Der 10. Parteitag der „Lewica" der PPS (Polnische Sozialistische Partei), die nach 1905 sich in die Linke (Lewica) und die revolutionär-nationale Fraktion („Fraki") spaltete, fand Anfang 1908 statt. Unter dem Einfluss der Revolution von 1905 stand die PPS in einer starken ideologischen Krise. Rosa Luxemburg charakterisiert die Lage in der PPS mit folgenden Worten: „Zwei Monate Revolution haben genügt, um diese Richtung, die 12 Jahre hindurch in der Grabeskälte des Absolutismus sich konservierte, zum Bankrott zu bringen. Vier verschiedene Programme im Laufe von 3 Jahren, unzählige Sprünge und taktische Wendungen nach rechts und nach links, beispielloser Zerfall und Demoralisierung in der Parteiorganisation der PPS, ihre Spaltung in zwei Teile, weiterer Zerfall des einen Teils in einzelne Stücke, Schwankungen und Verwirrung im anderen Teil – dies ist die Lage der PPS" (siehe die Artikel Rosa Luxemburgs über die Krise in der PPS im „Proletarij", Nr. 28 und 32). Die PPS führte einen erbitterten Kampf gegen die Polnische Sozialdemokratie, und der Umstand, dass diese in prinzipiellen Fragen zumeist mit den Bolschewiki zusammenging, bewirkte es, dass die Menschewiki der PPS gegenüber wohlwollend gesinnt waren. In der Zeit der ersten Revolution stand die PPS-„Lewica" den Menschewiki näher. Dies blieb auch später der Fall, insbesondere 1912, als die Menschewiki bei den Wahlen zur IV. Duma trotz des Protestes der Sozialdemokratie Polens und Litauens sowie der Bolschewiki den Warschauer Duma-Abgeordneten Jagello – Mitglied der PPS – in die sozialdemokratische Fraktion der IV. Duma aufnahmen. Im Jahre 1919 trat ein bedeutender Teil der „Lewica" der KP Polens bei. Der
Satz, auf den sich Lenin beruft, steht in der Resolution des 10.
Parteitages der PPS über die „leitenden taktischen Anweisungen für
die gegenwärtige Situation". „Der Niedergang der
bürokratisch-absolutistischen Ordnung wird sich auch in der Folge
entweder auf dem Wege neuer revolutionärer Attacken des Volkes oder
unter
dem
Druck
der
gleichen
Volkskräfte
durch
allmähliche
Konzessionen
und
Kompromisse
der Regierung mit den herrschenden Klassen vollziehen." Der
menschewistische „Golos
Sozialdemokrata"
erklärte bei der Veröffentlichung der Kongressresolutionen, dass
die PPS „sich in ihrer Praxis entschlossen auf den Boden der
Massenbewegung der Arbeiterklasse und in der Theorie auf den Boden
des wissenschaftlichen Sozialismus gestellt hat", dass „die
letzten Hindernisse für den Zusammenschluss der ganzen
sozialdemokratischen Bewegung Russisch-Polens unter einer Fahne
verschwinden". In Wirklichkeit brachten die Resolutionen bei
weitem nicht eine prinzipielle Liquidierung der früheren
nationalistischen Positionen der PPS zum Ausdruck, sondern nur das
äußere Kompromiss zwischen den gegensätzlichen Strömungen in der
Partei. [Band 12] Die „Linke PPS“ oder die „Linke“ (Lewiza) war eine Fraktion der PPS, die sich nach der Revolution von 1905 von dieser Partei abspaltete. Es gab in der PPS zwei Fraktionen: die „Revolutionäre Fraktion“ (auch kurz „Fraki" genannt), wie sich der rechte Flügel bezeichnete, der jetzt den Hauptkern der [...] PPS bildet, und die eben erwähnte „Linke* (Lewiza), die den Bruch mit der alten sozial-nationalistischen PPS und die Annäherung an die Sozialdemokratie erstrebte. Lange Zeit standen die „Linken“ in. einem harten Kampfe gegen die polnische Sozialdemokratie, die in einer Reihe von Fragen mit den Bolschewiki ging, und sie standen in den Jahren der Reaktion und des neuen Aufschwungs den menschewistischen Liquidatoren nahe, deren Unterstützung und Sympathie sie genossen. Auf der Reichskonferenz der Partei im Dezember 1908 beantragten die Menschewiki die Vereinigung der SDAPR mit den polnischen „Linken“, welcher Antrag jedoch ohne Debatte abgelehnt wurde. Unter Missachtung dieses Beschlusses und eines Beschlusses des Stockholmer Vereinigungsparteitages der SDAPR, wonach der SDAPR in Polen nur solche Gruppen angehören dürfen, die auch der Organisation der polnischen Sozialdemokratie angehören, unternahmen die menschewistischen Liquidatoren mehrmals Schritte zur Vereinigung mit den „Linken“. Die liquidatorische Augustkonferenz von 1912 (Augustblock) und das liquidatorische Organisationskomitee schlossen politisch und organisatorisch einen Block mit den „Linken“, der gegen die Partei und die polnische Sozialdemokratie gerichtet war. Die menschewistische Fraktion in der vierten Reichsduma beschloss mit ihrer Mehrheit von einer Stimme die Aufnahme des Vertreters der „Linken“, Jagello (der gegen den Willen der polnischen Sozialdemokratie und dank der Unterstützung der jüdischen nationalen Organisationen in die Duma gewählt worden war) in die Sozialdemokratische Dumafraktion als voll berechtigtes Mitglied, ungeachtet der Proteste der bolschewistischen Abgeordneten. Zum Unterschied von den Menschewiki und Liquidatoren gingen die Bolschewiki und die polnische Sozialdemokratie in ihrem Verhalten zu den „Linken“ von der Notwendigkeit aus, den prinzipiellen Kampf gegen ihre Halbheiten und gegen die Überreste des Sozialnationalismus bei ihnen zu führen, und sie betrachteten diesen Kampf als die notwendige Vorbedingung und den einzigen Weg zur Annäherung der „Linken“ an die Sozialdemokratie. Die Richtigkeit dieser taktischen Linie des Bolschewismus wurde später durch die Annäherung eines Teils der „Linken“ an die Sozialdemokratie glänzend bestätigt. Während des imperialistischen Krieges nahmen die „Linken“ an der Zimmerwalder Vereinigung teil, und im Folgenden ging der bedeutendere Teil der „Linken“ in der polnischen kommunistischen Partei auf. [Lenin, Ausgewählte Werke, Band 4, Anm. 96] |
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