Im „Jedinstwo" Nr. 18 vom 20. April/3. Mai 1917 wurde ein Brief Plechanows an die Studenten abgedruckt. Plechanow, der infolge Krankheit nicht die Möglichkeit hatte, in der Versammlung am 1. Mai persönlich zu erscheinen, sandte an die Arbeitsgemeinschaft der sozialistischen Studenten, der „Veranstalterin der Versammlung", folgenden Brief: „Werte Genossen! Ich bedaure sehr, dass Krankheit – hoffentlich nicht für lange – mich verhindert, Ihnen persönlich meine Sympathien zum Ausdruck zu bringen. Aber es geht eben beim besten Willen nicht. Ich bin gezwungen, mich auf eine schriftliche Unterhaltung mit Ihnen zu beschränken. Für die Befreiungsbewegung des internationalen Proletariats ist es sehr wichtig, dass sich ihr möglichst viele Menschen mit Hochschulbildung anschließen. Die Bildung hilft, sich in den Erscheinungen zurechtzufinden und sie geschichtlich zu werten. Da ich in Ihrer Person es mit Menschen zu tun habe, die an ihrer Bildung arbeiten, erlaube ich mir, Ihre Aufmerksamkeit auf folgenden bemerkenswerten Umstand zu richten. Der Beschluss, den 1. Mai zu feiern, wurde auf dem Pariser internationalen sozialistischen Kongress im Jahre 1889 gefasst. Auf diesem Kongress waren Vertreter vieler kapitalistischer Länder, die damals schon auf einer höheren ökonomischen Entwicklungsstufe standen, als die, welche Russland jetzt erreicht hat. Die Anarchisten schlugen dem Kongress vor, das Proletariat zur sozialen Revolution aufzurufen. Der Kongress, der in seiner Mehrheit aus Marxisten bestand, forderte dieses Proletariat auf, für den Achtstundentag zu kämpfen. Er begriff, dass die soziale, genauer die sozialistische Revolution eine lange aufklärende und organisatorische Arbeit in den Tiefen der Arbeiterklasse voraussetzt. Das vergessen jetzt bei uns die Leute, die die russische werktätige Masse zur Ergreifung der politischen Macht aufrufen, die nur in dem Falle einen Sinn haben könnte, wenn die objektiven Bedingungen vorhanden wären, die für die soziale Revolution notwendig sind. Diese Bedingungen sind vorläufig noch nicht vorhanden, und Sie, die mit der wissenschaftlichen Methode vertraut sind, sollten alle diejenigen, die es angeht, so oft wie möglich daran erinnern. Die Aufgabe der linken Parteien in Russland besteht in der Befestigung der Positionen, die durch die soeben vollzogene Revolution erobert worden sind. Zur Lösung dieser Aufgabe ist es notwendig, die Provisorische Regierung nicht zu stürzen, wie das einige politische Fanatiker tun möchten, sondern sie einmütig zu unterstützen. G. Plechanow." [Lenin, Sämtliche Werke, Band 20.1, Anm. 121] |
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