – Artikel - Entwürfe, Band 1. Berlin 1975, S. 404-406] Der Pastor von Erpel hat ein Inserat in die Nr. 51 der „Kölnischen Zeitung" geliefert, worin es unter Anderem heißt: „Die ,Rheinische Zeitung' hatte in ihrem Beiblatt zu Nr. 317 vom 13. November v. J. über den Entwurf zum neuen Ehegesetz einen ersten Artikel veröffentlicht, worin nebst vielen Absurditäten für die katholische Kirche die Verleumdung enthalten war, dass sie die Anbetung der Heiligen, also völlige Abgötterei, gebiete. … Nun wurde der Redaktion der ,Rheinischen Zeitung' die betreffende Entgegnung ungesäumt unter Berufung auf ihre Unparteilichkeit, mit der gleichen Bitte um Aufnahme, zugestellt. Aber die Redaktion der ,Rheinischen Zeitung' versagte die Bitte, indem sie den Referenten belehrte, ,dass sie keineswegs, wie irrig angenommen worden, unparteiisch sei, und die Aufnahme des Artikels habe verweigern müssen'. Nach den einfachsten Grundsätzen der Billigkeit hätte sich die ,Rheinische Zeitung', so sollte man doch denken, verpflichtet fühlen müssen, die Abwehr einer so schmählichen Kalumnie gegen eine ganze christliche Kirche gerne in ihren Spalten zu veröffentlichen, nachdem sie selbst die Kalumnie in die Welt gesendet hatte. Ohne eine dritte und vierte Zeitung um Aufnahme anzugehen, ließ es Referent dabei bewenden, dass er dem hohen Ober-Präsidium unter Vorlage der Entgegnung u. s. w. Kunde von dem Hergang der Sache erteilte und ausdrückliche Beschwerde gegen die Redaktion der .Rheinischen Zeitung' bei ihm niederlegte." Wir antworten auf diesen Teil des Inserats, weil eine konfessionelle Polemik dem Prinzipe der „Rheinischen Zeitung" widerspricht. Die inkriminierte Stelle lautet in ihrem Zusammenhange wörtlich also: „Die Anerkennung der Abhängigkeit des Staates von der Kirche führt konsequent zum geistlichen Regimente zurück, aber die Zeit kann nicht rückwärts schreiten und der Entwurf selbst hat Anstand genommen, alle Folgen, die sich aus dem vorangestellten 25 Satze herleiten ließen, laut auszusprechen. Konsequent hätte er dem Christentume, oder, da wir ein ungeteiltes Christentum nur imaginär besitzen, den verschiedenen Konfessionen, welche der Staat als christliche anerkennt, ein direktes Eingreifen oder Aufsichtsrecht gestatten müssen; statt dessen aber beschrankt man sich, die Konsequenz eben so, wie die absolute Weigerung fürchtend, auf einzelne Koncessionen, die gefährlich, gleich allen Mittelwegen, die geistliche Partei, die sich noch nie mit einem Finger begnügte und ihrem Wesen nach nicht begnügen konnte, keineswegs zufrieden stellen, allen Andern aber gerechte Besorgnis einflößen werden." „Man bestimmte erstens, dass bei der, jeder Ehescheidung notwendig vorhergehenden Sühne, es dem kompetenten Geistlichen lediglich überlassen sein solle, Zeit und Ort derselben zu bestimmen, ohne dass es dem Ehegericht zusteht, denselben ohne seinen Antrag vor sich zu laden; zweitens, dass Ehen geschiedener Katholiken und Katholiken mit geschiedenen Personen, deren Ehegatten noch am Leben, nicht eingesegnet werden sollen. Durch jenen ersten Satz lähmte man auf schwer verantwortliche Weise die richterliche Gewalt, die gänzlich abhängig vom Geistlichen und gar vom einzelnen Geistlichen gestellt wird. Will dieser die Sühne – selbst aus schlechtem Motiv, da er keinem Rechenschaft schuldig –, nicht vornehmen, so ist die Untätigkeit des Richteramtes, des einzigen, oder doch allein gesetzlichen Rechtsschutzes im Staate, und damit die Rechtlosigkeit des