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Karl Marx 18430306 Die neue Zensurinstruktion

Karl Marx: Die neue Zensurinstruktion

[Rheinische Zeitung Nr. 67, 8. März 1843. Nach Marx Engels Gesamtausgabe (MEGA). Erste Abteilung. Werke – Artikel - Entwürfe, Band 1. Berlin 1975, S. 412 f.]

+ Köln, 6. März. Die Verordnung vom 23. Februar über die Organisation der Zensurbehörden, welche den Schluss der jüngst erlassenen Zensurvorschriften bildet, sagt in ihrem letzten Paragraph Folgendes:

Gegenwärtige Verordnung tritt erst am 1. Juli d. J. in Kraft. Mit eben diesem Tage hört die Wirksamkeit des jetzigen Oberzensur-Kollegiums auf, so wie die Gültigkeit aller bisherigen, dieser Verordnung entgegenstehenden Bestimmungen. "

Der Tag, mit welchem die neue Zensur-Instruktion vom 31. Januar d.J.. in Kraft, treten soll, ist in derselben nicht bestimmt; es muss also angenommen werden, dass diese Instruktion ihre Wirksamkeit erst mit eben dem Tage beginnen wird, von welchem ab vorgedachte Verordnung, welche gleichzeitig mit ihr erschienen ist und welche sich auf sie stützen muss, in Anwendung kommen soll.

Diejenige Zensurinstruktion, welche gegenwärtig und bis zum 1. Juli in Kraft bleibt, wäre also das freudig begrüßte, unter dem 24. Dezember 1841 an die Oberpräsidenten erlassene Zirkular.

Dass dies Zirkular nicht vor dem 1. Juli als aufgehoben betrachtet werde, dies zu wünschen, hat die Presse mehrere Gründe:

1) Die neue Instruktion beengt im Allgemeinen den Spielraum der liberalen Presse wie der liberalen Zensur offenbar mehr, als jenes Zirkular;

2) sie tut dies (IV., §. 1) speziell in Bezug auf die Besprechung der ständischen Institutionen und würde daher, wenn sie schon jetzt als bindende Norm für die Zensur zu betrachten wäre, dieselbe leicht veranlassen können, die Besprechung der nächsten, wahrscheinlich sehr wichtigen und interessanten Landtagsverhandlungen in zu enge Grenzen einzuschließen;

3) Wenn das neue Gesetz (die Zensur-Instruktion) eher ins Leben träte, als das neue Gericht (das Oberzensur-Gericht), so würde darin in so fern eine Ungerechtigkeit gegen die Presse liegen, als dieselbe von der einen Seite den verschärften Verordnungen unterworfen wäre, ohne von der andern bei dem, mit Rücksicht auf diese Verordnungen eingesetzten Richter Schutz suchen zu können.

Man verkenne das Eigentümliche der Lage nicht, worin die Regierung sich über die Unzulänglichkeit bisheriger Vorschriften ausspricht und gleichzeitig für eine ziemlich ferne Zukunft andere an die Stelle setzt, ohne mithin die früheren sofort aufzuheben. Gerade bei der Pressegesetzgebung und zwar bei einer restriktiven Pressegesetzgebung ist diese Lage doppelt eigentümlich, da es sich hierbei nicht um Beurteilung bestimmter, unzweideutiger Fakta, sondern um Behandlung von Absichten und Tendenzen handelt, bei welcher die Versuchung zur Ängstlichkeit oder Willkür durch den für die Zukunft ausgesprochenen Willen der Regierung schon jetzt sehr nahe gelegt ist.

In dem Zwischenräume bis zum 1. Juli stehen wir nun zwischen zwei, in mehrfacher Hinsicht verschiedenen Gebietern: der bisherigen und der künftigen Vorschrift, von welcher uns die erstere bindet, die letztere uns bedeutet.

Wir halten den hier angeregten Punkt nicht für unwichtig und es wäre sehr zu wünschen, dass derselbe nicht bloß von der Presse, sondern namentlich auch von der Zensur im Auge behalten werde.

Eine in der Ausübung der Zensur sich manifestierende Kollision zwischen der Tendenz künftiger Gesetze und der durch die bisherigen Bestimmungen herbeigeführten Praxis kann offenbar nur zum Nachteil der unter solchen Umständen völlig schutzlosen Presse gereichen. Die Zensur möge also die Zukunft nicht zu sehr antezipieren!

Die Rheinische Zeitung wird wohl noch Gelegenheit finden, über die freilich schon als fertige Gesetze dastehenden, veränderten Zensurbestimmungen im Gegensatz zur Pressefreiheit ein offenes Wort zu sprechen; für jetzt beschränkt sie sich darauf, den einstweiligen status quo im Gegensatz zur Zukunft in Schutz zu nehmen.

mutex/ocfipreoqyfb/mutex
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