Arnold Ruge: Brief an Karl Marx in Paris Frankfurt am Main, 1. Dezember 1843 [Nach Marx Engels Gesamtausgabe (MEGA). Dritte Abteilung. Briefwechsel, Band 1. Berlin 1975, S. 421 f.] Frankfurt a/M den 1. Dezember 1843. Mein teurer Freund, Endlich ist die Reise zur Realität geworden und ich will nur wünschen, dass die zweite Hälfte so gut abläuft, als die erste. Nauwerck, Brüggemann und meines Bruders Schwiegervater der Dr. Mayer waren von Berlin, Duncker, Prutz, Schwarz und einige andere von Halle nach Leipzig gekommen. Nur N. und B. sind mit unsern literarischen Plänen zufrieden, die Hallenser wollen für sich die alte Litzeitg. regenerieren, sie wollen frei sein, auch von uns, namentlich Prutz der ganz Literatur ist. Mit unserm Prinzip ist Nauwerck, Duncker und Schwarz am meisten zufrieden, doch ist es klar, dass nur N. und B. vielleicht etwas Brauchbares schreiben. Brugg. bereut sein vermittelndes dummes Buch. N. hat ihm das viel vorgenölt, aber B. ist sehr konfus in der Religion. Ich habe die Hallenser ohne Zweifel mit meinem abenteuerlichen Tun und Treiben sehr gegen mich, kaum dass sie zugaben, es müsse auch solche Menschen geben, und es sei etwas, dass man endlich einmal wahr sei und spräche. Ganz Deutschland ist toll vor Patriotismus auf nichts. Nur der Süden denkt und fühlt mit der Revolution und wenn sie in Frankreich nicht ganz unterjocht wird, so fällt er auch wieder in die Bewegung hinein, sowie sie ernstlich auftritt. Ich bleibe morgen hier und halte einen Rasttag. Dann fahr' ich, in 6 Tagen denk' ich, nach Paris und bei Maeurers Haus vor, wo ich mal Bescheid weiß. Ich werde früh anzukommen suchen. Die Damen, – Ihre Frau, meine verehrte Freundin, vor allem, – müssen sich's vorher überlegen, wo ich mit meiner Arche Noah bleibe und ob sich nicht gleich ein passendes Abladequartier findet, für das ich mich womöglich gleich entscheiden könnte. Natürlich müssen wir ganz beieinander bleiben. Ich schreibe diesen Brief eigentlich nur, um die wirklich realisierte Reise und ihr wahrscheinliches Ende noch vor meinem Eintreffen zu bestätigen. Wenn Sie uns beim Nehmen der Wohnung das letzte Jawort lassen, so ist das wegen meiner Frau zu tun. Ich kann doch nicht wissen, wie der die Sache vorkommt. Wir haben Matratzen, Betten, Bezüge, Leinzeug, Wäsche und solche Dinge, die gleich für das Nötigste aushelfen mit in unserm Kasten. Die andern Kisten, von denen ich Maeurer geschrieben, sind durch eine Dummheit des Spediteurs noch in Dresden geblieben. Theilen Sie Maeurer Alles mit und bereiten Sie ihn auf meinen Einfall bei ihm vor. Auch der Herwegh, die sich sehr freundlich erboten, mich mit allen meinen Leuten bei sich zu logieren, melden Sie doch meine Ankunft und entschuldigen Sie mich, dass ich nicht direkt mich bei ihr anmelde. Ich kenne ihre jetzige Lage und musste daher auf Sie und Maeurers, als die aktiven und mobilen Freunde zunächst rechnen. Dass die deutschen Liberalen uns gänzlich im Stich lassen werden, vermutete ich schon in Paris. Sie werden es noch aus Patriotismus tun, wenn sie es erst aus Trägheit getan. Das Nähere mündlich. Von Köln weiß ich nichts. Ich schreibe von hier an Schramm und Oppenheim. Mayer erzählte, Edgar B wäre zum Tode verurteilt und hätte die Appellation abgelehnt; ob er schon exekutiert ist – das weiß ich nicht. Ich muss gestehen, dass ich mir nicht [ganz klar ge]worden bin, ob Mayer uns nicht aufziehen w[o]llte; aber die preußische neuste Geschichte ist ja ganz und gar von demselben Kaliber, die Stiftung der Adalbertskapelle, der barmherzigen Schwestern u. s. w. nicht zu vergessen. Auf Wiedersehen den 8ten oder 9ten Dezember. Das Wetter ist sehr günstig. Leben Sie wohl. Ihr A. Ruge lch denke, Sie haben an Proudhon geschrieben. Sonst müssen wir am Ende ohne Franzosen anfangen. Oder sollen wir die Weiber, die Sand und die Tristan auf singen. Sie sind radikaler, als L. B und Lamartine. |