Bürgers entschieden; durch die andere, die Ehen geschiedener Katholiken betreffende Bestimmung greift der Staat mit seiner Zwangsgewalt in das freie Gebiet der religiösen Überzeugung, die keinen Zwang kennt, noch duldet, hinüber. Der Staat hat dem katholischen Glauben seinen Schutz zugesagt, aber daraus folgt nur, dass er die Bekenner dieses Glaubens nicht zu einer, den Vorschriften desselben widerstreitenden Handlung anhalten, in concreto die betreffenden Geistlichen nicht zwingen darf, eine Ehe einzusegnen, die nach ihrer Lehre als vorschriftswidrig, als sündhaft erschiene. Durch seine Schutzgewalt aber wird der Staat keineswegs zum Exekutor der Kirchengerichte. Der Katholik hat dem Staate gegenüber genug getan, wenn er seinen, des Staates Gesetzen nachkommt: für die Beobachtung der Kirchengesetze ist er nur der Kirche verantwortlich, und Seitens des Staates auch hier zwingend eintreten wollen, hieße Überschreitung der Kompetenz. Das Verbot, eine zweite Ehe nach geschiedener erster einzugehen, ist nur ein Kirchengebot, gerade wie die Beichte, Fasten, Abstinenzen und die Anbetung der Heiligen." Es wird also in diesem Artikel der Bereich des Staats und der Kirche streng geschieden, und ihre wechselseitige Integrität in Anspruch genommen. Aus dieser mit klaren Worten ausgesprochenen Grundansicht des Verfassers folgt von selbst, wie wenig irgend eine Verleumdung gegen die katholische Kirche, deren Unabhängigkeit als Kirche er vielmehr vom Staate verlangt, in seiner Absicht liegen konnte. Wenn also die Anbetung der Heiligen als Kirchengebot angeführt wird, so war dies als ein nur faktischer Irrtum zu berichtigen. Hätte sich also der Herr Pastor auf eine solche tatsächliche Berichtigung beschränkt, hätte er sich auf die Anführung beschränkt, das tridentinische Concil (Sessio XXV.) spreche nur von einer invocatio et veneratio sanctorum (Anrufung und Verehrung der Heiligen), nicht aber von einer Anbetung derselben, der Verfasser des questionierten Artikels habe also jene Ausdrücke falsch übersetzt, so wären die Spalten der „Rheinischen Zeitung" seiner Berichtigung so wenig verschlossen worden, als allen andern Berichtigungen von Tatsachen. Statt dessen aber sandte er uns einen langen Artikel ein, worin er die angeblichen „Absurditäten" jenes Aufsatzes zu enthüllen strebte. Stand es ihm frei, in jenem Aufsatz, der von einem angesehenen Kölnischen Juristen herrührt, Absurditäten zu entdecken, so stand es uns frei, seine Entdeckungen in gleicher Weise zu würdigen. Welche einfache Billigkeit aber die „Rheinische Zeitung" verpflichten sollte, der schriftstellerischen Tätigkeit des Pastors von Erpel zu dienen, ist nicht abzusehen. Schließlich wollen wir an einem argumentum ad oculos dartun, wie nicht nur der Verfasser des inkriminierten Aufsatzes, sondern eben so sehr der Gegner dieses Verfassers an Irrtümern laboriert. Der Herr Pastor beschwerte sich wegen Nicht-Aufnahme seines Aufsatzes bei dem Oberpräsidium, aber er irrte sich, wenn er glaubte, die unterzeichnete Redaktion könne zur Aufnahme seines Aufsatzes von irgend einer Behörde gezwungen oder auch nur wegen Nichtaufnahme desselben gerügt werden. Das Reskript der Ministerien des Innern und der Polizei vom 27. November 1832 bestimmt nämlich: „Es ist lediglich Sache der Redaktion, zu beurteilen, ob sie Artikel über öffentliche Angelegenheiten, welche ihr von Privatpersonen mitgeteilt werden, zur Aufnahme geeignet findet oder nicht." Die Redaktion der Rheinischen Zeitung. |