1996 - Ausbildung bei der Kreissparkasse Köln

01.08.1996 - Schon am Ende des ersten Tages der Ausbildung wusste ich, dass ich das nicht mein Leben lang machen wollte: ein absolut frustrierender Job. Aber ich hab es durchgezogen und den IHK-Abschluss als Bankkaufmann gemacht. Oft erkennt man erst später, wofür manche Dinge gut sind: heute kann ich das Gelernte freiberuflich anwenden.

Warum um Gottes Willen eine Ausbildung in einer Bank? Die Erklärung ist denkbar einfach: damals nach dem Abitur hab ich geglaubt, für ein Musikstudium nicht gut genug zu sein. Ich nahm mir die Ausnahmekönner aus dem Fernsehen als Maßstab, und da waren meine spielerischen Fähigkeiten im Vergleich natürlich ziemlich bescheiden. Dass für eine Aufnahmeprüfung an der Musikhochschule ganz andere Maßstäbe gelten, war mir damals nicht klar.

Also sah ich mich nach Alternativen um. Da ich als Jugendlicher mal einen Ferienjob in einer Gartenbaufirma hatte wusste ich, dass körperliche/handwerkliche Arbeit definitiv nicht mein Ding war. Also was mit dem Kopf. Studieren, aber was? BWL? Das machte ja jeder, dem nichts besseres einfiel. Vielleicht doch lieber eine Ausbildung. In der Bank kann man bestimmt Karriere machen und massig Kohle verdienen. Dachte ich mir. Wie naiv.

Ich schrieb also Unmengen von Bewerbungen (fünf) an verschiedene Banken und Sparkassen und wurde bei vier Banken zum Einstellungstest gebeten. Keine schlechte Quote! Bei der Deutschen Bank hab ich nach dem Test von mir aus dankend abgelehnt. "Wir nehmen nur die Besten!" war die Begrüßung. Was für ein hochnäsiger Haufen! Ein paar Jahre später haben sie "die Besten" dann gleich massenweise vor die Tür gesetzt.

Bei der Stadtsparkasse Köln und der Kreissparkasse Köln (KSK) hab ich den Test dann bestanden und konnte mir aussuchen, wo ich anfange. Da ich von Natur aus etwas bequem bin hab ich mir die KSK ausgesucht. Die war auch in Bergheim vor Ort und ich musste nicht immer nach Köln fahren.

Zum Einstellungstest bei der KSK kann ich heute nach so vielen Jahren eine nette Anekdote erzählen. Köln ist ja bekannt für den "kölschen Klüngel". Da simmer dabei, dat is prima, hab ich mir gedacht und mir die Prüfungsunterlagen inklusive Lösungen mal vorab "besorgt". Man kann also sagen, dass ich recht gut auf den Einstellungstest vorbereitet war. Ich hätte es eigentlich nicht nötig gehabt, denn den Test bei der Stadtsparkasse hab ich ja auch so bestanden. Aber sicher ist sicher.

Ich saß also mit ungefähr 20 anderen Bewerbern in der Zentrale der KSK am Neumarkt. Die Begrüßung war herzlich und viel sympathischer als bei der Deutschen Bank. Alle waren etwas nervös, ich nicht. OK, dann wollen wir mal. Der Test war auf eine Stunde angesetzt, wenn ich mich recht erinnere. Ich war nach 15 Minuten fertig. "Wenn ich jetzt abgebe, merkt jeder, dass hier was faul ist" dachte ich mir und hab noch 15 weitere Minuten angestrengt so getan, als würden mir die Aufgaben Kopfzerbrechen bereiten. Als ich dann nach 30 Minuten keine Lust mehr hatte, war ich trotzdem der erste, der den Test abgab. Die Reaktion der Mitbewerber war irgendwo zwischen ungläubigem Staunen und Schadenfreude angesiedelt, nach dem Motto "ha, hat er nix gepeilt und muss schon abgeben". Wenn ihr wüsstet...

Nach dem Test wurden ca. 2/3 der Leute als erste Gruppe ins Personalbüro gebeten. Die hab ich nie wieder gesehen. Den restlichen Bewerbern wurde dann feierlich offeriert, dass sie den Test bestanden und somit einen Ausbildungsplatz bei der KSK hätten. Welche Freude! Und dann kam das eigentlich Lustige. Anhand des Einstellungstests wurde auch der Intelligenzquotient (IQ) der Bewerber ermittelt und wir wurden gefragt, ob wir denn unseren IQ wissen wollten. "Au Backe" dachte ich mir, das wird jetzt aber hart. Ich stimmte als einziger dagegen, aber die anderen wollten ja unbedingt wissen, wer der schlaueste ist. Wie gut, dass ich vorsorglich noch ein paar absichtliche Fehler eingebaut hatte...

Der IQ-Durchschnittswert eines Menschen liegt bei 100. Zur Verdeutlichung hier mal eine Grafik der "Intelligenzverteilung": FOTOLINK

Ab einem IQ von 130 zählt man zu den 2 % der intelligentesten Menschen und gilt gemeinhin als hochbegabt. Die Werte wurden von der Personalchefin in ansteigender Reihenfolge vorgelesen, begannen bei 105 und endeten irgendwo bei 120. Damit war zu rechnen, denn es waren ausnahmslos Abiturienten mit einem Abitur-Schnitt von mindestens 2,5. Dann kam ich. "Lass es bitte nicht über 130 sein" flehte ich noch kurz. Vergebens.156. Schweigen. Ungläubige Blicke.

