2015 - Hammond New B-3 Portable

01.02.2015 - Warum in Gottes Namen kauft man sich eine zweite Hammond, noch dazu ohne sie vorher nur einmal gesehen oder gehört zu haben?! Den zweiten Korg OASYS hatte ich mir vor einigen Jahren gekauft, um bei einem Ausfall ein Ersatzgerät für die Bühne zu haben. Bei der Hammond war das so nicht beabsichtigt.

Schuld war wieder mal Ebay. Dort tauchte nämlich eine ziemlich selten angebotene Hammond New B-3 Portable auf, inklusive Bank, Vollpedal und Leslie. Neupreis im Jahr 2006: knapp 20.000 €. Das höchste Gebot lag 5 Stunden vor Ende der Auktion bei 4.500 € und ich dachte, die wird wohl für mindestens 8.000 € den Besitzer wechseln. Ich weiß gar nicht warum, aber ich hab einfach so mal einen deutlich niedrigeren Betrag eingetippt und damit das bis dahin höchste Gebot abgegeben. Hoppalla! Das war mir vor einigen Jahren schon mal mit einer WERSI passiert.

An diesem Abend konnte ich das Auktionsende nicht verfolgen. Da ich aber davon ausging, die Orgel eh nicht zu bekommen, war mir das egal. Als ich dann irgendwann nach Mitternacht wieder zu Hause war dachte ich gar nicht mehr an die Orgel und war entsprechend überrascht, als ich bei der Durchsicht meiner Mails die Nachricht von Ebay las: „Viel Spaß mit ihrer neuen Hammond...“

Für diesen Kaufpreis war die Orgel ein echtes Schnäppchen. Wenn mal ein solches Modell im Internet gebraucht auftaucht, wird es zu deutlich höheren Konditionen gehandelt. Ich könnte die Orgel also jederzeit wieder verkaufen und der Verlust würde sich in Grenzen halten. Nach solchen Gedanken fiel mir ein, dass ich gar nicht geschaut hatte, wo in Deutschland die Orgel überhaupt stand. Leider nicht in Köln oder Düsseldorf, sondern in Bobingen bei Augsburg. Fxxx! Das bedeutete 1100 km Fahrt und einen ganzen Tag auf der Autobahn, im Februar bei Eis und Schnee! Die Hinfahrt dauerte schon bummelige 5 Stunden, und da waren die Strassen noch frei...

An dieser Stelle ein kleiner Exkurs zum Thema „New B-3“. Wie auf dem Bild zu erkennen, sieht der Spieltisch fast exakt so aus wie bei meiner A-100 aus dem Jahr 1956. Ziel war es, nicht nur den bis dahin unerreichten Sound der echten Tonewheel-Orgel mit einer digitalen Tonerzeugung zu erreichen, sondern auch die Präsenz und das Spielgefühl des Originals.

Es gab unzählige Versuche aller möglichen Firmen, auch im Hause Hammond biss man sich jahrzehntelang die Zähne daran aus, den originalen Sound, der vor allem durch technische Unzulänglichkeiten so lebendig ist, digital nachzubilden. Alle digitalen Plagiate klangen zu glatt, zu steril, eben nicht wie das Original. Bis man dann bei Hammond auf zwei entscheidende Ideen kam.

Zum einen werden in der neuen Klangerzeugung nun alle 96 Tonewheels digital nachgebildet, statt einfach nur Samples abzuspielen. Vereinfacht gesagt sind die Töne beim Anschlagen der Taste schon da und müssen nicht erst noch berechnet werden wie sonst.

Der zweite neue Denkansatz betraf die Tastatur. Bei der alten Tonewheel-Hammond liegen unter der Tastatur neun Kontaktschienen (Bus-Bars), für jeden Zugriegel eine. Drückt man nun eine Taste ganz langsam herunter so hört man, dass nicht alle Kontakte gleichzeitig schließen, sondern einer nach dem anderen. Also so etwas wie eine „unbeabsichtigte Anschlagdynamik“, die jedes Mal ein bisschen anders und dadurch lebendig ist.

