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Lenins Reise durch Deutschland 1917

Bekanntlich befand sich Lenin am Vorabend des Februar in der Schweiz. Die ersten Nachrichten von dem Ausbruch der Revolution in Russland stellten Lenin und die anderen Emigranten vor die Aufgabe, nach Russland zurückzukehren. Das war keine leichte Aufgabe, da die Rückkehr nach Russland nur möglich war entweder durch die Ententeländer (England, Frankreich u. a.) oder über Deutschland. England und Frankreich wollten jene russischen Sozialisten, die Gegner des imperialistischen Krieges waren, nicht nach Russland durchlassen, da sie einen zersetzenden Einfluss auf die Armee, auf die Arbeitermassen usw. fürchteten. Die Durchreise durch Deutschland, gegen das Russland Krieg führte, konnte eine große Verleumdungskampagne wegen Verrats auslösen, was ja auch geschah. Als Lenin auf die Durchreise durch Deutschland einging, stellte er das in Rechnung. Lenin war daher, wie Krupskaja in ihren Erinnerungen erzählt, „bemüht, die Sache so einzurichten, dass nichts daran den Charakter auch nur des kleinsten Kompromisses nicht nur mit der deutschen Regierung, sondern auch mit den deutschen Sozialdemokraten trage“. Der schweizerische Internationalist F. Platten arbeitete, als er mit der deutschen Regierung die Verhandlungen über die Durchreise der russischen Emigranten durch Deutschland begann, besondere Bedingungen aus, in denen festgesetzt wurde, dass der Waggon, in welchem die Emigranten reisen werden, weder einer Kontrolle noch einer Überprüfung unterzogen werden wird, dass niemand das Recht haben wird, den Waggon zu betreten oder ihn zu verlassen, dass die Reisenden in den Waggon unabhängig von ihren Ansichten über die Frage des Krieges und des Friedens aufgenommen werden und dass die Bewilligung zur Durchreise auf Grund eines Austausches gegen deutsche oder österreichische Kriegsgefangene oder Internierte in Russland erfolgt. Diese präzis formulierten Bedingungen der Durchreise durch Deutschland wurden auch strikt eingehalten. Sofort nach der Ankunft wurde von Lenin und Sinowjew im Aufträge aller zusammen mit ihnen Angekommenen dem Exekutivkomitee des Petrograder Arbeiter- und Soldatendeputiertenrates über alle Bedingungen und Umstände der Reise aus der Schweiz nach Russland ein Bericht erstattet, und dieser Bericht wurde am 5./18. April in der „Prawda“ veröffentlicht. Nichtsdestoweniger setzte in der ganzen bürgerlichen Presse sofort eine erbitterte Verleumdungskampagne ein, und gegen Lenin und die Bolschewiki wurde geradezu eine Pogromhetze betrieben. Lenin wurde als Agent der deutschen Imperialisten, als deutscher Spion usw. hingestellt. Alle bürgerlichen und kleinbürgerlichen Zeitungen taten bei dieser Pogromhetze aus voller Kraft mit. Das geschah in hervorragendem Maße auf die Weisung der englischen und der französischen Regierung. Die Regierungen von England und Frankreich beeilten sich, nachdem sie die Heimkehr Lenins nach Russland nicht hatten verhindern können, alle Maßnahmen zu treffen, um ihn und die Bolschewiki zu kompromittieren. Am Tage der Ankunft Lenins wurden dem Außenministerium Denkschriften des englischen und des französischen Botschafters überreicht, in welchen Lenin und die anderen Bolschewiki als äußerst gefährliche Menschen hingestellt und in der niederträchtigsten Weise verleumdet wurden, in der Hoffnung, auf diese Weise die Provisorische Regierung zu beeinflussen. Die Denkschrift des englischen und des französischen Botschafters anlässlich der Ankunft Lenins war zugleich Direktive an die Provisorische Regierung und an die bürgerliche Presse zur Durchführung der Hetze gegen Lenin und die Bolschewiki. So wurde Lenin 1917 von der russischen Bourgeoisie empfangen. Die proletarischen Massen Petrograds jedoch nahmen ihren Führer mit der größten revolutionären Begeisterung und in der feierlichsten Weise auf. Lenin verkündete gleich bei seinem ersten Zusammentreffen mit den revolutionären Massen, in seinen Reden zu den vieltausendköpfigen Demonstranten der Arbeiter, Soldaten und Matrosen, die ihn empfingen, die Losung der sozialistischen Revolution. [Lenin, Ausgewählte Werke, Band 6, Anm. 10]

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