Der einheitliche und entschlossene Widerstand, den die Massen Kornilow entgegengesetzt hatten, rief einige vorübergehende Schwankungen der Sozialrevolutionäre und Menschewiki im Sinne einer Abgrenzung gegen die konterrevolutionäre Bourgeoisie hervor. Der Petrograder Rat beschloss am 31. August/13. September mit Stimmenmehrheit eine Resolution, die sich für eine den Räten verantwortliche Regierung aussprach. Die vereinigte Sitzung des Zentralexekutivkomitees der Arbeiter- und Soldatenräte mit dem Exekutivkomitee der Bauernräte beschloss mit erdrückender Mehrheit eine Resolution, in der von der Notwendigkeit der „Schaffung einer starken revolutionären Regierungsmacht“ gesprochen wurde, die „fähig ist, das Programm der revolutionären Demokratie zu verwirklichen und einen tatsächlichen Kampf gegen die Konterrevolution und den äußeren Feind zu führen“. „Eine solche Regierungsmacht“ – hieß es weiter in der Resolution –, „die von der Demokratie geschaffen ist und sich auf ihre Organe stützt, muss frei von jedweden Kompromissen mit den konterrevolutionären Elementen sein“. Das Moskauer Parteikomitee der Menschewiki und eine Reihe anderer menschewistischer und sozialrevolutionärer Organisationen beschlossen ähnliche Resolutionen. Die Minister Tschernow (Sozialrevolutionär) und Pjeschechonow (Volkssozialist, den Kadetten nahestehend) traten aus der Provisorischen Regierung aus und benutzten dabei als Vorwand den Umstand, dass diese sich weigerte, die Agrargesetzentwürfe Tschernows durchzuführen, und im Interesse der Gutsbesitzer die Getreidepreise verdoppelte. Diese Schwankungen auf der einen Seite und anderseits die sich rasch vollziehende Eroberung der Räte durch die Bolschewiki schufen in kurzer Zeit eine Lage, in der man, wie Lenin sagte, „auf die vor den Julitagen erhobene Forderung ,Alle Macht den Räten!' und ,Eine den Räten verantwortliche Regierung der Sozialrevolutionäre und Menschewiki' zurückgreifen“ konnte. Lenin meinte, dass man „für einige Tage oder für ein bis zwei Wochen“ eine solche neue Regierung ohne die Bourgeoisie bilden könnte. Das wäre eben ein Kompromiss der Bolschewiki mit dem sozialrevolutionär-menschewistischen Block, und auf dem Wege dieses Kompromisses könnte man, wie das bei der Ergreifung der Macht durch die sozialrevolutionär-menschewistischen Räte, auf Grund des Kampfes innerhalb der Räte vor den Julitagen möglich gewesen wäre, jetzt freilich schon ungemein rascher als vor den Julitagen, zur „Diktatur des Proletariats und der ärmsten Bauernschaft“ gelangen. Zu einer Verwirklichung dieses Leninschen Gedankens kam es jedoch nicht. Die Schwankungen der Menschewiki und der Sozialrevolutionäre in der Richtung einer Abgrenzung gegen die konterrevolutionäre Bourgeoisie hielten viel zu kurz an und führten nicht zu einem Verzicht auf die Zusammenarbeit mit den Kapitalisten Noch einmal – und diesmal schon zum letzten Male – kam Lenin auf einen kurzen Augenblick auf den Gedanken der Möglichkeit einer „friedlichen Entwicklung der Revolution“ zurück, und zwar ungefähr drei Wochen nach der Abfassung des Artikels „Über Kompromisse“, in dem Artikel „Die Aufgaben der Revolution“ (siehe das letzte Kapitel dieses Artikels). [Lenin, Ausgewählte Werke, Band 6, Anm. 68] |
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