Gleiches gilt für den so genannten „Key-Click“. Dieser entsteht durch das Verschmutzen der Bus-Bars, die dadurch beim Schließen des Kontaktes ein kratzendes Geräusch erzeugen. Ironischerweise hat man damals bei Hammond alles versucht, um diesen „Mangel“ abzustellen. Stellt sich dann heraus, dass es gerade diese Eigenschaft ist, die den ganz speziellen „Attack“ ausmacht, der von Hammond-Spielern so geschätzt wird. Ein gesampelter Key-Click klingt immer gleich, der originale ist immer anders und somit lebendig! Was lag also näher, diese Art Tastatur auch in die digitale New B-3 einzubauen? Natürlich ist das aufwendig und nicht billig, aber es ist tatsächlich die einzige Möglichkeit, dem Original zu entsprechen!

Man kann also sagen, dass ich ziemlich gespannt war, die neue B-3 mal in der Realität zu hören. Bis dahin kannte ich nur die YouTube-Videos. Dort hatte ich den Eindruck gewonnen, dass sie es bei Hammond dieses Mal vielleicht wirklich geschafft hatten, den Sound nach über 50 Jahren zu erreichen. Aber der Eindruck bei solchen Videos kann ja täuschen. Wie war nun der erste Eindruck? Nun, es klang etwas anders, aber das lag weniger an der Orgel, als vielmehr am Leslie. Es ist einfach ein Unterschied, ob man ein fettes 122er Röhren-Leslie hört oder ein schlankes 2102. Der große Aha-Effekt sollte später kommen, als die New B-3 über das 122er Leslie zu hören war.

Thema Transport: der Hauptgrund warum ich in den letzten 10 Jahren so gut wie gar keine Konzerte mehr mit der Hammond gespielt hatte lag zum einen daran, dass ich musikalisch mal was anderes machen wollte, zum anderen aber auch am aufwendigen Transport. Alleine der Spieltisch der A-100 wiegt über 100 kg, das ist zu zweit kaum machbar. Die New B-3 ist mit 60 kg nicht nur erheblich leichter, sondern auch nur halb so hoch. Nimmt man dann noch das kleine Leslie statt den 122er-Trümmer, wird ein Transport zu zweit auf einmal wieder realistisch.

Die Rückfahrt gestaltete sich aufgrund der Witterungsverhältnisse abenteuerlich. Bei Teilweise deutlich unter 50 km/h ging es abends um elf hinter einem Räumfahrzeug durch die verschneite Eifel. Nach sechseinhalb Stunden war es schließlich geschafft. Was für eine Tour...

Am nächsten Tag wurde die neue Orgel dann neben der alten aufgebaut und über den 2-Kanal Leslie-Vorverstärker, den mir Michael Ansorge vor einigen Jahren nach meinen Vorstellungen gebaut hatte, an das 122er Leslie angeschlossen. Der ultimative Vergleich! Beide Orgeln am gleichen Leslie, mit gleichen Zugriegel-Einstellung, gleicher Lautstärke und: 99% identischer Sound!

Da es auch bei den alten Tonewheel-Orgeln aufgrund der mechanischen Fertigungstoleranzen keine zwei auf der Welt gibt, die 100% gleich klingen muss man sagen: DAS ist es. Sie haben es tatsächlich geschafft! Nach über 50 Jahren endlich Sound, Spielgefühl und Aura der originalen B-3 in digitaler Form! Hammond baut die New B-3 seit 2002 nahezu unverändert. Weil es nichts wesentliches mehr hinzuzufügen oder zu verbessern gibt. Well done, guys! :-)

Hier noch ein Video, in dem der Holländer Leon Kuijpers verschiedene Hammond-Keyboards und schließlich die New B-3 vorstellt. Den Parts mit den Keyboards kann man getrost überspringen. Sie klingen furchtbar. Interessant wird es ab 16:30.