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Semstwo-Verband

Gesellschaft des Semstwo-Verbandes und der Selbstverwaltung" oder „Semstwo-Verband" war eine lockere illegale Vereinigung von liberalen Semstwo-Leuten in den siebziger und zu Beginn der achtziger Jahre. Der „Semstwo-Verband", dessen Programm eine gemäßigte Verfassung und eine Erweiterung der Rechte der Semstwos forderte, entstand Ende der siebziger Jahre auf dem Boden des allgemeinen Anwachsens der revolutionären und oppositionellen Stimmungen im Lande. Der Semstwo-Verband machte sich zur Aufgabe, durch seine Mitglieder die Tätigkeit der Gouvernements- und der Semstwo-Versammlungen zu beeinflussen, der Versuch der liberalen Semstwo-Leute, im Auslande (in Galizien) ihr eigenes Organ zu gründen, endete mit einem Misserfolg. Es gelang nur, die programmatische Broschüre „Die nächsten Aufgaben der Semstwos" herauszugeben. Im Jahre 1879 fand in Moskau ein illegaler Kongress der Semstwo-Leute statt, auf dem 16 Semstwos vertreten waren (unter den Delegierten befanden sich I. I. Petrunkewitsch, N. A. und A. A. Bakunin und W. A. Golzew). Die Beschlüsse des Kongresses trugen einen gemäßigt-liberalen Charakter. Im Jahre 1880, in der Epoche der Loris-Melikowschen „Diktatur des Herzens", gab der Semstwo-Verband seinen Mitgliedern die Direktive, für das Einreichen von Petitionen durch die Semstwo-Versammlungen Propaganda zu machen. Im gleichen Jahre begannen die Semstwo-Leute, die legale Wochenzeitung „Das Semstwo" (W. J. Skalon, N. A. Kablukow, S. A. Muromzew, N. A. Karyschew, W. A. Golzew, A. F. Fortunatow), ferner die Zeitung „Porjadok" („Die Ordnung") und die Zeitschrift „Russkaja Mysl" (Der russische Gedanke) herauszugeben. Nach dem 1. März nahm ein Kongress der Semstwo-Leute, der in Charkow tagte, ein Programm mit der Forderung der Einberufung der Staatsduma an und sprach sich gleichzeitig gegen die terroristische Tätigkeit der Partei „Narodnaja Wolja" aus. Die Reaktion, die sehr bald darauf einsetzte, führte zu einer Reihe von Unterdrückungsmaßnahmen gegen die Semstwos und ihre Organe. Die Zeitung „Semstwo" wurde geschlossen. Hierauf traten einige Semstwo-Leute im Namen des Semstwo-Verbandes mit dem früheren Professor der Kiewer Universität, dem Emigranten M. P. Dragomanow, in Verhandlung, um das von ihm redigierte „Wolnoje Slowo" („Das freie Wort") zu einem Organ der Semstwos zu machen. Bis zu seiner Einstellung (1883) erschien das „Wolnoje Slowo" als Organ der Semstwo-Opposition. Die Frage des Bestehens des Semstwo-Verbandes, als einer ständigen Organisation, und seines Verhältnisses zum „Wolnoje Slowo" ist eine in der Geschichtsliteratur sehr wenig geklärte Frage (siehe B. Wesselowski, „Geschichte der Semstwos"; I. P. Belokonski, „Die Semstwo-Bewegung"; Der Jubiläums-Almanach der Semstwos; W. J. Bogutscharski, „Aus der Geschichte des politischen Kampfes"). Man kann als feststehend annehmen, dass der Semstwo-Verband eher eine allgemeine Bezeichnung für einzelne Handlungen der Semstwo-Leute, die Idee ihres Zusammenschlusses zu einem einheitlichen Ganzen war, als eine fest geformte Organisation mit ständigen Institutionen. Es unterliegt auch keinem Zweifel, dass an der oppositionellen Semstwo-Bewegung Personen teilnahmen, die im Auftrage der Ochrana handelten und in den ausländischen Emigrantenzirkeln – besonders bei der Organisation des „Wolnoje Slowo" im Namen und als Vertreter des halb fiktiven Semstwo-Verbandes auftraten. [Band ?]

Semstwo-Verband" – eine Organisation, die die Semstwos (eine Art Provinziallandtag) der Gouvernements und der Kreise zusammenfasste zwecks besserer Organisation des Sanitätswesens, des Verpflegungswesens usw. für die Armee. Die städtischen Selbstverwaltungen hatten ihre besondere Organisation: den Verband der Städte (Städtetag). Die Organisation, die diese beiden Verbände, der Städte sowohl wie der Semstwos, zusammenfasste, hieß „Semstwo- und Städteverband", abgekürzt „Semgor". Vorsitzender des Semstwoverbandes und des Semgor war Fürst G. E. Lwow. der spätere Ministerpräsident; Vorsitzender des Städtetages war der Moskauer Oberbürgermeister Tschelnokow. Die Bourgeoisie verfolgte bei der Schaffung dieser Organisationen ein doppeltes Ziel: einmal die Organisierung der gesellschaftlichen Kräfte für den Sieg über den äußeren Feind, und zum andern ein allmähliches Hineinwachsen der gesellschaftlichen Organisationen der Bourgeoisie in den zaristischen Staatsapparat. Während der drei Kriegsjahre entwickelte sich der Semstwoverband, der über große Subventionen der Regierung verfügte, eine große Anzahl von Mitarbeitern um sich scharte und das Netz seiner Organisationen über die Front und das Hinterland ausbreitete, zu einem großen gesellschaftlichen Machtfaktor, der bestrebt war, das politische Leben des Landes zu beeinflussen. In den Jahren des Bürgerkrieges arbeitete der Semstwoverband für die Weißgardisten. Gegenwärtig bestehen noch Organisationen des Semstwoverbandes im Auslande, in den Zentren der konterrevolutionären Emigration, sie befassen sich mit Gewährung von Hilfe an die Emigranten. [Lenin, Sämtliche Werke, Band 20.1, Anm. 164]

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