Test ADAC Gebrauchtwagen

Mit der Reife des Alters

Dass dieses Auto aufgrund anfänglicher Qualitätsmängel einmal Zielscheibe massiver Kundenproteste war, ist heute kaum noch vorstellbar. Im Gegenteil: Mit seiner viertürigen Stufenheckkarosserie (auch als Coupé, Kombi und Cabrio gebaut) tanzt dieser Benz noch rüstig auf allen Hochzeiten mit – egal, ob als Taxi oder als Firmenmobil für den gehobenen Dienst. Seine größte Stärke, wie bei allen Daimlern dieser Welt: Die überdurchschnittliche Verarbeitung, die ihn für schwerste Beanspruchung so tauglich macht.

Top-Noten verdient genauso der Kofferraum: Riesen-Format, leicht zu bepacken, mit praktischen Ablagefächern versehen und fein ausgeleuchtet. Einziger Wermutstropfen: Eine Durchlademöglichkeit zum Innenraum fehlt. Dort haben dafür die Passagiere ein feines Leben. Viel Platz auf gut gefederten Vordersesseln, Einhandbedienung der Gurte auch hinten, einfache Verstellung der hoch reichenden Kopfstützen. Nur an Ablagemöglichkeiten im Fond mangelt es leider.

Fahren wir mit dem einzigen Kritikpunkt in Sachen Bedienung und Sicht fort: Der Scheibenwischer läuft für starken Regen viel zu langsam. Ansonsten erntet die E-Klasse hier nur Lob. Kraftsparende Fußstellbremse, versenkbare Kopfstützen hinten für bessere Sicht beim Rangieren, Drainagerinnen zum Freihalten der Scheiben von Nässe – da haben die schwäbischen Ingenieure ordentlich Hirnschmalz investiert. Auch an bestmögliche Sicherheit wurde gedacht: Glatte Innenraumkonturen, Gurtstraffer und bei jüngeren Baujahren Airbags sollen mögliche Unfallfolgen mildern. Fast schon selbstverständlich, dass die Türen so sattschließen wie Schweizer Tresore. Dank feinfühliger Servolenkung wirkt das Fahrverhalten des ausgewachsenen Mobils agiler, als die Optik vermuten lässt. Stabiler Geradeauslauf, gute Kurvenlage und wirkungsvolle Bremsensorgen für ein gerüttelt Maß an aktiver Sicherheit; nur auf Seitenwind reagiert der Mercedes empfindlich. Dafür ist sein Fahrkomfort durch nichts zu erschüttern. Alle Unebenheiten der Straße werden souverän abgefedert, die Karosserie schwebt ruhig auch über die übelsten Pisten, auch Heizung und Lüftung funktionieren tadellos. Die Palette der Motoren reicht vom müden, sparsamen Zweiliter-Diesel bis zum bulligen Fünfliter-Achtzylinder. Generell gilt: Die Vierzylinder alter Generation (bis Baujahr 11/92) haben mit dem 1,5-Tonner kein leichtes Spiel. Erst die Einführung der Vierventiltechnik brachte mehr Dampf. Deutlich harmonischer wirken hier sowieso die Sechszylinder. Einigermaßen spritzig und sparsam: Die Turbodiesel, seit 1991 mit Kat. Das Fazit: Mit einem gebrauchten E-Klasse-Benz kann man kaum etwas falsch machen. Aufgepasst nur bei alten Firmenwagen und Taxis. Der Nachteil: Hoher Neupreis und bekannte Qualität addieren sich immer noch zu stolzen Wiederverkaufs-Kursen.

Quelle: ADAC SPECIAL, "DAS AUTOMAGAZIN Gebrauchtwagen ’98"