VOL SPECIAL de MELGAR

Kommentar (michel.romanens):

Fernand Melgar wurde vom Direktor des Asylheims Frambois, Jean-

Michel Claude, gebeten, über die Flüchtlinge einen Film zu drehen.

Daraus entstand eine Freundschaft und ein Film. Das schier

unglaubliche daran: die Realität findet eine Abbild und eine

Öffentlichkeit, bis hin zum Todesfall des nigerianischen

Ausschaffungshäftlings.

Die teilnehmenden Flüchtlinge wollten unbedingt, dass dieser Film

gedreht wird. Sie hoffen, dass damit künftig etwas auf der politischen

Ebene Anklang findet, was die Situation der Flüchtlinge in der Schweiz

verbessert.

Das Problem: der Film entstand sozusagen mit dem Opfer und seinem

Henker. Dies brachte den Jury-Präsidenten des Locarno Filmfestivals

2011, Paulo Branco, auf die Palme. Er nannte den Film glattweg

obszön und faschistisch. Jedoch: wird sich der Täter seiner Schuld

bewusst - z.B. im Ausschaffungsvollzug - dann wird er selber zum Opfer - nämlich des Systems. Wir dürfen auch den Henkern zugestehen, dass sie den Vollzug der Todesstrafe widerlich finden, denn sie sind Menschen und sie haben die Möglichkeit eines Bewusstwerdungs-Prozesses.

Diesen Film als faschistisch zu bezeichnen, ist nun die dümmste Art, auf diesen Film zu reagieren. In erster Linie benötigt die Schweiz Aufklärung über die Flüchtlinge, um wieder zur Realität zurückzufinden. Die millionenschwere Kriegskampagne der SVP gegen Flüchtlinge belegt dies ausreichend.

Der Film Vol Specials öffnet sozusagen das Archiv der real existierenden Konzentrationslager in der Schweiz. Paulo Branco fordert, dass man diese Konzentrationslager nicht zeigt. Warum? Im besten Fall sind Kollaborateure für ihn dermassen unerträglich, dass er instinktiv die rote Karte zückt. Hier fehlt dann aber die öffentliche Darlegung seines “conflict of interest”. Es ist wahrscheinlich, dass Paulo Branco eine neurotische Beziehung zu Kollaborateuren hat, dies mag sich aus seiner Lebensgeschichte ergeben haben, die Erhebung dieser Neurose zur Allgemeingültigkeit ist jedoch nicht statthaft. Mit einer solchen Haltung ist er als Chef der Jury wenig tragbar. Im schlimmsten Fall will Paulo Branco in stalinistischer Tradition jegliche Meinungsäusserung, welche nicht mit seinem Verständnis zu Kollaborismus übereinstimmt, brandmarken.

Der Film Vol Specials regt auf, weil er gemäss Berichten die Beziehung zwischen Opfer und Täter zeigt und dies kaum kommentiert. Die Zurückhaltung von Fernand Melgar in diesem Punkt verdient ausserordentliche Hochachtung. Denn hier wird der Zuschauer nicht mit Kakophemismen, welcher Paulo Branco offensichtlich fordert, gestört. Der Zuschauer entscheidet, der Filmer liefert die Realität. Niemand wurde zu irgend etwas gezwungen. Deshalb ist dieser Aufklärungsfilm so wichtig.

Am Anfang jeder Lösung von Ungerechtigkeit steht die Einsicht des Täters. Es ist zu hoffen, dass jeder Schweizer diesen Film sieht. Dies ist die Voraussetzung für ein Umdenken in Flüchtlingsfragen in der Schweiz, denn im demokratischen Idiotismus zu Flüchtlingsschicksalen liegt viel Aufklärungsbedarf. Der Umgang mit Flüchtlichen ist letztlich ein politischer Entscheid. Der Film Vols specials ist ein politischer Film. Er hat das Potential, Umdenken in Flüchtlingsfragen zu bewirken. Diesen Film als faschistisch zu bezeichen, ist dumm. Vielleicht dreht Fernand Melgar als nächstes einen Film zu Paulo Branco im Ghetto seiner stalinistischen Mauern?