"Noch Fragen?" Was Besseres fiel mir in dem Moment nicht ein... Es folgten Entschuldigungen der Marke "Man tut was man kann", "Heut ist mein Glückstag" usw. Ich muss heute noch herzhaft über die verdutzten und neidischen Gesichter der ach so ehrgeizigen angehenden Bänker lachen... Natürlich bin ich nicht so schlau! Aber ich glaube, dass ich auch nicht dumm bin und das reicht mir. Wen interessiert ein IQ-Wert? Mich nicht. Ich halte es mit Herbert Knebel: Hauptsache, Herz ist gut!

So begann meine Ausbildung bei der KSK. Geschniegelt und gestriegelt im Anzug und bereit die steilste Karriere im Bankenbereich seit Josef Ackermann zu starten trat ich pünktlich um 8 Uhr morgens in der mir zugeteilten Filiale in Bedburg an. Um 17 Uhr des selben Tages hatte ich die Schnauze voll. Nach einer Woche war ich verzweifelt und zählte die Tage der Ausbildung rückwärts. Ich hatte mich noch nie im Leben so verschätzt! Was für ein ätzender Job!

Aber einer meiner Grundsätze lautet: was man beginnt bringt man auch zu Ende. Also hab ich mich zweieinhalb Jahre meines Lebens jeden Morgen um 6 Uhr aus dem Bett gequält um mich hinter einen Schreibtisch bzw. Bankschalter zu klemmen und Überweisungen auszufüllen und Sparbücher anzulegen. Und Bewertungen zu erhalten. Ich habe es gehasst. Warum? Zum Beispiel deshalb:

Ich komme morgens statt pünktlich um 8:00:00 Uhr um 5 Minuten nach acht. Es dauert keine 15 Minuten, da werde ich vom stellvertretenden Filialleiter in sein Büro gerufen. Er wolle mal mit mir reden. Nur zu. Es folgt eine Standpauke, wie es denn um meine Arbeitsmoral bestellt sei, was ich mir denn dabei denken würde, zu spät zu kommen, ob ich mir im Klaren darüber sei, welches Privileg es sei, einen Ausbildungsplatz zu haben und was denn die Kollegen von mir denken sollten. Nach fünf Minuten Monolog durfte ich dann antworten. "Mein Bus hatte Verspätung." Kurzes Schweigen, dann: "Ach so. Na dann. Aber nehmen Sie sich meine Worte zu Herzen." Ja ja...

In regelmäßigen Abständen gab es auch die offiziellen Bewertungen der Zweigstelle. Insgesamt hab ich da eigentlich ganz gut abgeschnitten, obwohl mich alles angekotzt hat. Das Beste war jedoch die Bewertung im Punkt "Umgang mit technischen Hilfsmitteln". Note: Ausreichend. Wat is los? Warum? Ich konnte die PCs und die Banksoftware problemlos bedienen. "Sie müssen in zukünftigen Bewertungen ja noch Spielraum für Verbesserungen haben" war die Erklärung. Noch mal zurück zum Thema IQ: ich zweifelte ernsthaft am Wert meines Gegenüber, seines Zeichens stellvertretender Leiter einer Filiale. Ich war versucht ihm zu erklären, dass ich zu Hause ein komplexes Tonstudio bediente, von dem er nicht mal wüsste, wozu ein einziger Knopf gut wäre, und er sagt mir, ich sei in der Bedienung von Technik "ausreichend"? Ich hab nichts gesagt. Perlen vor die Säue...

Bevor ich Euch mit noch mehr Horrorgeschichten langweile: es gab auch schöne und lustige Momente. Vor allem in der Berufsschule in Köln-Zollstock. Darauf habe ich mich immer gefreut. Die anderen Azubis treffen und schon Mittags frei. Was das Lehrer-Personal betrifft: Licht und Schatten. Da war vom guten Pädagogen über das unter Lehrern immer wieder anzutreffende A........ bis hin zur Psychopathin und Vollalkoholikerin alles dabei. Einige Lehrkörper konnte man definitiv nicht für voll nehmen. Das sage ich heute als gestandener Musikpädagoge mit knapp zwei Jahrzehnten Berufserfahrung mit noch größerer Überzeugung als damals. In diesen Bildern haben meine ehemaliger Kollege Thomas und ich mal dokumentiert, wie es damals im Unterricht zuging und was möglich war:

Krass, oder? Wir waren alle Anfang 20 und eigentlich aus dem Alter der Schulstreiche raus, aber wir konnten einfach nicht anders. Thomas, der nie zuvor eine Brille trug, behauptete an diesem Tag steif und fest, dass er morgens aufgewacht sei und nichts mehr sehen konnte. Die notdürftig vom Augenarzt verschriebene Brille sollte Abhilfe schaffen. Er malte beim Abschreiben von der Tafel pro DIN-A-4-Seite einen Buchstaben (zweites Bild). Tischnachbarin Sandra lacht sich schlapp. Ich hatte meine Kamera dabei (keine kleine Handkamera, sondern eine fette Nikon F90 Spiegelreflex mit Blitz) und konnte munter Fotos machen. Besonders stolz bin ich auf Foto 4. Das gab zwar im Nachhinein ein wenig Stress, aber das war es wert... :-)

Ich versuche in allem, was mir widerfährt, das Gute zu sehen. Oft entpuppt sich das vermeintlich Schlechte im Nachhinein als wertvolle Erfahrung, von der man im weiteren Leben profitieren kann. So sehe ich mittlerweile auch meine Ausbildung bei der Kreissparkasse Köln. Ich habe damals die Tage rückwärts gezählt, ich habe es gehasst, doch im Rückblick und mit der Verklärung der Jahre bin ich fast versucht zu sagen "es war doch eine schöne Zeit".