Redaktion: Zur wirtschaftlichen Lage Russlands [Nach Bote der Russischen Revolution. Organ der ausländischen Vertretung des Zentralkomitees der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Russlands (Bolschewiki) Nr. 8, 3. Nov. 1917, S. 14-16] In einer Sitzung des Vollzugsausschusses der Sowjets erstattete sein volkswirtschaftlicher Beirat einen Bericht über die ökonomische Lage des Landes, Wir entnehmen den Berichten folgende Angaben: Die Kohlenproduktion fällt systematisch: sie betrug im Juni 129 Millionen Pud, im Juli 119, im August 112. Im September hat sie sich noch mehr verringert. Der minimale Kohlenbedarf für das Jahr 1917 beträgt 1500 Millionen Pud, die voraussichtliche Produktion des Jahres 1070 Mil. Pud. Die Eisenbahnen bekommen statt 660, nur 550 Mil. Pud, die metallurgischen Fabriken statt 360 nur 250; der Petrograder Bezirk statt 110 nur 42 Mil., der Moskauer statt 60 nur 24 Mil. Pud. Die Naftaproduktion wird statt des Minimums 693 Mil. Pud nur 600 voraussichtlich geben. Die Vorräte an Heizungsmaterial betrugen auf den Eisenbahnen am 1 September 1915 43 Mil. Pud, in derselben Zeit des Jahres 1916 29, im Jahre 1917 nur 20 Mil. Pud. Falls die Kohlenförderung in der Höhe des vorigen Jahres stattfinden wird, werden die Vorräte im Januar erschöpft sein, falls sie weiter fällt, droht die Gefahr, dass die Eisenbahnen schon im November ohne Kohle bleiben. Aus dem Bericht über die Lebensmittelfrage ergibt sich, dass im September die Armee nur 25% des geforderten Getreide und Brots erhalten hat. Die heurige Ernte steht unter dem Durchschnitt. Die Verdoppelung der Höchstpreise hat die Getreidezufuhren nicht vergrößert Irgendwelche Versuche der Zustellung einer größeren Anzahl von Industriewaren ins Dorf zur Förderung der Getreidelieferungen wurden nicht gemacht. Die Verdoppelung der Höchstpreise erfolgte ohne Rücksprache mit den Organisationen der Lebensmittelversorgung, auf Grund einer Abmachung mit den Bankkreisen. Auf Grund der Verdoppelung der Höchstpreise sind jetzt die Brotpreise verdoppelt worden (das Brot ist jetzt 7 mal so teuer, wie vor dem Kriegsausbruch, während in Deutschland es nur zweimal so teuer ist) worunter nicht nur die städtische, sondern auch die ländliche arme Bevölkerung sehr leidet. Die „Torgowo-Promischlennaja Gaseta" publiziert die Angaben der Fabrikinspektoren über die Schließung der Fabriken seit dem Ausbruch der Revolution. Es waren 568 Fabriken mit 104.372 Arbeitern. Nur in 49 Fällen in Bezug auf 5610 Arbeiter geben die Fabrikanten die hohen Forderungen der Arbeiter als Grund der Schließung der Fabriken an. In allen anderen Fällen berufen sie sich auf den Mangel von Rohstoffen und Heizmitteln, oder der Bestellungen. Also in nur 8% der geschlossenen Fabriken, die nur 5% der entlassenen Arbeiter beschäftigen konnten selbst die Fabrikinspektoren die Schuld den Arbeitern zuschreiben. Das zeigt was von dem Kreuzzug der bürgerlichen und sozialpatriotischen Presse gegen die Arbeiter als die Schuldigen an der wirtschaftlichen Ruin Russlands zu halten ist. Der verleumderische Charakter der Angriffe auf die Arbeiterklasse tritt noch heller zu Tage, wenn man die Einzelzahlen der Berichte der Fabrikinspektoren ins Auge fasst. Mehr als die Hälfte der entlassenen Arbeiter fällt auf die Textilindustrie (63 Fabriken mit 82 Tausend Arbeitern.) Die Textilindustrie zahlt bis auf den heutigen Tag niedrige Löhne und der Grund der Schließung der Textilfabriken ist im Mangel an Bauwolle zu suchen. Weiter: 72 Mühlen mit 6 Tausend Arbeitern wurden geschlossen wegen Mangels an Getreide. Über das Fallen der Produktivität der Arbeit im Donezer Kohlenbezirk berichtet Gen. Arski in der „Nowaja Schisn": Die durchschnittliche Produktivität der Arbeit betrug pro Kopf: in der ersten Hälfte des Jahres 1914 753 Pud, in der zweiten Hälfe des Jahres 1915 733 Pud, in der ersten Hälfte des Jahres 1916 656 Pud, in der zweiten Hälfte des Jahres 1916 507 Pud, in der ersten Hälfte des Jahres 1917 485 Pud. Das Sinken der Produktivität der Arbeit begann also noch vor der Revolution, in der Zeit wo die Arbeiter zwölf Stunden täglich gearbeitet haben, wo sie an Händen und Füßen geknebelt waren. Die Gründe der fortgesetzten Lähmung der Produktivität der Arbeit im Donezgebiet sind in erster Linie in der Änderung der Zusammensetzung der Arbeitermasse zu suchen. Ein Teil der Arbeiter wurde eingezogen, ein anderer verließ das Kohlengebiet angesichts der unerhört niedrigen Löhne, die trotz der Teuerung gezahlt wurden: noch im März 1917 zahlten die Grubenbarone 60 bis 75 Rubel an qualifizierte Arbeiter. An ihre Stelle zogen die Kapitalisten Kriegsgefangenen, Chinesen, Perser, Frauen und Jugendliche an. Auf 239.697 der Gesamtzahl der beschäftigten Arbeitern fielen im Jahre 1916 47.582 Kriegsgefangene und 28.000 Frauen und Jugendliche. Im Jahre 1917 betrug bei der Gesamtzahl von 274.000 Arbeiter die Zahl der Kriegsgefangenen 66.000, der Frauen und Jugendlichen 35.000. Also die Elemente deren Arbeitsleistung nur die Hälfte des Vollarbeiters beträgt, wuchsen von 31 auf 41%. Eine große Rolle spielte in dem Sinken der Produktivität die Abnutzung der Maschinerie, das Fehlen an verschiedenen Werkzeugen usw. All dies bewirkt eine wachsende Arbeitslosigkeit. Bei dem Fehlen des statistischen Apparats lässt sich ihre Höhe in dem gegebenen Moment schwerlich feststellen. Das Djelo Naroda bringt jedoch paar Angaben, die das Wachstum dieser Gefahr illustrieren: in den sechs Monaten der Revolution betrug die Zahl der als Arbeitsuchende bei der Petrograder Arbeitsbörse angemeldeten 65.220, während nur 48.029 Stellen zu vergeben waren. Im vorhergehenden Jahre war das Verhältnis umgekehrt. Die Petrograder Arbeitsbörse vermittelt nur einen sehr kleinen Teil der Angebote. Wenn man ihr Verhältnis zwischen Angebot und Nachfrage auf alle anderen Vermittlungsstellen überträgt, so ist die Arbeitslosigkeit in Petrograd schon sehr groß. So berichten auch über ihr Wachstum alle Gewerkschaften, die doch die Elite der Arbeiterschaft beschäftigen. Von Astrachan berichtet man. dass dort 10.000 Arbeitslose herum irren. In Sormow sind 1200 Metallarbeiter brotlos. |